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Wenn Kriegsschiffe zum Einsatz kommen

Deutschland soll sich im Rahmen der EU-Mission "Atalanta" mit bis zu 1400 Soldaten und einer Fregatte am Kampf gegen Piraten vor Somalias Küste beteiligen. Der EU-Einsatz löst eine ähnlich ausgerichtete Mission der NATO ab, die aber offenbar die Piraterie nicht entscheidend eindämmen konnte. Kritiker halten das Auflaufen der Kriegsschiffe ohnehin für Aktionismus, der von den wirklichen Problemen der Region ablenke.

Von Martin Zagatta, Doris Simon und Rolf Clement | 10.12.2008
    Von der schlechten Nachricht erfährt er über Telefon: schon wieder ein Frachter gekapert und mit 24 Mann Besatzung Richtung somalische Küste verschleppt. Pottengal Mukundan markiert die Stelle, an der das Schiff überfallen wurde. Noch eine der rote Stecknadeln mehr, mit denen die Weltkarte hinter seinem Schreibtisch übersät ist. Das Internationale Schifffahrtsbüro IMB in London registriert Piratenangriffe weltweit, um Reeder zu warnen. Doch Sorgen bereiten seinem Direktor, dem aus Indien stammenden Kapitän Mukundan, derzeit vor allem die Seeräuber am Horn von Afrika.
    "Sie haben automatische Waffen und raketengetriebene Granatwerfer. Sie operieren von Mutterschiffen aus und schießen auf Frachter. Sie bringen die Schiffe in ihre Gewalt und nach Somalia. Und dann beginnen die Verhandlungen um Lösegeld. Sie können sechs Wochen dauern. Oder noch länger."

    Rund 100 Angriffe vor den Küsten Somalias sind dem Schifffahrtsbüro seit Jahresbeginn gemeldet worden, dreimal so viele wie im Vorjahr und zuletzt auch Versuche, riesige Kreuzfahrtschiffe zu entführen. Gemeldet wurden weiterhin Kaperungen von mehr als drei Dutzend Frachtern und Tankern, die meisten von ihnen im Golf von Aden, vor der somalischen Nordküste. Das ist die Passage für jährlich mehr als 20.000 Schiffe auf dem Weg durch den Suezkanal nach Europa. Die Passage am Horn von Afrika ist von herausragender Bedeutung: Sie ist der wichtigste Handelsweg zwischen Asien und Europa. Etwa ein Drittel des weltweiten Ölhandels wird durch diese Gewässer abgewickelt.

    Die Räuber nutzen das Machtvakuum in Somalia: Ein Land im Bürgerkrieg, in dem es keine funktionierende Regierung mehr gibt, auch keine Küstenwache, Somalia dient ihnen als Rückzugsgebiet. Mit geschätzten Einnahmen von mindestens 25 Millionen Euro in den zurückliegenden Monaten ist die Piraterie zum lohnendsten Wirtschaftszweig geworden. Mit dem Lösegeld werden moderne Waffen und Schnellboote gekauft, mit denen die Piraten inzwischen selbst die größten Schiffe angreifen können und ihren Aktionsradius ausgedehnt haben.

    Der saudi-arabische Supertanker "Sirius Star" mit seinen zwei Millionen Barrel Öl im Wert von rund 100 Millionen Dollar, die bisher größte Beute, wurde sogar 800 Kilometer entfernt von der Küste gekapert. Die Seeräuberei vor Somalia gerate außer Kontrolle, warnt der IMB-Direktor Mukundan, auch wenn die Piraten meist niemand ermordeten:

    "Sie behalten die Geiseln in ihrer Gewalt, bis ein Lösegeld ausgehandelt ist. Bei langer Dauer kann das für die Geiseln auf dem Schiff sehr schwierig werden. Bislang aber sind die Piraten nicht dafür bekannt geworden, den Besatzungsmitgliedern vorsätzlich Schaden zuzufügen."

    Allerdings ist der Kapitän eines mit 30 Panzern beladenen ukrainischen Frachters gestorben, nachdem sein Schiff überfallen wurde - an Herzversagen, das behaupten die Piraten. Und, auch "Amnesty International" bestätigt, dass die Geiseln großen Härten ausgesetzt sind, es gibt keine medizinische Versorgung an Bord, nur wenig Wasser und Nahrung. Risiken also, die immer mehr Reeder vermeiden wollen, indem sie ihre Schiffe eine andere, weit längere, Route fahren lassen: Um das Kap der guten Hoffnung, um die Südspitze Afrikas herum. Doch das kostet die Weltwirtschaft nicht nur Millionen - die Schiffe sind auch auf diesem Umweg vor den somalischen Piraten längst nicht mehr sicher.

    Angesichts eines solchen Ausmaßes der Piraterie bestand dringender Handlungsbedarf. Auch für die Europäer. Am Montag dieser Woche entschieden die Außenminister der Europäischen Union, aktiv und geeint gegen die Seeräuberei vorzugehen.

    Es wird der erste Einsatz von Kriegsschiffen unter der blauen europäischen Flagge mit dem goldenen Sternenkreis: Die Marinemission "Atalanta" vor Somalia. Die Europäer haben ihre Ziele hoch gesteckt. EU-Chef-Diplomat Javier Solana beschreibt sie so:

    " Abschrecken. Verhindern. Schützen. Bei dem Einsatz geht es vor allem darum, die Hilfstransporte der Vereinten Nationen zu sichern. Ich hoffe sehr, dass wir damit zur Stabilität in diesem schwierigen Umfeld beitragen können. "

    Die europäischen Kriegsschiffe sollen die Handelswege schützen. Und, ganz besonders, die Frachter des UNO-Welternährungsprogramms: Sie transportieren Nahrungsmittel für die notleidende somalische Bevölkerung, doch ohne Eskorte hätte schon lange kein Reeder mehr seine Schiffe auf die gefährliche Route geschickt. Der Marineeinsatz im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik löst daher eine ähnlich ausgerichtete Mission der NATO ab.

    Zu einer generellen Eindämmung der Piraterie hat der NATO-Einsatz nicht geführt. In der kommenden Woche will das Bündnis die Piratenabwehr vor Somalia einstellen. Zumindest vorerst, wie NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer in Brüssel durchblicken ließ:

    " Ich schließe nicht aus, dass es bei der Bekämpfung der Piraten langfristig auch Aufgaben für die NATO geben wird. Doch jetzt kommt erst einmal die EU-Mission zum Zug. Dann sehen wir weiter. "

    Das Vorgehen gegen die Piraten fußt auf dem internationalen Seerecht und vier UNO-Resolutionen aus diesem Jahr. Der Einsatz der EU-Flotte ist auf das Seegebiet vor Somalia begrenzt, dessen Küste sich 3700 Kilometer lang um das Horn von Afrika zieht. Doch das Operationsgebiet der Piraten ist -wie erwähnt - weitaus größer: Sie lauern längst nicht mehr nur in den Gewässern vor der somalischen Küste, sie überfallen auch Schiffe im Indischen Ozean und vor den Küsten Kenias und Tansanias. Dieses riesige Seegebiet lässt sich mit der Anzahl der bislang zur Verfügung stehenden Kriegsschiffe kaum überwachen, auch wenn immer wieder Schiffe der NATO, aus Indien und Russland aktiv geworden sind.

    An der Marinemission "Atalanta" beteiligen sich insgesamt sieben EU-Mitgliedsstaaten. Doch nur Griechenland, Frankreich und Deutschland stellen eine Fregatte über die gesamte einjährige Dauer der Mission. Belgien, die Niederlande, Großbritannien und Spanien werden lediglich für jeweils drei Monate ein Kriegsschiff entsenden. So stehen zu Beginn des Einsatzes nur vier Fregatten und Zerstörer zur Verfügung, erst 2009 werden regelmäßig sechs Kriegsschiffe in den Gewässern vor Somalia patrouillieren, unterstützt von Seeaufklärern, Schnellbooten und einem Versorgungsschiff.

    Die Kosten für die EU-Marinemission werden mit 8,3 Millionen Euro veranschlagt, zuzüglich der Kosten, die für die Mitgliedstaaten zur Unterhaltung ihrer Truppen entstehen. Experten glauben, dass mehrere hundert Kriegsschiffe vor Somalia Patrouille fahren müssten, um die Piraterie wirklich entscheidend einzudämmen. Doch ein solcher Groß-Einsatz, der mit weit höheren Kosten verbunden wäre, scheint kaum realisierbar.

    Der FDP-Außenpolitiker und Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff warnt dennoch vor zu viel Sparsamkeit an der falschen Stelle:

    " Für Deutschland mit 90 Prozent unserer Importe auf dem Seeweg ist es essentiell, dass die EU-Mission die Seewege sichert, und sie kann das mit "Atalanta" leisten. Die Frage ist die Prioritätensetzung. Ich sehe nicht, dass wir woanders im Moment so großräumige maritime Einsätze hätten, dass wir nicht mehr Schiffe entsenden könnten. Wird das nötig, muss man das dann auch tun. "

    Die europäische Mission zur Piratenbekämpfung soll abschrecken und Überfällen vorbeugen, sie soll Reedereien über Vorsichtsmaßnahmen aufklären und besonders gefährdete Schiffe begleiten. An Bord solcher Schiffe werden bewaffnete EU-Marinekommandos mitfahren, so zum Beispiel auf den Frachtern des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen, die Nahrungsmittel durch die gefährlichen Gewässer in somalische Häfen bringen. Den Schutz der Hilfstransporte bezeichnete Vizeadmiral Philip Jones, der Kommandeur der EU-Marinemission, gar als vorrangige Aufgabe des europäischen Flottenverbandes.

    "Atalanta" hat ein sogenanntes "robustes Mandat", das heißt, die Soldaten dürfen gegen Piraten auch Gewalt anwenden. Nach Einschätzung des Kommandeurs sind die geheimen Einsatzregeln breit genug angelegt, damit die EU-Kriegsschiffe auch bei Kaperversuchen eingreifen können:

    " Ich darf ihnen keine Einzelheiten über unsere Einsatzregeln mitteilen, aber ich kann ihnen versichern, dass sie robust genug sind, damit wir alle Teile unserer Mission erfüllen können. In jedem Stadium eines Piratenangriffs oder einer Kaperung verfügen unsere Soldaten über Einsatzregeln, die ihnen wirksames Handeln ermöglichen. "

    Mehrere somalische Piraten starben im letzten Monat bei der Konfrontation mit einem britischen Kriegsschiff. Doch dies hat nicht zu einem Rückgang der Überfälle geführt. Noch am selben Tag griffen Piraten erneut Frachter an.

    Die grüne Europaabgeordnete Angelika Beer hält den Marineeinsatz vor Somalia angesichts dessen für "puren Aktionismus". Sie verlangt einen viel breiteren politischen Ansatz der Europäer, so, wie ihn das Europäische Parlament mehrfach gefordert hat:

    " Wir haben mehrere Beschlüsse, wo wir darauf hinweisen, dass man langfristige Strategien gegen Piraterie vor der Küste Somalias entwickeln muss - Die Piraterie entsteht auf dem Land, also in Somalia und muss auch im Land bekämpft werden, und zwar nicht mit Militär, sondern durch eine veränderte Afrikastrategie. Um den Menschen das zu gewähren, worauf sie ein Recht haben, nämlich den Lebensunterhalt. "

    Die grüne Europaabgeordnete erinnert daran, dass über Jahre hinweg europäische Fischtrawler die reichen Gründe vor Somalia leer gefischt hätten. Viele Fischer wurden auf diese Weise geradezu in die Piraterie gezwungen. Ein anderes Problem ist die illegale Verklappung von Giftmüll und atomaren Abfällen vor der somalischen Küste, an der auch europäische Unternehmen beteiligt sein sollen. Die Grünenpolitikerin Beer fordert daher ein verstärktes europäisches Engagement in Somalia selbst.

    Die EU hat für das Land, in dem die Menschen seit Jahren unter Hunger und Krieg leiden, 215 Millionen Euro vorgesehen. Für die Jahre von 2007 bis 2013. Damit sollen der Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen und die entsprechende Ausbildung der Polizei gefördert werden, ebenso wie die ländliche Entwicklung. Jean-Christoph Belliard, ein enger Berater von EU-Chefdiplomat Javier Solana, glaubt durchaus, dass es Anlass zu vorsichtigem Optimismus gibt, nachdem erst jüngst Gespräche zwischen den verfeindeten Gruppen in Somalia stattgefunden haben:

    " Es wird ein neues Parlament geben und eine neue Regierung der Nationalen Einheit unter Beteiligung der gemäßigten Islamisten. Die EU hat diesen Friedensprozess von Anfang an unterstützt und finanziert, wir schieben ihn energisch an. "

    Doch die Bemühungen, das Land zu befrieden und staatliche Strukturen aufzubauen, werden in jedem Fall viele Jahre dauern. Diese Zeit will die EU den Piraten aber nicht geben. Deshalb setzt sie nun auch auf die Marinemission "Atalanta". Und dabei wurde ein wichtiger Punkt auf typisch europäische Weise gelöst: Weil das Recht in den EU-Mitgliedsstaaten so unterschiedlich ist, werden gefangengenommene Piraten womöglich auf ganz unterschiedliche Weise ihrer Verurteilung zugeführt. Der Kommandeur des EU-Einsatzes, Vizeadmiral Philip Jones:

    " Es gibt EU-Mitgliedsländer, deren Recht es erlaubt, Piraten vor nationale Gerichte zu stellen. In vielen anderen EU-Staaten ist das nicht der Fall. Der Weg der gefangengenommenen Piraten, also: Wo sie an Land gebracht werden, wo sie vor Gericht gestellt werden, all das hängt davon ab, welches EU-Kriegsschiff die Piraten festgenommen hat und wo das geschah, und ob es Drittstaaten gibt, die diese Piraten in einem rechtsstaatlichen Verfahren vor Gericht stellen können. "

    Nicht nur in Brüssel wurde um den richtigen Weg in der Bekämpfung der Piraterie vor Somalias Küste gerungen. Auch in Deutschland fanden lange Diskussionen und Debatten statt. Heute hat - nach der Entscheidung der EU-Außenminister am Montag - auch das Bundeskabinett in Berlin eine grundlegende Entscheidung gefällt: Für die Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Mission "Atalanta". Am 19. Dezember wird der Deutsche Bundestag ein letztes Wort haben. Sollte sich der Bundestag der Entscheidung des Kabinetts anschließen, dann wird sich die deutsche Marine - erstmals in ihrer Geschichte - an der Bekämpfung von Piraten beteiligen.

    Ein Rückblick:

    Immer wieder hatte Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung betont, dass es vorrangiges Ziel sei, seeräuberische Handlungen vor Somalia zu verhindern:

    " Zunächst einmal geht es darum, die Piraterie hier zurück zu drängen, Seesicherheit herzustellen und wieder einen freien Seehandel zu gewährleisten. "

    Die Marine ihrerseits hatte schon mehrfach bekannt gegeben, dass allein durch Flüge von Hubschraubern, die auf der bereits vor Ort in anderer Mission eingesetzten Fregatte "Karlsruhe" positioniert sind, Piratenschiffe zum Abdrehen veranlasst werden konnten. Doch wie lange kann ein Schiff auf diese Weise vor Piraten gesichert werden?

    Verteidigungsminister Jung über den Umfang der deutschen Beteiligung:

    " Ich denke, dass wir hier im Rahmen einer Fregatte uns auch mitbeteiligen werden. "
    Als diese Äußerung publik wurde, brach in Deutschland eine alte Kontroverse auf: Sie entzündete sich an der Frage, ob das, was bei der Bekämpfung der Piraterie von Nöten sein wird, unter die Zuständigkeit der Polizei oder die des Militärs fällt?! Normalerweise ist der Küstenschutz in Deutschland Aufgabe der Polizei. Allerdings verfügt die Bundespolizei nicht über die Mittel, vor der Küste Somalias die Piratenbekämpfung zu betreiben. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Rainer Stinner hat diese Debatte nicht nachvollziehen können:

    " Das ist eine Diskussion, die das, was wir seit Jahren in der Bundeswehr als Praxis haben, völlig außer Acht lässt. Wir haben im Kosovo sogar ein eigenes Gefängnis geführt, deutsche Soldaten haben wiederholt auch Festnahmen gemacht. Das ist eine Scheindiskussion, die vom wahren Problem ablenkt. "

    Um ausladende interne Diskussionen, die sich allein um diesen Punkt gedreht hätten, zu umgehen, verständigte sich die Koalition in Berlin darauf, den Weg über internationale Organisationen zu gehen: An einer von der EU oder der NATO beschlossenen Operation kann sich die Bundesregierung mit der Bundeswehr nämlich beteiligen. Das gibt Artikel 24 des Grundgesetzes vor. Er ermöglicht die Beteiligung an "Aktionen von Systemen kollektiver Sicherheit". In dem heute vom Bundeskabinett verabschiedeten Papier heißt es dazu dementsprechend:

    "Die Anwendung militärischer Gewalt für deutsche Kräfte richtet sich nach den geltenden Einsatzregeln auf der Grundlage des Völkerrechts."

    Danach kann die Marine fortan auch Piratenschiffe bekämpfen. Bisher durfte sie nur Nothilfe ohne Gewaltanwendung leisten. Weiterhin heißt es da:

    "Auf Hoher See dürfen Kriegsschiffe aller Staaten ein Piratenschiff oder ein durch Piraterie erbeutetes und in der Gewalt von Piraten stehendes Schiff aufbringen, die Personen an Bord des Schiffes festnehmen und die dort befindlichen Vermögenswerte beschlagnahmen."

    Das heißt konkret, dass die deutsche Marine fortan Piraten auch - wie es formal richtig heißt - in Gewahrsam nehmen darf. Besteht ein deutsches Interesse an einer Strafverfolgung, dann soll der Pirat der Bundespolizei übergeben werden. Das deutsche Interesse besteht, wenn deutsche Staatsbürger oder deutsche Güter, also ein explizit unter deutscher Flagge fahrendes Schiff, betroffen sind. Die Übergabe erfolgt dann in einem Hafen.

    Wo die Übergabe des in Gewahrsam genommenen Piraten dann geschehen soll, ist offen. Es muss nicht immer der Hafen sein, in dem sich das Hauptquartier der Mission "Atalanta" befindet, also der in Dschibuti. Je nachdem, wo der Pirat in Gewahrsam genommen wurde, kommen auch andere Häfen in Betracht. Eventuell müssen aber mit einigen Staaten, z.B. mit Kenia, noch entsprechende Vereinbarungen getroffen werden. Der Bundespolizist soll dann bei Bedarf eingeflogen werden, in der Regel dürfte er sogar schneller vor Ort sein als die Fregatte der Bundeswehr selbst, die den Hafen noch anlaufen muss.

    Besteht kein deutsches Interesse an dem Piraten, aber das eines anderen Landes, dann kann er an die Strafverfolgungsbehörden dieses Landes übergeben werden. Hat kein Land Interesse an dem Seeräuber, dann muss er freigelassen werden.

    Die "Vermögenswerte", wie es im Mandat heißt, also z.B. die Schiffe der Piraten, können beschlagnahmt werden. Je nach Lage kann das Schiff auch versenkt werden.

    Das deutsche Mandat geht damit so weit wie das der meisten Partnerländer, die an der Mission "Atalanta" teilhaben. Rainer Stinner von der FDP dürfte daher bei der Entscheidung im Bundestag nächste Woche kein Veto mehr einlegen. Seine Forderung scheint mit diesem deutschen Mandat erfüllt:

    " Es geht jetzt darum, dass auch Deutschland endlich handelt, dass die Bundesregierung unsere Marine endlich ermächtigt, gegen die Piraterie vorzugehen. Die EU hat eine klare Vorgabe gegeben, danach kann man die Piraten verfolgen und danach kann man Piraten an der Piraterie hindern. Man kann auch nach der Piraterie sie außer Kraft setzen, und ich erwarte, dass die Bundesregierung ein deutliches, klares Mandat für unsere Soldaten gibt, damit wir Piraterie aktiv bekämpfen können. "

    Stinner sprach auch von: "Piraten außer Kraft setzen". Und er meinte damit, so scheint es jedenfalls, eine Möglichkeit, das Piraterieproblem zu lösen, die in Deutschland manch einer nur hinter vorgehaltener Hand und sehr vorsichtig anspricht:

    Die drei Mutterschiffe, von denen die Piraten starten, sind bekannt, ihre Bewegungen werden permanent verfolgt. Auf den Bildschirmen beim Flottenkommando der Marine in Glücksburg zum Beispiel ist immer zu sehen, wo sich diese Schiffe bewegen. Wie man sich solcher Schiffe "entledigt", wird am grünen Tisch schon mal durchgespielt.
    In Somalia wurden Fässer ans Land mit unbekanntem aber höchst verdächtigem Inhalt gespült.
    Ein Problem ist die illegale Verklappung von Giftmüll vor der somalischen Küste, an der auch europäische Unternehmen beteiligt sein sollen. (Andreas Bernstorff)