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"Wenn ich Musik mache, kommt mein Alter Ego zum Vorschein"

Korrekt gescheitelte Frisur, große Hornbrille, Rock und Bluse wie aus den 50ern. Sallie Ford scheint wie aus einer Zeitmaschine gefallen zu sein. In ihrer Musik verbindet die junge Amerikanerin die Inbrunst von Gospel, den Schmerz des Blues und die Wut des Rock'n'Roll. Ein Porträt.

Von Florian Fricke |
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    Es hört sich an, als hätte der Kultregisseur Jim Jarmusch letztens einen Film mit James Dean gedreht. Sallie Ford and the Sound Outside klingen nach Südstaaten-Sümpfen, nach hormonellen Teenager-Wallungen und Hornbrillen. Sallie Ford trägt eine Hornbrille, ist blass und schüchtern. Im Gespräch wirkt sie, als hätte man sie gerade für eine Aussprache aus dem Klassenzimmer geholt. Mehr Antiheldin geht nicht. Ursprünglich stammt sie aus North Carolina. Sie mag zeitgenössische Country- und Folkinterpretinnen wie Cat Power oder Regina Spektor, noch mehr den großen Storyteller Tom Waits, dessen groteske Geschichten sie verinnerlicht hat. Ihre Basis aber sind die Vertreter der reinen klassischen Lehre.


    "Ich stehe auf alten Country and Western wie von Patsy Cline. Ich bin auch stolz auf meine Südstaatenwurzeln, aber allzu southern bin ich nun auch wieder nicht - mein Vater ist ein Yankee aus New York."

    Mit dieser Mischung aus ländlicher Kleinstadt-Romantik und urbanem Hipstertum ist bereits ein Spannungselement ihrer Musik benannt. Außerdem entstammt sie einer Künstler-Familie. Ihre Mutter ist Musiklehrerin, ihr Vater Puppenspieler. Nach der High School und einem kurzen College-Aufenthalt zog Sallie Ford nach Portland im Nordwesten der USA, wo sie nach und nach die Mitglieder ihrer heutigen Band The Sound Outside traf. Ford Tennis und Tyler Tornfelt, zwei Jungs aus Alaska bilden, die jazzig angehauchte Rhythmusgruppe aus Schlagzeug und Kontrabass. Und dann ist da noch der ehemalige Straßenmusiker Jeffrey Munger.

    "Das erste Mal, als er mit mir E-Gitarre spielte, wirkte das, als hätte ich plötzlich eine Geheimwaffe. Er ist einfach ein großartiger Gitarrist. Ich konnte die Band überzeugen, ihn aufzunehmen. Und erst mit ihm haben wir unseren jetzigen Sound gefunden."

    In Portland, das Seattle schon lange als Independent Rock-Hochburg abgelöst hat, hat sich die Band durch beständiges Spielen bereits ein treues Publikum erspielt. Auch in Kalifornien und New York findet sie immer mehr Anhänger. Im August waren sie bei Talkshow-Ikone David Letterman eingeladen, um ihr erstes Album Dirty Radio zu promoten - eine erste mediale Adelung.

    "Als Teenager war ich viel zu schüchtern. Ich konnte zwar richtig laut singen, aber ich traute mich nicht. Aber mit meinem Umzug nach Portland machte ich einen Riesensprung in meiner Entwicklung. Auch meine Reise durch Europa hat mich geprägt. Endlich hatte ich den Mut der Welt zu zeigen, wer ich bin."

    Und wie sie das zeigt. Sallie Fords mächtiges Organ ist ihr Kapital, eine Stimme, die sich so wohl nur in den USA entwickeln kann: mit der Inbrunst von Gospel, dem Schmerz des Blues und der Wut des Rock 'n' Roll. Dahinter versteckt sich die Band nicht hinter Genregrenzen, sondern sorgt für einen sehr persönlichen und direkten Sound. Sehr feinfühlig versteht sie es die verschiedenen Stimmungen von Sallie Fords Geschichten zu untermalen, in denen sie mal ihr eigenes Leben in Szene setzt wie in einigen klassischen Liebes- und Eifersuchtsoden, oder in Poison Milk eine konstruierte Ballade à la Tom Waits anbietet, die von einer blutdürstigen Rächerin handelt. Natürlich klingt das alles vintage und retro, doch ist es ein Blick zurück von einer gegenwärtigen Warte. Und es ist Therapie.

    "Wenn ich Musik mache, kommt mein Alter Ego zum Vorschein: eine Art selbstbewusste sexy Jazz-Sängerin. Im realen Leben fühle ich mich eher wie ein ungelenker Nerd, ich wäre niemals so mutig. Aber so habe ich einen Weg gefunden mich auszudrücken. "

    Sallie Ford will sich selbst den schüchternen Kleinstadt-Backfisch austreiben und stattdessen die Welt mitreißen mit ihrem natürlichen Charme und energischen Lebensmut. Denn letztendlich weiß sie wie Millionen anderer junger Menschen auch nicht so recht wohin in dieser Welt der Lebensläufe und Abteilungsleiter.

    "Ich will über die Runden kommen. Ich will nicht kellnern müssen oder wieder aufs College. Obwohl, vielleicht wäre es noch mal ganz schön zu studieren, aber mit einem einfachen Bachelor-Abschluss kommst du heutzutage nicht weit. Du musst weiter studieren, aber dann würde es ewig dauern, bis ich einen richtigen Job hätte. Ich will einfach nur genügend Fans ansprechen, die meine Musik verstehen und mit ihr ausflippen wollen."