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Wenn Fürsten nach Bildern dürsten

Das italienische Fürstenhaus der Gonzaga hielt in Mantua Hof. Sie hatte sich einen Ministaat erobert, wie er im politisch zerfaserten Italien des 16. Jahrhunderts durchaus typisch war. Untypisch für ein Geschlecht von Kriegsherren war ihr Engagement als Kunstsammler. Der Hof der Gonzaga wurde zwischen der zweiten Hälfte des 16. und dem Beginn des 17. Jahrhunderts zur wichtigsten Drehscheibe für europäische Künstler. Sie waren Gäste des Hauses und lieferten ihren Mäzenen die Ahnengalerie für die Empfangshalle. Und: die Gonzaga kauften, was ihre Kassen hergaben. Vincenzo I. liess gleich dutzendweise Gemälde anschaffen, vor allem von Michelangelo. Einige davon sind jetzt in einer Ausstellung im Palazzo Te und im Palazzo Ducale in Mantua wieder zu sehen, daneben aber auch andere Schätze aus der Wunderkammer der Gonzaga: Schmuck, Truhen aus Bergkristall und was an kostspieligem Kunsthandwerk sonst den Geschmack des Hauses bediente. Thomas Migge über die Geschichte und Psychologie einer der ersten europäischen Sammler-Familien.

Von Thomas Migge |
    1624 wurde ein Teil der Schätze der Gonzaga von Mantua aus nach Paris geschickt. An Kardinal Richelieu. Man wollte sich den ersten Minister Frankreichs gewogen machen, damit er nicht auf die Idee kam, den Zwergstaat der Gonzaga zu erobern. Mit dieser mehr oder weniger erzwungenen Kunstverschickung begann die Auflösung einer der beeindruckendsten Kunstsammlungen der europäischen Geschichte. Als einige Jahre später der letzte italienische Gonzaga Vincenzo II. hunderte von Gemälden verkaufte, nach England, an den zahlungskräftigen und kunstbegeisterten Charles I., und als dann noch Landsknechte Mantua plünderten, da war es um die Sammlung geschehen. Gemälde, Skulpturen und andere Kunstgegenstände wurden über ganz Europa verteilt. Ein Kuchen, den schon seit dem späten 16. Jahrhundert viele Kunsthungrige in Europa am liebsten ganz für sich allein verzehrt hätten, erklärt Kunsthistorikerin Wanda Pallavicini:

    Die Gonzaga, mit Isabella d'Esta, waren seit dem Ende des 15. Jahrhunderts die ersten wirklichen Kunstsammler Europas. Ihre Schätze in Mantua wurden zum Prototyp aller modernen Kunstsammlungen. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht und ihres Reichtums, zu Anfang des 17. Jahrhunderts, verwahrten sie im Palazzo Ducale rund 2.000 Gemälde und 20.000 andere Kunstwerke.

    Die ehemalige "Collezione Gonzaga" ist das Thema einer großen Ausstellung. Auch wenn von der einstmals großen Sammlung nur fast 200 Werke nach Mantua entliehen werden konnten, so vermitteln sie doch auf jeden Fall einen Eindruck von der Kunstsinnigkeit jenes Hauses Gonzaga, dem anfangs ganz und gar nicht ins Stammbuch geschrieben war, dass sie sich einmal einen Namen als Kunstförderer machen sollten. Ihre Karriere auf der politischen Bühne begannen sie als provinzielle Kriegsherren. Skrupellos eroberten sie sich einen Ministaat, der seit Mitte des 16. Jahrhunderts, so Wanda Pallavicini, immer mehr an Bedeutung verlor:

    Die Gonzaga hatten begriffen, dass die große Zeit der politischen Einflussmöglichkeiten italienischer Kleinstaaten, ein Produkt des Mittelalters, im 16. Jahrhundert abgelaufen war. Sie hatten verstanden, dass es im Spiel der europäischen Großmächte auf sie nicht mehr ankommt. Das abnehmende politische Gewicht versuchten sie mit Hilfe von demonstrativ zur Schau gestellter Hochkultur und mit viel Kunst auszugleichen.

    Der Hof der Gonzaga, das macht die Ausstellung in Mantua deutlich, wurde zwischen der zweiten Hälfte des 16. und dem Beginn des 17. Jahrhunderts zur wichtigsten Drehscheibe für europäische Künstler. Sie waren Gäste der Gonzaga und malten für sie. Und: die Gonzaga kauften was ihre Kassen hergaben. Vor allem Vincenzo I. Er ließ gleich dutzendweise Gemälde anschaffen. Unter seiner Herrschaft erreichte die Sammlung Gonzaga ihren Höhepunkt. Rubens und Andrea Del Sarto, Tintoretto, Leonardo da Vinci und Raffaello: die Herrscher von Mantua kauften nur erste Qualität. Schliesslich wollte man europaweit Eindruck schinden. Die Gonzaga konzentrierten sich aber auch aus einem anderen Grund immer mehr auf das Sammeln von Kunst. Dazu die Kunsthistorikerin Pallavicini:

    In einer Zeit, in der man sich vor den großen europäischen Monarchien in Acht nehmen musste, die mit Krieg oder diplomatischen Mitteln Italien untereinander aufzuteilen versuchten, befriedigten die Gonzaga mit dem Sammeln von Kunst auch ein recht irrationales Bedürfnis: sie flohen in ein Arkadien, in eine Traumwelt, wo sie nach wie vor die unbestrittenen Herren waren, eine Welt in der man mit Hilfe der Kunst das Fehlen politischer Macht ausgleichen konnte.

    Bilder, Skulpturen und andere kostbare Objekte dieses Arkadiens, dieser Traumwelten werden von den Ausstellungsmachern in den prächtigen Renaissancesälen des Palazzo Te und des Palazzo Ducale so perfekt in Szene gesetzt, dass der Eindruck entsteht, als ob man bei den Gonzagas zu Besuch sei. Neben den Gemälden berühmter Maler faszinieren vor allem die Gegenstände aus der ehemaligen Wunderkammer der Gonzaga: Truhen aus Bergkristall, Muschelvasen, aufwendig in Gold und Silber eingefasst, Schmuckstücke und eine kleine Echse aus massivem Gold, dessen Panzer ganz aus Diamanten besteht. Kurios ist ein ausgestelltes Buch. Ein Kochbuch. "Die Kunst des guten Kochens", so der Titel. Autor ist Bartolomeo Stefani,1622 Hofkoch der Gonzaga. Die 40 recht komplizierten Gerichte Stefanis wurden nachgedruckt und können am Ausgang der Ausstellung erworben werden.

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