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Wenn Rentner klonen

Vor einigen Wochen veröffentlichte Karl Illmensee einen Artikel zum Thema Klonen in der Fachzeitschrift "Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie". Das brisante daran: Das Journal ist das offizielle Organ deutscher und österreichischer Fachverbände. In Deutschland sorgte das für Diskussionen. Billigen die Fachverbände möglicherweise die umstrittenen Klonversuche?

Von Michael Lange | 05.08.2007
    Im Juni 2007 beschäftigt der Reproduktionsbiologe und ehemalige Professor der Universität Innsbruck Karl Oskar Illmensee die Medien in Deutschland. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung schreibt:

    "Ist er ein Pionier oder ein Scharlatan, ein Menschenfreund oder ein Lügenbold? Er verkündet frohgemut, das Klonen von Menschen stehe vor der Tür, er selbst habe einer Frau einen geklonten Embryo eingesetzt."

    Auslöser für diesen und andere Zeitungsartikel war eine Veröffentlichung Illmensees im Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Offizielles Organ des Dachverbandes Reproduktionsbiologie und -medizin, der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin, der Österreichischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie sowie sechs weiterer Fachgesellschaften und Vereinigungen. Der Artikel fasst die Geschichte des Klonens aus Illmensees Sicht zusammen und erwähnt, fast nebenbei, einen gescheiterten Klonversuch.

    "Obwohl sich in diesem Fall keine Schwangerschaft etablieren konnte, zeigten und dokumentierten wir erstmals, dass menschliche Reproduktion via somatischem Zellkerntransfer und Übertragung eines geklonten menschlichen Embryos eventuell in der Zukunft für Patienten, die keine andere Alternative für die Zeugung ihres eigenen Nachwuchses haben, möglich ist."

    Oder anders ausgedrückt: Reproduktives Klonen ist machbar und unter bestimmten Voraussetzungen auch wünschenswert. Karl Illmensee zitiert Ergebnisse, die er ein Jahr zuvor in der amerikanischen Fachzeitschrift Archives of Andrology veröffentlicht hatte, und zwar gemeinsam mit dem umstrittenen amerikanischen Reproduktionsmediziner Panayotis Zavos.

    Ausführlich beschreiben sie darin den missglückten Klonversuch. Die zum Klonen erforderlichen Zellkerne stammten aus Hautzellen eines unfruchtbaren Mannes.

    "Aus drei Versuchen des Zellkerntransfers in menschliche Eizellen entwickelte sich ein Embryo zu einem Vierzell-Stadium und wurde dann in die Gebärmutter der Frau übertragen. Dies ist der erste Nachweis der Schaffung und Übertragung eines menschlichen, geklonten Embryos zu Reproduktionszwecken. Auch wenn es nicht zur Schwangerschaft kam."

    Den Optimismus der Klonpioniere bremst das nicht. Ihr Resümee:

    "Fortpflanzung via Zellkerntransfer ist möglich und durchführbar."

    Reaktionen auf die Veröffentlichung in den Archives of Andrology blieben aus. Die Zeitung wird nur von wenigen Fachleuten gelesen. Die internen Diskussionen unter den verantwortlichen Wissenschaftlern und Redakteuren lassen sich nur erahnen. Die geschäftsführende Redakteurin des Verlags Informa Healthcare, der die Fachzeitschrift herausgibt, Ashley Petrylak gab auf Anfrage des Deutschlandfunks folgende Stellungnahme ab.

    "Der Artikel von Zavos und Illmensee wurde veröffentlicht unter dem damaligen Chefredakteur der Archives of Andrology Elsayed Saad Eldin Hafez. Dr. Hafez wurde inzwischen aus dieser Position entfernt, wegen mehrfacher unlauterer Geschäfte mit diesen beiden Autoren. Die Maßnahme war eine direkte Folge des Artikels von Zavos und Illmensee in den Archives of Andrology. Das Management des Verlages billigt die in dem Artikel beschriebene Arbeit in keiner Weise."

    Um den Zeitschriftentitel zu retten, handelten die Verantwortlichen in New York. Das taten sie ohne öffentlichen Druck. Ashley Petrylak:

    "Ende 2006 wurde die Chefredaktion der Zeitschrift Archives of Andrology vollständig ausgewechselt. Nach diesen Erfahrungen werden für dieses Journal eingereichte Artikel einer besonders strengen Kontrolle unterworfen."

    Karl Illmensee reagiert nicht auf Presseanfragen. Der emeritierte Professor für Reproduktionsbiologie an der Universität Innsbruck arbeitet jetzt in einer Praxis für künstliche Befruchtung namens "Genesis" in Patras, Griechenland. Illmensee ist dort Direktor des Labors.

    Wahrscheinlich arbeitet er in enger Kooperation mit der Firma Reprogen in Limassol auf Zypern. Sie führt - zumindest offiziell - die umstrittenen Klonversuche durch. Weitere "Erfolgsmeldungen" nicht ausgeschlossen.