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Wenn es mit Riechen und Schmecken hapert

Über unangenehme Zeitgenossen äußert sich mancher schon mal mit der Bemerkung: "Den kann ich nicht riechen!" Womit er oder sie ganz tief in die Trickkiste sozialer Beziehungen greift. Sympathie und Antipathie werden tatsächlich weit häufiger über den Geruch gesteuert als mancher meint. Große Handelsketten verdienen mit diesem Phänomen viel Geld. Nun gibt es aber Menschen, die weder riechen noch schmecken können: Weder unangenehme Zeitgenossen, noch das Glas französischen Rotwein - und sei die Flasche noch so teuer: Nase, Zunge und Gaumen nehmen keine Aromen mehr wahr. Hilfe bei diesem zwar nicht lebensbedrohlichen, aber doch sehr unangenehmen Leiden verspricht das Riech- und Schmeckzentrum der Universität Dresden.

Von Mirko Smiljanic |
    Wer ein Stückchen Seebarsch in den Mund schiebt, setzt eine Kontrollkaskade der Superlative in Gang: Sobald die Gabel vor dem Mund schwebt, steigen Aromamoleküle durch die Nase zum Riechepitel, dort werden sie zu elektrischen Signalen verarbeitet, die wiederum spezielle Nerven ins Hirn leiten. Binnen weniger Millisekunden fällt dort die Entscheidung, ob der Bissen in den Mund darf. Im Mund selbst startet Kontrollstufe zwei: Die auf Zunge, Gaumen und Rachen nach einem ausgeklügelten Muster verteilten Geschmackszellen registrieren, wie süß, sauer, salzig oder bitter der Seebarsch ist. Beide Prüfresultate zusammen entscheiden letztlich darüber, ob das Essen fortgesetzt oder der Schluckmechanismus unterbrochen wird.

    Das sind auch die ältesten Sinne, die Lebewesen überhaupt haben, also schon einzelne Zellen haben mit ihrer Umgebung chemisch kommuniziert. Diese chemischen Sinne sind bei uns der Schmecksinn, das ist so zusagen der Nahsinn, und der Riechsinn ist der Fernsinn, mit wir Riechen, mit dem wir Luftmoleküle aus der Ferne bekommen.

    Professor Karl-Bernd Hüttenbrink, Direktor der Hals-, Nasen- und Ohrenklinik in Dresden und Leiter des Riech- und Schmeckzentrums. Untrainierte Menschen riechen nur 20 bis 30 Gerüche; trainierte Parfumeure unterscheiden zwischen 2000 Armomen. Beim Geschmack ist alles einfacher: Süß, sauer, salzig, bitter sind die einzigen wahrnehmbaren Eindrücke. Wer einen Wein als erdig, blumig oder sonst wie erlebt, hat diese Eindrücke übrigens gerochen - niemals geschmeckt. Vorausgesetzt natürlich, die Nase funktioniert.

    Die Hauptursache ist, wenn die Riecharomen nicht mehr in die Nase reinkommen, wenn die Nase verstopft ist oder wenn Polypen beim chronischen Schnupfen die Nase verlegen, das sind die Entzündungen; dann gibt es Unfälle, Traumata also, wenn man auf den Hinterkopf fällt, dann können die ganz zarten Riechfasern an der Schädelbasis abgeschert werden, manchmal wachsen sie wieder aus, manchmal aber sind sie kaputt.

    Therapeutisch ließ sich bisher kaum eingreifen: Manchmal regeneriert sich der Geruchssinn, manchmal aber auch nicht. Im Dresdner Riech- und Schmeckzentrum verschreiben Mediziner zwar Cortison, eine wirkliche Lösung des Problems ist das wegen der massiven Nebenwirkungen aber nicht. Aus diesem Grund versuchen die Forscher Cortison in kleinen Mengen direkt auf das Riechepitel zu platzieren.

    Da testen wir jetzt, ob man lokal - also örtlich - durch Einlage durch spezielle kleinen Trägersubstanzen dort eine Dauerwirkung erzeugen kann, das sind keine Substanzen, Puder oder so, sondern kleine Plättchen, die dann einmal eingelegt werden und die dann für vier Wochen den Riechsinn wieder herstellen können.

    Eine zweite Therapievariante ist Alphaliponsäure, die die Nervenaussprossung fördert. Interessant ist diese Behandlungsmethode vor allem dann, wenn eine Virusgrippe die Geruchsnerven geschädigt hat,...

    ...und wenn man von der Hypothese ausgehet, dass nach einer Virusgrippe die Riechzellen einfach keine Verbindung mehr zum Gehirn haben, also da, wo dir Riechfasern die Nervenzellen einmüden lassen ins Gehirn, dass man diese Aussprossung fördert durch dieses Medikament, das wirkt zum Beispiel bei diabetischen Nervenschäden, in dem es die Nervenaussprossung fördert, und wir haben gesagt, wir versuchen das mal bei Riechstörungen, und es scheint zu wirken. Wir sind gerade bei der Auswertung einer großen Doppelblindstudie, um das auch wissenschaftlich zu untermauern.

    Parallel zu dieser Studie, untersuchen die Dresdner Wissenschaftler die Wirkung von Vitamin B und Caroverin, ein Glutamat-Antagonist, der als krampflösendes Medikament bei Tinitus und Hörsturz verschrieben wird. Zum Renner könnte sich zudem das Dresdner Riechtraining entwickeln. Karl-Bernd Hüttenbrink hatte beobachtet, dass bestimmt Geruchsstoffe aus dem Tierreich - Androstenon etwa - von 50 Prozent aller Menschen wahrgenommen wird, während die andere Hälft nichts riecht. Muss die nichts riechende Hälfte nun regelmäßig an Androstenon-Proben schnüffeln, ändert sich das Bild: Nach zwei Wochen riechen aus sie die Substanz, die übrigens Eber empfängnisbereiten Sauen unter die Nase reiben, um sie in eine so genannte Duldungsstarre zu versetzen. Das bedeutet: Riechen lässt sich trainieren - vielleicht auch bei Menschen mit gestörtem Geruchssinn. Um dies zu testen, verteilen die Dresdner Forscher ein Set mit sieben Duftstoffen, Zimt ist dabei, Rosenöl und Eukalyptus. Auch diese Auswertung steht noch aus.

    Lebensgefährlich sind Riech- und Geschmacksstörungen nicht, unangenehm aber allemal. Jenseits aller Therapien gibt es aber auch Lichtblicke: Wenn es mit dem Riechen und Schmecken hapert, kann das Gehirn die ärgsten Schäden ausgleichen.

    Wenn Sie eine Erdbeere auf der Zunge zergehen lassen, dann ist das nicht nur das Aroma der Erdbeere was über den Riechsinn wahr genommen wird, oder das Süße über die Zunge, sondern auch der Trigenimus, der sensible Nerv, der meldet die kleinen Körnchen in der Erdbeere oder was das für ein Gefühl ist, wenn das Fruchtfleisch am Gaumen zerdrückt wird, und das ganze setzt sich im Gehirn als Eindruck Erdbeere zusammen.