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Wenn Kältemittel Feuer fangen

Viele Kühlmittel, die im Pkw für ein angenehmes Klima sorgen, sind schädlich für das Weltklima. Eine neue Kühlsubstanz soll Abhilfe schaffen. Doch sie hat ebenfalls einen Haken: Sie ist hoch feuergefährlich, warnt nicht nur die Deutsche Umwelthilfe, sondern auch der Berufsverband der Feuerwehr.

Von Dieter Nürnberger | 15.02.2012
    Es geht darum, dass ein Neues von der Industrie entwickelte Kältemittel für Autoklimaanlagen im Verdacht steht, unter bestimmten Voraussetzungen Flusssäure freizusetzen. Mit Flusssäure wird beispielsweise Glas verätzt - in industriellen Prozessen - aber ganz klar: Flusssäure ist natürlich für den Menschen hochgradig giftig und gefährlich. Das neue Mittel heißt 1234yf - und dieses Mittel wird auch vom VDA, dem Dachverband der deutschen Automobilhersteller, als neuer, auch internationaler Standard, begrüßt. Denn das alte Mittel mit der Bezeichnung R134a war längst in Verruf geraten, weil es eben hochgradig klimaschädlich ist. So hat beispielsweise auch die EU schon vor ein paar Jahren reagiert - und Grenzwerte für Kühlmittel in Autoklimaanlagen festgelegt.

    Das neue Mittel ist also umstritten - der Streit darum tobt auch schon seit Jahren. Und es ist eindeutig auch ein Streit der Gutachter untereinander. Das Umweltbundesamt beispielsweise hält dieses neue Mittel für brandgefährlich, doch kommen auch Experten der Feuerwehr zu unterschiedlichen Ergebnissen. Expertisen des Deutschen Feuerwehrverbandes beispielsweise stehen Einschätzungen des Berufsverbandes Feuerwehr entgegen. Letzterer trat heute Vormittag mit der Deutschen Umwelthilfe zusammen vor die Presse. Andreas Thöne vom Berufsverband hat weiterhin Bedenken hinsichtlich des Kühlmittels 1234yf:

    "Wo wir die Gefahr sehen: dass es zu einem schweren Verkehrsunfall mit entsprechender Verformung der vorderen Motorpartie kommt. Kommt es dabei zu einer Freisetzung von HF (Flusssäure), dann haben wir das Problem, dass sowohl unser Rettungsdienstpersonal, die Notärzte und Ersthelfer, auch die Fahrzeuginsassen und Feuerwehrleute ohne Schutzmaske, eventuell einer Freisetzung dieses hochtoxischen Stoffes ausgesetzt sind. Sollte es uns bewiesen werden, dass das nicht passieren kann und wird, sehen wir auch kein Problem, dass das Mittel eingesetzt wird."

    Unter bestimmten Umständen könne es also zur Freisetzung von Flusssäure bei Autobränden kommen - verursacht durch das neue Kühlmittel.

    Das ist der eine Aspekt des Problems: Der andere ist, dass die Deutsche Umwelthilfe der Autoindustrie vorwirft, so richtig gar nicht auf das alte besonders klimaschädliche R134a verzichten zu wollen. Jedenfalls hat die Umwelthilfe eine Marktuntersuchung eingeleitet - und die ersten Ergebnisse seien eindeutig, wie Jürgen Resch, der Hauptgeschäftsführer der Umwelthilfe, sagt.

    "Wir stellen fest, dass Sie auch heute noch, im Februar 2012, kein einziges Auto finden - auf dem deutschen oder europäischen Markt - das mit einem anderen Kältemittel als R134a befüllt ist. Und ich kann mir vorstellen, dass diejenigen, die für die finanzielle Performance in den Unternehmen verantwortlich sind, sich über jeden Monat freuen, in dem sie auf das alte klimaschädliche Kältemittel setzen können. Denn das bringt Geld, sie müssen kein natürliches Kältemittel einsetzen. Sie müssen auch nicht auf dieses problematische neue Mittel eingehen. Deswegen komme ich zu dem Schluss, dass es möglicherweise der Automobilindustrie mit dem Umwechseln auf ein anderes Mittel gar nicht so ernst ist."

    Dabei dürfte nach EU-Recht bei neuen Zulassungstypen das alte Mittel eigentlich gar nicht mehr verwendet werden, so die Deutsche Umwelthilfe, die übrigens CO2 als natürliches Kältemittel favorisiert.

    Eine erste Reaktion auf diese Vorwürfe liegt inzwischen vor: Der VDA als Dachverband der deutschen Automobilhersteller betont, dass die bisherigen Untersuchungen zeigen würden, dass das neue Mittel ebenso sicher wie das bisherige sei. Hinzu kommt, dass sich 1234yf als globaler Standard durchgesetzt habe. Eine nationale Insellösung mache hier keinen Sinn, so der VDA.

    Man darf deshalb davon ausgehen, dass der Streit der Gutachter über die mögliche Gefährlichkeit von 1234yf wohl weitergehen wird.