So beschreibt der deutsche Journalist Hans Germani, der auf Seiten weißer Söldner durch den Kongo zieht, die Situation. Diese Schilderung liegt jedoch fast vierzig Jahre zurück, wurde 1965 geschrieben. Bunia damals und Bunia heute - steter Unruheherd im Nordosten. Vor vier Jahrzehnten waren die Deutschen dort Abenteurer auf eigene Rechnung, diesmal sind sie Unterstützungskräfte im offiziellen Auftrag.
Kongo hat oft Unruhen und Militäreinsätze erlebt. Das riesige Land im Zentrum Afrikas hat eine sehr blutige Geschichte, die Ende des 19. Jahrhunderts begann, und wobei auch Deutschland eine Rolle spielte, wie der kongolesische Diplomat Bene M'Poko erzählt:
Die Geschichte Kongos begann in Berlin. Im November 1884 berief Otto von Bismarck eine Konferenz ein, auf der eine Aufteilung Afrikas durch die damaligen Großmächte entschieden werden sollte.
Zu diesem Zeitpunkt waren fast ausschließlich die Küstengebiete Afrikas im Kolonialbesitz der Engländer, Franzosen, Portugiesen, Deutschen und Spanier. Aber jetzt begann man, auch um die Gebiete dahinter zu pokern. Auf einer großen Landkarte zogen die Europäer quer durch weitgehend unbekanntes Gebiet ihre Grenzlinien. Offen blieb das riesige Kongo-Becken in der Mitte des Kontinents, das der Schriftsteller Joseph Conrad wenig später als "Herz der Finsternis" bezeichnete.
Die Politiker auf der Kongo-Konferenz stellten fest, dass das Kongo-Becken zu reich für einen allein ist. Jede der großen Mächte wollte Zugriff auf die Reichtümer. Vor allem lockte das Elfenbein der riesigen Elefantenherden. Es gab Bäume, aus denen sich auf natürliche Weise Gummi gewinnen ließ. Und vieles andere mehr. Da keiner dem anderen das alles gönnte, beschloss man, einen Freistaat Kongo zu bilden, zu dem sie alle Zugang hätten. König Leopold II. von Belgien, das damals keinen Kolonialbesitz in Afrika hatte, bot sich an, die Verwaltung des Kongo-Freistaats zu übernehmen. Und man vertraute ihm das Gebiet an. Aber er managte es sehr schlecht - indem er es wie sein persönliches Eigentum behandelte.
Belgiens König Leopold II. wollte vor allem den Handel unter seine private Kontrolle bringen. Er verkaufte große Ländereien an europäische Investoren, damit sie von den Kongo-Stromschnellen in der Nähe des heutigen Kinshasa bis zur Fluss-Mündung eine Eisenbahn bauten, um so die Schätze aus den Weiten des Landes erst über den zweitgrößten Strom Afrikas, dann per Eisenbahn zum Hafen am Atlantik und schließlich von dort nach Europa zu transportieren. Andere Unternehmen legten riesige Gummi-Plantagen an.
Dafür brauchte man natürlich enorm viele Arbeitskräfte - und das in einem Gebiet mit mehr als 200 Stämmen, die isoliert lebten und sich auch nur isoliert zur Wehr setzen konnten. Was erklärt, weshalb sie so gut wie keine Chance hatten.
Es war ein brutales Kolonialsystem. Etwa die Hälfte der Bevölkerung Kongos kam ums Leben. Die lokale Bevölkerung wehrte sich gegen die ausländische Landnahme - also wurde sie getötet. Die Menschen dort hatten ja nur Pfeil und Bogen, die Eindringlinge aber feuerten mit Gewehren auf sie. Genauso brutal verlief dann auch die Kolonialherrschaft. Zwangsarbeit wurde eingeführt. Jeder musste eine bestimmte Fläche mit den Gummi-produzierenden Bäumen bepflanzen. Wer die Quote nicht brachte, dem wurde die Hand abgehackt.
Gier nach Rohstoffen und Brutalität sollten denn auch die weitere Geschichte Kongos bis heute bestimmen. Diese Mischung erwies sich immer wieder als explosiv.
Diamanten, Gold, Coltan, Kupfer, Holz. Kaum ein Rohstoff, den Kongo nicht hat. Jeder wollte diese Reichtümer besitzen.
Kongos Reichtum wurde sein Verhängnis, weil zu viele danach griffen und jeder alles für sich allein haben wollte, meint Henri Boshoff vom Institut für Sicherheitsstudien in Pretoria.
Mehr als ein Jahrhundert lang wurde das Land geplündert. Kongo hat mit die reichsten Kobalt- und Kupfervorkommen der Welt, riesige Diamantenfelder, ertragreiche Goldminen, tropische Edelhölzer und noch unerschlossene Erdölvorkommen. Das Land ist eine wahre Schatztruhe. Sein Landwirtschaftspotenzial reicht aus, ganz Afrika zu ernähren. Und mit der verfügbaren Wasserkraft könnte der gesamte Kontinent elektrifiziert werden.
Dennoch ist Kongo eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt, seine Bevölkerung gehört zu den Ärmsten der Armen. Ob König Leopold, später dann die belgischen Kolonialisten und Privatunternehmen, nach der Unabhängigkeit Diktator Mobutu oder im letzten Jahrzehnt dann die vielen kongolesischen Warlords und ihre ausländischen Unterstützer - alle wollten sie nur nehmen, nehmen, nehmen...
Erst nach der Ermordung Laurent Kabilas und dem Machtantritt seines Sohnes Joseph vor zwei Jahren beruhigte sich die Situation allmählich. Der damals 29jährige Kabila junior erwies sich trotz seiner offensichtlichen Unerfahrenheit als ein sehr guter Zuhörer - im eigenen Land wie auch auf internationaler Ebene. Er heizte Konflikte nicht an wie sein Vater , er verprellte niemanden, machte aber auch keine Versprechungen. Schon bald nach seinem Amtsantritt verkündete er einen Waffenstillstand mit den Aufständischen, nahm an Friedenskonferenzen teil, erreichte den Abzug aller ausländischen Truppen aus Kongo und fand gemeinsam mit allen maßgeblichen politischen Kräften seines Landes nach langen Verhandlungen im südafrikanischen Sun City schließlich im April dieses Jahres eine Lösung, wie der Diplomat Bene M'Poko erläutert.
Alle Kongolesen sollen an der Verwaltung des Landes beteiligt sein - unabhängig von Stammeszugehörigkeit, Religion oder ähnlichem. Die Übereinkunft, die wir in Südafrika unterzeichneten, besagt, dass wir die Rebellion beenden und das Land wieder vereint wird. Auf dem Papier ist das Land also wieder geeint, doch in der Realität müssen wir erst noch dafür sorgen, dass die Kampfhandlungen beendet werden.
Das betrifft nicht nur Bunia, sondern den gesamten Osten Kongos. Dort ist die Situation am kompliziertesten. Denn in dieser Region von etwa der dreifachen Größe Deutschlands ist ein regelrechter Flickenteppich von Einflussgebieten lokaler Machthaber entstanden, ein von Dutzenden bewaffneter Gruppen zerrissenes Gebiet.
In den Städten dominiert die Rebellenbewegung RCD. Die hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach wegen Führungsrangeleien gespalten und ist unterschiedliche Koalitionen eingegangen. So gilt die RCD-Goma, die mächtigste unter ihnen als verlängerter Arm der Machthaber im benachbarten Ruanda. Die RCD-Kisangani hingegen verbündete sich mit Uganda und schloss sich dann mit der RCD-ML zusammen, die in den Ortschaften Beni und Butembo aktiv ist. Diese Gruppe arbeitet jetzt mit Präsident Kabila zusammen.
In den ländlichen Regionen marodieren Dutzende Gruppen unabhängiger Stammeskrieger, die sich Mai-Mai nennen. Ebenfalls haben sich dort bewaffnete Kräfte aus Ruanda niedergelassen, sowohl ehemalige Regierungssoldaten wie auch die berüchtigten Interahamwe-Milizen. Sie waren für den Völkermord 1994 in Ruanda verantwortlich und gehören zur ethnischen Gruppe der Hutu. Da zugleich im Osten Kongos etwa drei Dutzend weiterer Stämme leben, die als Freunde oder Gegner der Hutu gelten, wie die Lendu und Hema, die Bahunde und Nande, kann man sich vorstellen, dass dieses Gemisch ethnischer und machtpolitischer Kräfte hochexplosiv ist.
Im Nordwesten dagegen dominiert die Kongolesische Befreiungsbewegung von Jean-Pierre Bemba. Die Macht Präsident Kabilas beschränkt sich im wesentlichen auf die Hauptstadt Kinshasa und deren Umgebung sowie einen Teil der Bergbauprovinz Katanga im Süden. Der Rest des Landes ist in der Hand unzähliger lokaler Herrscher.
Da Diktator Mobutu in den drei Jahrzehnten seiner Herrschaft nach dem Motto "Teile und Herrsche" den Menschen auch das letzte bisschen eines ohnehin nur schwach entwickelten Nationalgefühls ausgetrieben hatte und zum Beispiel die Straßen ganz bewusst verfallen ließ, damit alle isoliert von einander leichter zu beherrschen waren, ist es kein Wunder, dass Kongo regelrecht atomisiert ist.
Das einzige, was die Menschen in Kongo eint, ist die Sehnsucht nach Frieden, meint Henri Boshoff:
Sie haben keine Waffen, sie sind der ewigen Kämpfe müde. Sie sind nicht organisiert. Es gibt keine Infrastruktur, keine lokalen Administrationen. Sie überleben einfach nur. Sie haben genug von allem.
Und auch die Machthaber in den verschiedenen Landesteilen begreifen inzwischen, dass die Chance auf Alleinherrschaft äußerst gering ist und sie sich folglich arrangieren müssen.
Die Macht der Kabila-Regierung reicht nur bis in die Außenbezirke von Kinshasa. Sonst kontrolliert sie nichts, höchstens noch das Bergbauzentrum von Lubumbashi. Die MLC von Bemba ist in einer schwierigen Situation, da sie in ihrem Hauptquartier von Gbadolite mitten im Urwald isoliert ist. Deshalb ist er interessiert daran, eine größere Rolle in Kinshasa zu spielen. Die RCD-Goma wiederum will soviel Posten wie möglich haben.
Kein Wunder, dass es jetzt das wichtigste Ziel für die von Präsident Joseph Kabila geleitete Übergangsregierung ist, die nationale Einheit herzustellen. Bene M`Poko:
Als erstes soll die Spaltung Kongos überwunden und die territoriale Integrität gesichert werden. Zweites Ziel ist, Frieden und Stabilität zu erreichen. Und drittens demokratische Strukturen zu schaffen, indem erstmals seit 1960 dem Volk die Möglichkeit gegeben wird, seine Führer zu wählen.
Vor wenigen Tagen, am 30. Juni, wurde eine aus 36 Ministern und 25 Vize-Ministern bestehende Regierung der Nationalen Einheit gebildet. Allein die Größe dieses Kabinetts zeigt bereits, wie viele unterschiedliche Kräfte hier gebündelt werden sollen. Je sieben Minister werden von den Kabila-Leuten, der RCD-Goma und der MLC Bembas gestellt. Auch die zivile Opposition erhielt Posten, wobei jedoch die wohl wichtigste Partei, die UDPS von Etienne Tshisekedi, ausstieg aus Enttäuschung darüber, dass die anderen Parteien ihr bei der Ämterverteilung nicht den Vortritt ließen - worauf sie gehofft hatte.
Eine Gruppe traut der anderen nicht, klagt Henri Boshoff. Wie stark das Misstrauen trotz aller gegenteiligen verbalen Bekundungen ist, zeigt sich auch darin, dass der Stellvertreter immer einer anderen Bewegung angehört als der jeweilige Minister. So belauert einer den anderen.
Noch völlig unklar ist, wie die Macht auf der zweiten Ebene, der der Provinzen nämlich , funktionieren soll. Die Rebellen der RCD-Goma, die den Osten Kongos kontrollieren und ihre Macht dort nicht aufgeben wollen, drängen auf eine Föderalisierung , wie Eugéne Serufuli, der Gouverneur der Nord-Kivu-Provinz, erläutert:
Unser Land ist so groß. Deshalb muss allen die Möglichkeit gegeben werden, ihren Beitrag zu leisten. Angesichts der Weite des Landes und der nicht funktionierenden Kommunikationswege wäre eine Zentralisierung, wie sie die Leute in Kinshasa wollen, ein Fehler. Sie hängen damit am alten System, was für die Kivu-Provinz nichts bringen würde. Wir wollen Föderalismus in unserem Land. Die Probleme ganz unten können nicht von weit oben gelöst werden. Sie müssen an der Basis gelöst werden. Das ist es. Und wenn das nicht möglich ist, wird es immer Schwierigkeiten geben. Leute, die nicht verstehen, dass wir Föderalismus wollen, wollen entweder das Land weiter zerstören oder sie haben egoistische Interessen.
Die Gruppe um Präsident Kabila stemmt sich dagegen. Der Diplomat Bene M'Poko erkennt ausschließlich egoistische Interessen im Föderalismus-Bestreben der bisherigen Gegner:
Leute, die sich für einen Föderalismus stark machen, wollen das Land aufteilen. Denn in einer Föderation ohne Straßen und Verbindungen würden die Provinzen faktisch zu unabhängig voneinander existierenden Staaten werden. Das würde zu einem Zerfall des Landes führen, den das kongolesische Volk nicht will.
Somit dürfte das Ringen um die staatliche Struktur des riesigen Landes in den kommenden Monaten und Jahren noch zu heftigen Auseinandersetzungen führen. Nicht weniger kompliziert ist auch die Nutzung der Bodenschätze . Bene M'Poko hofft, dass der Reichtum Kongos endlich dem kongolesischen Volk zugute kommen wird:
Aber auch die Nachbarstaaten Uganda und vor allem Ruanda dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Sie haben in den Jahren, da sie den Osten Kongos besetzt hatten, die Bodenschätze dort geplündert und sich hemmungslos bereichert, wie EU-Sonderbotschafter Aldo Ajello betont:
Sie haben sehr schnell damit begonnen, Gold und Diamanten in ihre Länder zu bringen. Und so kam es zu dem seltsamen Phänomen, dass Länder, die diese wertvollen Rohstoffe überhaupt nicht haben, plötzlich zu deren größten Exporteuren wurden. Das alles stammte aus der Plünderung der kongolesischen Rohstoffe und wurde ein wesentlicher Teil des Krieges.
In den vergangenen Jahren bereicherten sich ugandische Offiziere, deren Truppen erst im Mai aus Bunia und Ituri abzogen, an den dortigen Reichtümern. Jetzt drängt Ruanda auf eine stärkere Rolle dort. Etwa 3 000 Soldaten stehen - so heißt es - an der Seite der Rebellenbewegung RCD-Goma , die nun von der südlich gelegenen Provinz Kivu in Richtung Bunia vordringen. Sie wollen ihren Verbündeten der "Union Kongolesischer Patrioten" zur Hilfe kommen. D i e kontrollierten bisher Bunia, sind mittlerweile aber durch die Intervention der internationalen Streitmacht, die mit Billigung der UNO und unter der Flagge der Europäischen Union dort operiert, an einer Ausweitung ihrer Macht behindert.
Die Kerntruppe der internationalen Streitmacht bilden französische Fallschirmjäger und Marineinfanteristen, die schon mehrfach in den vergangenen Jahrzehnten im Kongo interveniert haben.
Die Gründe des französischen Engagements? Zwar schickte Frankreich bislang Truppen nur in Unruhegebiete seiner ehemaligen Kolonien. Doch in Kongo wie in Ruanda wird französisch gesprochen, so dass sie für Paris als Teil der weltweiten frankophonen Gemeinschaft gelten. Zugleich beobachtet Frankreich mit Besorgnis ein wachsendes Interesse der USA an dieser Region . Die Vereinigten Staaten unterstützten Kabila bei der Machtergreifung, unterhalten enge Beziehungen zu Ruandas neuer Regierung und auch zu Uganda. Da sie außerdem mit Kenia und Äthiopien sowie auf der anderen Seite des Kontinents mit Angola enge Beziehungen aufbauen, fürchtet Paris offenbar das Entstehen eines amerikanisch dominierten Gürtels quer durch Afrika. Der südafrikanische Kongo-Experte Henri Boshoff sieht zwei Szenarien für das rohstoffreiche Land im Herzen Afrikas:
Ich glaube, das beste Szenario wäre, wenn die bei der Kongo-Friedenskonferenz vereinbarten Schritte in die Tat umgesetzt würden. Das heißt, die Integrierung aller rivalisierenden bewaffneten Kräfte in eine nationale Armee, die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit, die Vorbereitung und Durchführung von Wahlen, die zu einer demokratischen Regierung sowie zu einem nationalen und zu Provinzparlamenten führen. Das ist möglich, auch wenn es lange Zeit dauern wird. Es ist nicht in ein oder zwei Jahren zu schaffen, sondern vielleicht erst in vier oder fünf Jahren. Das schlimmste Szenario aber wäre, wenn die anhaltenden Unruhen in Bunia und Umgebung auf die südlich gelegenen Kivu-Provinzen übergreifen und es dort wieder zum Krieg kommt. Denn dann würden Uganda und Ruanda wieder mit ihren Truppen eingreifen. Das würde dann wieder Streitkräfte aus Angola und Simbabwe auf den Plan rufen. Und dann beginnt der ganze Kriegskreislauf in Kongo von neuem.
Kongo hat oft Unruhen und Militäreinsätze erlebt. Das riesige Land im Zentrum Afrikas hat eine sehr blutige Geschichte, die Ende des 19. Jahrhunderts begann, und wobei auch Deutschland eine Rolle spielte, wie der kongolesische Diplomat Bene M'Poko erzählt:
Die Geschichte Kongos begann in Berlin. Im November 1884 berief Otto von Bismarck eine Konferenz ein, auf der eine Aufteilung Afrikas durch die damaligen Großmächte entschieden werden sollte.
Zu diesem Zeitpunkt waren fast ausschließlich die Küstengebiete Afrikas im Kolonialbesitz der Engländer, Franzosen, Portugiesen, Deutschen und Spanier. Aber jetzt begann man, auch um die Gebiete dahinter zu pokern. Auf einer großen Landkarte zogen die Europäer quer durch weitgehend unbekanntes Gebiet ihre Grenzlinien. Offen blieb das riesige Kongo-Becken in der Mitte des Kontinents, das der Schriftsteller Joseph Conrad wenig später als "Herz der Finsternis" bezeichnete.
Die Politiker auf der Kongo-Konferenz stellten fest, dass das Kongo-Becken zu reich für einen allein ist. Jede der großen Mächte wollte Zugriff auf die Reichtümer. Vor allem lockte das Elfenbein der riesigen Elefantenherden. Es gab Bäume, aus denen sich auf natürliche Weise Gummi gewinnen ließ. Und vieles andere mehr. Da keiner dem anderen das alles gönnte, beschloss man, einen Freistaat Kongo zu bilden, zu dem sie alle Zugang hätten. König Leopold II. von Belgien, das damals keinen Kolonialbesitz in Afrika hatte, bot sich an, die Verwaltung des Kongo-Freistaats zu übernehmen. Und man vertraute ihm das Gebiet an. Aber er managte es sehr schlecht - indem er es wie sein persönliches Eigentum behandelte.
Belgiens König Leopold II. wollte vor allem den Handel unter seine private Kontrolle bringen. Er verkaufte große Ländereien an europäische Investoren, damit sie von den Kongo-Stromschnellen in der Nähe des heutigen Kinshasa bis zur Fluss-Mündung eine Eisenbahn bauten, um so die Schätze aus den Weiten des Landes erst über den zweitgrößten Strom Afrikas, dann per Eisenbahn zum Hafen am Atlantik und schließlich von dort nach Europa zu transportieren. Andere Unternehmen legten riesige Gummi-Plantagen an.
Dafür brauchte man natürlich enorm viele Arbeitskräfte - und das in einem Gebiet mit mehr als 200 Stämmen, die isoliert lebten und sich auch nur isoliert zur Wehr setzen konnten. Was erklärt, weshalb sie so gut wie keine Chance hatten.
Es war ein brutales Kolonialsystem. Etwa die Hälfte der Bevölkerung Kongos kam ums Leben. Die lokale Bevölkerung wehrte sich gegen die ausländische Landnahme - also wurde sie getötet. Die Menschen dort hatten ja nur Pfeil und Bogen, die Eindringlinge aber feuerten mit Gewehren auf sie. Genauso brutal verlief dann auch die Kolonialherrschaft. Zwangsarbeit wurde eingeführt. Jeder musste eine bestimmte Fläche mit den Gummi-produzierenden Bäumen bepflanzen. Wer die Quote nicht brachte, dem wurde die Hand abgehackt.
Gier nach Rohstoffen und Brutalität sollten denn auch die weitere Geschichte Kongos bis heute bestimmen. Diese Mischung erwies sich immer wieder als explosiv.
Diamanten, Gold, Coltan, Kupfer, Holz. Kaum ein Rohstoff, den Kongo nicht hat. Jeder wollte diese Reichtümer besitzen.
Kongos Reichtum wurde sein Verhängnis, weil zu viele danach griffen und jeder alles für sich allein haben wollte, meint Henri Boshoff vom Institut für Sicherheitsstudien in Pretoria.
Mehr als ein Jahrhundert lang wurde das Land geplündert. Kongo hat mit die reichsten Kobalt- und Kupfervorkommen der Welt, riesige Diamantenfelder, ertragreiche Goldminen, tropische Edelhölzer und noch unerschlossene Erdölvorkommen. Das Land ist eine wahre Schatztruhe. Sein Landwirtschaftspotenzial reicht aus, ganz Afrika zu ernähren. Und mit der verfügbaren Wasserkraft könnte der gesamte Kontinent elektrifiziert werden.
Dennoch ist Kongo eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt, seine Bevölkerung gehört zu den Ärmsten der Armen. Ob König Leopold, später dann die belgischen Kolonialisten und Privatunternehmen, nach der Unabhängigkeit Diktator Mobutu oder im letzten Jahrzehnt dann die vielen kongolesischen Warlords und ihre ausländischen Unterstützer - alle wollten sie nur nehmen, nehmen, nehmen...
Erst nach der Ermordung Laurent Kabilas und dem Machtantritt seines Sohnes Joseph vor zwei Jahren beruhigte sich die Situation allmählich. Der damals 29jährige Kabila junior erwies sich trotz seiner offensichtlichen Unerfahrenheit als ein sehr guter Zuhörer - im eigenen Land wie auch auf internationaler Ebene. Er heizte Konflikte nicht an wie sein Vater , er verprellte niemanden, machte aber auch keine Versprechungen. Schon bald nach seinem Amtsantritt verkündete er einen Waffenstillstand mit den Aufständischen, nahm an Friedenskonferenzen teil, erreichte den Abzug aller ausländischen Truppen aus Kongo und fand gemeinsam mit allen maßgeblichen politischen Kräften seines Landes nach langen Verhandlungen im südafrikanischen Sun City schließlich im April dieses Jahres eine Lösung, wie der Diplomat Bene M'Poko erläutert.
Alle Kongolesen sollen an der Verwaltung des Landes beteiligt sein - unabhängig von Stammeszugehörigkeit, Religion oder ähnlichem. Die Übereinkunft, die wir in Südafrika unterzeichneten, besagt, dass wir die Rebellion beenden und das Land wieder vereint wird. Auf dem Papier ist das Land also wieder geeint, doch in der Realität müssen wir erst noch dafür sorgen, dass die Kampfhandlungen beendet werden.
Das betrifft nicht nur Bunia, sondern den gesamten Osten Kongos. Dort ist die Situation am kompliziertesten. Denn in dieser Region von etwa der dreifachen Größe Deutschlands ist ein regelrechter Flickenteppich von Einflussgebieten lokaler Machthaber entstanden, ein von Dutzenden bewaffneter Gruppen zerrissenes Gebiet.
In den Städten dominiert die Rebellenbewegung RCD. Die hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach wegen Führungsrangeleien gespalten und ist unterschiedliche Koalitionen eingegangen. So gilt die RCD-Goma, die mächtigste unter ihnen als verlängerter Arm der Machthaber im benachbarten Ruanda. Die RCD-Kisangani hingegen verbündete sich mit Uganda und schloss sich dann mit der RCD-ML zusammen, die in den Ortschaften Beni und Butembo aktiv ist. Diese Gruppe arbeitet jetzt mit Präsident Kabila zusammen.
In den ländlichen Regionen marodieren Dutzende Gruppen unabhängiger Stammeskrieger, die sich Mai-Mai nennen. Ebenfalls haben sich dort bewaffnete Kräfte aus Ruanda niedergelassen, sowohl ehemalige Regierungssoldaten wie auch die berüchtigten Interahamwe-Milizen. Sie waren für den Völkermord 1994 in Ruanda verantwortlich und gehören zur ethnischen Gruppe der Hutu. Da zugleich im Osten Kongos etwa drei Dutzend weiterer Stämme leben, die als Freunde oder Gegner der Hutu gelten, wie die Lendu und Hema, die Bahunde und Nande, kann man sich vorstellen, dass dieses Gemisch ethnischer und machtpolitischer Kräfte hochexplosiv ist.
Im Nordwesten dagegen dominiert die Kongolesische Befreiungsbewegung von Jean-Pierre Bemba. Die Macht Präsident Kabilas beschränkt sich im wesentlichen auf die Hauptstadt Kinshasa und deren Umgebung sowie einen Teil der Bergbauprovinz Katanga im Süden. Der Rest des Landes ist in der Hand unzähliger lokaler Herrscher.
Da Diktator Mobutu in den drei Jahrzehnten seiner Herrschaft nach dem Motto "Teile und Herrsche" den Menschen auch das letzte bisschen eines ohnehin nur schwach entwickelten Nationalgefühls ausgetrieben hatte und zum Beispiel die Straßen ganz bewusst verfallen ließ, damit alle isoliert von einander leichter zu beherrschen waren, ist es kein Wunder, dass Kongo regelrecht atomisiert ist.
Das einzige, was die Menschen in Kongo eint, ist die Sehnsucht nach Frieden, meint Henri Boshoff:
Sie haben keine Waffen, sie sind der ewigen Kämpfe müde. Sie sind nicht organisiert. Es gibt keine Infrastruktur, keine lokalen Administrationen. Sie überleben einfach nur. Sie haben genug von allem.
Und auch die Machthaber in den verschiedenen Landesteilen begreifen inzwischen, dass die Chance auf Alleinherrschaft äußerst gering ist und sie sich folglich arrangieren müssen.
Die Macht der Kabila-Regierung reicht nur bis in die Außenbezirke von Kinshasa. Sonst kontrolliert sie nichts, höchstens noch das Bergbauzentrum von Lubumbashi. Die MLC von Bemba ist in einer schwierigen Situation, da sie in ihrem Hauptquartier von Gbadolite mitten im Urwald isoliert ist. Deshalb ist er interessiert daran, eine größere Rolle in Kinshasa zu spielen. Die RCD-Goma wiederum will soviel Posten wie möglich haben.
Kein Wunder, dass es jetzt das wichtigste Ziel für die von Präsident Joseph Kabila geleitete Übergangsregierung ist, die nationale Einheit herzustellen. Bene M`Poko:
Als erstes soll die Spaltung Kongos überwunden und die territoriale Integrität gesichert werden. Zweites Ziel ist, Frieden und Stabilität zu erreichen. Und drittens demokratische Strukturen zu schaffen, indem erstmals seit 1960 dem Volk die Möglichkeit gegeben wird, seine Führer zu wählen.
Vor wenigen Tagen, am 30. Juni, wurde eine aus 36 Ministern und 25 Vize-Ministern bestehende Regierung der Nationalen Einheit gebildet. Allein die Größe dieses Kabinetts zeigt bereits, wie viele unterschiedliche Kräfte hier gebündelt werden sollen. Je sieben Minister werden von den Kabila-Leuten, der RCD-Goma und der MLC Bembas gestellt. Auch die zivile Opposition erhielt Posten, wobei jedoch die wohl wichtigste Partei, die UDPS von Etienne Tshisekedi, ausstieg aus Enttäuschung darüber, dass die anderen Parteien ihr bei der Ämterverteilung nicht den Vortritt ließen - worauf sie gehofft hatte.
Eine Gruppe traut der anderen nicht, klagt Henri Boshoff. Wie stark das Misstrauen trotz aller gegenteiligen verbalen Bekundungen ist, zeigt sich auch darin, dass der Stellvertreter immer einer anderen Bewegung angehört als der jeweilige Minister. So belauert einer den anderen.
Noch völlig unklar ist, wie die Macht auf der zweiten Ebene, der der Provinzen nämlich , funktionieren soll. Die Rebellen der RCD-Goma, die den Osten Kongos kontrollieren und ihre Macht dort nicht aufgeben wollen, drängen auf eine Föderalisierung , wie Eugéne Serufuli, der Gouverneur der Nord-Kivu-Provinz, erläutert:
Unser Land ist so groß. Deshalb muss allen die Möglichkeit gegeben werden, ihren Beitrag zu leisten. Angesichts der Weite des Landes und der nicht funktionierenden Kommunikationswege wäre eine Zentralisierung, wie sie die Leute in Kinshasa wollen, ein Fehler. Sie hängen damit am alten System, was für die Kivu-Provinz nichts bringen würde. Wir wollen Föderalismus in unserem Land. Die Probleme ganz unten können nicht von weit oben gelöst werden. Sie müssen an der Basis gelöst werden. Das ist es. Und wenn das nicht möglich ist, wird es immer Schwierigkeiten geben. Leute, die nicht verstehen, dass wir Föderalismus wollen, wollen entweder das Land weiter zerstören oder sie haben egoistische Interessen.
Die Gruppe um Präsident Kabila stemmt sich dagegen. Der Diplomat Bene M'Poko erkennt ausschließlich egoistische Interessen im Föderalismus-Bestreben der bisherigen Gegner:
Leute, die sich für einen Föderalismus stark machen, wollen das Land aufteilen. Denn in einer Föderation ohne Straßen und Verbindungen würden die Provinzen faktisch zu unabhängig voneinander existierenden Staaten werden. Das würde zu einem Zerfall des Landes führen, den das kongolesische Volk nicht will.
Somit dürfte das Ringen um die staatliche Struktur des riesigen Landes in den kommenden Monaten und Jahren noch zu heftigen Auseinandersetzungen führen. Nicht weniger kompliziert ist auch die Nutzung der Bodenschätze . Bene M'Poko hofft, dass der Reichtum Kongos endlich dem kongolesischen Volk zugute kommen wird:
Aber auch die Nachbarstaaten Uganda und vor allem Ruanda dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Sie haben in den Jahren, da sie den Osten Kongos besetzt hatten, die Bodenschätze dort geplündert und sich hemmungslos bereichert, wie EU-Sonderbotschafter Aldo Ajello betont:
Sie haben sehr schnell damit begonnen, Gold und Diamanten in ihre Länder zu bringen. Und so kam es zu dem seltsamen Phänomen, dass Länder, die diese wertvollen Rohstoffe überhaupt nicht haben, plötzlich zu deren größten Exporteuren wurden. Das alles stammte aus der Plünderung der kongolesischen Rohstoffe und wurde ein wesentlicher Teil des Krieges.
In den vergangenen Jahren bereicherten sich ugandische Offiziere, deren Truppen erst im Mai aus Bunia und Ituri abzogen, an den dortigen Reichtümern. Jetzt drängt Ruanda auf eine stärkere Rolle dort. Etwa 3 000 Soldaten stehen - so heißt es - an der Seite der Rebellenbewegung RCD-Goma , die nun von der südlich gelegenen Provinz Kivu in Richtung Bunia vordringen. Sie wollen ihren Verbündeten der "Union Kongolesischer Patrioten" zur Hilfe kommen. D i e kontrollierten bisher Bunia, sind mittlerweile aber durch die Intervention der internationalen Streitmacht, die mit Billigung der UNO und unter der Flagge der Europäischen Union dort operiert, an einer Ausweitung ihrer Macht behindert.
Die Kerntruppe der internationalen Streitmacht bilden französische Fallschirmjäger und Marineinfanteristen, die schon mehrfach in den vergangenen Jahrzehnten im Kongo interveniert haben.
Die Gründe des französischen Engagements? Zwar schickte Frankreich bislang Truppen nur in Unruhegebiete seiner ehemaligen Kolonien. Doch in Kongo wie in Ruanda wird französisch gesprochen, so dass sie für Paris als Teil der weltweiten frankophonen Gemeinschaft gelten. Zugleich beobachtet Frankreich mit Besorgnis ein wachsendes Interesse der USA an dieser Region . Die Vereinigten Staaten unterstützten Kabila bei der Machtergreifung, unterhalten enge Beziehungen zu Ruandas neuer Regierung und auch zu Uganda. Da sie außerdem mit Kenia und Äthiopien sowie auf der anderen Seite des Kontinents mit Angola enge Beziehungen aufbauen, fürchtet Paris offenbar das Entstehen eines amerikanisch dominierten Gürtels quer durch Afrika. Der südafrikanische Kongo-Experte Henri Boshoff sieht zwei Szenarien für das rohstoffreiche Land im Herzen Afrikas:
Ich glaube, das beste Szenario wäre, wenn die bei der Kongo-Friedenskonferenz vereinbarten Schritte in die Tat umgesetzt würden. Das heißt, die Integrierung aller rivalisierenden bewaffneten Kräfte in eine nationale Armee, die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit, die Vorbereitung und Durchführung von Wahlen, die zu einer demokratischen Regierung sowie zu einem nationalen und zu Provinzparlamenten führen. Das ist möglich, auch wenn es lange Zeit dauern wird. Es ist nicht in ein oder zwei Jahren zu schaffen, sondern vielleicht erst in vier oder fünf Jahren. Das schlimmste Szenario aber wäre, wenn die anhaltenden Unruhen in Bunia und Umgebung auf die südlich gelegenen Kivu-Provinzen übergreifen und es dort wieder zum Krieg kommt. Denn dann würden Uganda und Ruanda wieder mit ihren Truppen eingreifen. Das würde dann wieder Streitkräfte aus Angola und Simbabwe auf den Plan rufen. Und dann beginnt der ganze Kriegskreislauf in Kongo von neuem.