Mittwoch, 24. April 2024

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Wenn schlechte Chefs die Arbeit behindern

Der Chef ist der häufigste Kündigungsgrund in Deutschland: Die Meisten gehen wegen ihres direkten Vorgesetzten. Doch schon vorher gefährden schlechte Chefs den Unternehmenserfolg. Frustrierte Mitarbeiter, die innerlich längst gekündigt haben, führen nach einer "Gallup"-Studie in Deutschland zu Verlusten in Höhe von 72 Milliarden Euro.

Moderation: Kate Maleike | 01.02.2008
    Mit einem Online-Test für Beschäftigte will die Ruhr-Uni Bochum den Qualitäten deutscher Führungskräfte nun auf den Zahn fühlen. Das Projektteam Testentwicklung an der Ruhr-Universität befasst sich in seiner aktuellen Studie mit dem Thema Führungskräftebewertung. Über das Projekt spricht Campus & Karriere in der heutigen Sendung mit Dr. Rüdiger Hossiep vom "Projektteam Testentwicklung".

    Kate Maleike: Ist Ihr Vorgesetzter ein Motivator oder verdirbt er Ihnen die Freude an der Arbeit? Und wie führt Ihr Chef? Das sind Fragen, die Psychologen der Ruhr-Uni Bochum derzeit intensiv beschäftigen, denn sie haben einen Fragebogen ins Internet gestellt, mit dem man seinen Vorgesetzten bewerten kann. Ziel der Wissenschaftler ist es, herauszufinden, wie es um die Qualität der Chefs in Deutschland derzeit bestellt ist. Und Dr. Rüdiger Hossiep betreut das Bochumer Projekt. Guten Tag, Herr Hossiep!
    Dr. Rüdiger Hossiep: Guten Tag, ich grüße Sie!
    Maleike: Was hat Sie denn veranlasst, diesen Test zu starten? Vermuten Sie, dass viele Beschäftigte sich auf diese Weise mal Luft machen wollen?
    Hossiep: Also das ist sicherlich auch der Fall. Es ist ja Mode, Bücher über schlechte Chefs zu schreiben, das ist überall in den Chatrooms ein Thema. Solche Bestseller wie "Mein Chef ist ein Arschloch. Ihrer auch?" sind ja auf den Top 10 der Bestsellerlisten. Aber das war natürlich nicht der Grund, warum wir uns damit befasst haben, sondern wir wollen da etwas mehr Licht ins Dunkel bringen, weil seit drei, vier Jahrzehnten dazu eigentlich in der Wissenschaft kein verfügbares Instrument zur Verfügung steht.
    Maleike: Wie genau läuft denn der Test ab?
    Hossiep: Es läuft so ab, dass derjenige, der seinen Vorgesetzten beschreiben will, eine Vielzahl von Fragen beantworten muss. Die sind auf einer bestimmten Skala, auf einer Sechserskala zwischen "Das trifft zu" und "trifft nicht zu". Und dann wird das zu bestimmten Dimensionen zusammengefügt, die sich mit bestimmten Anforderungen an Vorgesetzte befassen, wie etwa der Teamorientierung oder dem Zeitmanagement.
    Maleike: Was wollen Sie denn wissen?
    Hossiep: Wie Ihr Vorgesetzter auf Sie wirkt. Übrigens, wenn dieser Vorgesetzte selbst auch Mitarbeiter ist, was ja in aller Regel der Fall ist, dann können natürlich auch die Vorgesetzten mitmachen, indem sie dann ihren Chef wiederum beschreiben. Der Hintergrund ist, dass wir mittlerweile mit diesem Forschungsprojekt so weit sind, dass wir ein relativ ausgereiftes Verfahren bereits vorliegen haben und diejenigen dann auch eine systematische Rückmeldung bekommen, wie sie ihren Chef erleben und wahrnehmen.
    Maleike: Der ist aber kostenlos und anonym auch, oder?
    Hossiep: Der ist kostenlos und anonym, selbstverständlich. Die Universität achtet natürlich über ihre Datenschutzbeauftragten auch darauf, dass das so ist, ja. Wir wollen damit ein Verfahren entwickeln, das wir in einigen Jahren dann der Wissenschaft auch zur Verfügung stellen können, um eben Vorgesetzte in ihrer Wirkung auf Nachgeordnete systematisch und eben vergleichbar und normiert als Benchmark beschreiben zu können.
    Maleike: Sodass dann vielleicht auch Trainings und Fortbildungen entstehen können?
    Hossiep: Ja, das kann man so sehen, und man kann auch gezielte Personalentwicklung etwa mit dem eigenen Vorgesetzten dann betreiben. Es führt ja niemand von sich aus schlecht. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass natürlich auch die Führungsaufgabe insofern immer anspruchsvoller geworden ist, als die Mitarbeiter immer anspruchsvoller geworden sind, also der Adressat für diese Führung.
    Maleike: Das heißt aber, dass diese schlechten Bewertungen nicht öffentlich werden. Sie haben vorhin gesagt, es ist kostenlos und anonym. Wir erleben da nicht so was wie bei MeinProf.de oder bei Spickmich, wo die Lehrer sich dann schlussendlich auch vor Gericht noch gegen gewehrt haben?
    Hossiep: Bestimmt nicht. Wir kennen ja den Vorgesetzten gar nicht, der bewertet wird. Dessen Name wird ja auch niemals genannt. Es wird allein der Name desjenigen, der seinen Vorgesetzten beschreibt, dann nötig, wenn er diese Auswertung haben möchte, wie er also seinen Vorgesetzten im Vergleich mit anderen Fachkräften oder Führungskräften, die geführt werden, sieht, etwa im Vergleich auf Kommunikation, Feedback, Entscheidungsklärung, Informationsweitergabe und anderes.
    Maleike: Wie lange werden Sie denn die Daten sammeln und wann rechnen Sie damit, die Studie veröffentlichen zu können?
    Hossiep: Also es werden mehrere Zwischenstudien dazu veröffentlicht. Wir haben bereits mehrere Diplomarbeiten und Masterarbeiten dazu erstellt. Derzeit laufen drei Arbeiten auf diesem Feld. Dass das Verfahren dann sozusagen der Scientific Community zur Verfügung gestellt wird, dass es von Fachleuten über die deutsche Testzentrale bezogen werden kann, da werden sicherlich noch einige Jahre vergehen.
    Maleike: Herr Hossiep, ist es eigentlich so, dass das deutsche Verhältnis, also das Verhältnis der deutschen Beschäftigten zum deutschen Chef schwieriger ist, als Sie das vielleicht aus anderen Ländern kennen?
    Hossiep: Ja, das ist eine sperrige Sache. Es ist einerseits sicherlich so, dass deutsche Führungskräfte - und das kommt bei internationalen Umfragen, die gemacht werden, auch immer wieder raus - die weichen Fakten, also die Sachen des Umgangs miteinander, soziale Aspekte weniger stark gewichten als andere. Da ist immer noch so eine Art Law and Order, eine Art Kommisston drin. Und auf der anderen Seite sind natürlich gerade angloamerikanische Unternehmen, die auch das deutsche Wirtschaftsgeschehen mittlerweile bei international ausgerichteten deutschen Unternehmen sehr, sehr stark prägen, trotz einer manchmal sehr kooperativen Oberfläche in der Regel stark hierarchisch geprägt.