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Wenn Mensch und Maschine gemeinsam Musik machen

Er hat mit John Cage und Merce Cunningham gearbeitet, mit Größen der Neuen Musik und der Tanz-Avantgarde. Der US-amerikanische Komponist David Behrman wird im August 75 Jahre alt und gilt als Erfinder der interaktiven Computermusik, weil er schon in den 1960er-Jahren Vorläufer der ersten Apple-Computer so umbaute und -programmierte, dass sie Klänge von Instrumenten erkennen konnten.

Von Peter Backof | 27.03.2012
    "So ist es mir am liebsten: Ich versuche, Stücke zu machen, die einen Charakter haben. Den Sie erkennen, ohne dass ich den Musikern sehr viel vorgebe, was sie zu tun hätten."

    Es ist schon paradox: Maximale Freiheit für die Musiker, aber trotzdem bewegen die sich in einer Komposition und nicht in einem improvisierten Konzept. Und David Behrman, bald 75-jähriger Avantgarde-Komponist, gelingt es immer wieder, seinen Stücken Charakter zu geben. Es ist da eine freundliche, heitere Utopie im Klangbild.

    "Mich hat es schon immer interessiert, Dinge zu probieren, die man vorher nicht probieren konnte, weil es gar nicht die Möglichkeit dazu gab."

    Und so muss man sich David Behrman in den 1960er-Jahren mit einem Lötkolben in der Hand vorstellen. Und auf ständiger Konzertreise mit "Sonic Arts Union". Vier Musiker taten sich zusammen und spielten oft Auftragswerke für den Choreografen Merce Cunningham und dessen experimentelle Erkundung des menschlichen Bewegungsapparats.

    "Nicht alle bei Sonic Art, aber Gordon Mumma und ich, wir haben Stromkreise gelötet, aus Transistoren, Widerständen, Kondensatoren."

    Mit Ergebnissen, die digitale Benutzeroberflächen von heute vorwegnehmen. Man betätigt die Tastatur seines Computers und löst damit Ereignisse aus. Vom Tastenton bis zum großen virtuellen Sound Design. Wie hört es sich an, wenn Mensch und Maschine interagieren? Die Frage in Behrmans Karriere. Selten hat er Musik nur für Computer geschrieben.

    "Mit anderen Musik zu machen, das ist dankbarer und macht mehr Spaß."

    Als nur an einem musikalisch-technischen Fortschritt zu arbeiten, der irgendwann, überholt, im Archiv landet. Behrmans Kompositionen der 70er-, 80er-, 90er-, Nuller-Jahre klingen vielleicht deshalb zeitlos, weil es da immer "echte" Musiker gibt, eine Violine, eine Trompete, eine Zuspiel-Sound-Collage, die dann, wie in einer chemischen Reaktion mit einem Computerprogramm, interagieren. Da spielt eine Trompete ein paar Töne, das Programm erkennt diese, macht sich, künstlich intelligent, einen Reim darauf, und das wiederum beeinflusst die Performance des Trompeters.

    "Das Equipment muss in ein paar Koffer passen. Das ist immer noch so.”"

    Alle Kompositionen sind für Live-Aufführungen konzipiert. Und für den Musiker David Behrman hat sich da seit den 60er-Jahren gar nicht so viel verändert, außer dass er nicht mehr so sehr, wie damals, das Gefühl hat, mit jeder Komposition auch gleich ein politisches Statement abzugeben. Obwohl die politische Dimension von Interaktion auch immer eine Rolle für ihn spielte. Zum Beispiel in "Useful Information", eines der vier Stücke, die er heute Abend mit Ensemble in Köln spielt.

    ""Der Parteitag der Republikaner, 2004, als sie George Bush wieder aufstellten. Tausende von Demonstranten waren wütend, viele wurden verhaftet. Und auf W.B.A.I., das ist ein linker Radiosender, haben sie einen Anwalt gesendet, mit Tipps, wie man sich verhalten sollte, wenn man verhaftet wurde."

    Den Anwalt lässt Behrman via Soundfile rezitieren, und dazu einen Trompeter, wie in einer Opernarie, kommentieren. Eine Performance, ja wirklich eine Oper, neuester Bauart.

    "In den letzten paar Monaten, mit der Occupy Wall Street Bewegung, ist das Stück wieder relevanter geworden."