Das wichtigste Kennzeichen einer freien Gesellschaft: Man hat immer die Wahl, besonders im Urlaub. Und so können wir mit allen europäischen Mitbürgern, die ihre Freizeit im Süden verbringen möchten, derzeit frei entscheiden, ob wir lieber am Brenner oder am Gotthard im Stau stehen wollen. Welcher Zwangsaufenthalt ist schöner: Die ganztägigen Stockungen bei den Kontrollen an der Schweizer Grenze? Oder der Stillstand auf dem Münchner Autobahnring?
Nordlichter ziehen natürlich die Elbe vor – von unten im Tunnel, versteht sich. Steht es sich am besten tags auf freier Strecke in der Sonnenglut, gemeinsam mit Hunderttausenden von Leidensgenossen? Oder nachts, eingeklemmt zwischen qualmenden Lastwagen, die dann gerade Lebensmittel in unsere Ferienorte transportieren? Vor allem im (Arlberg, Tauern, Montblanc)-Tunnel, wenn das Thermometer auf 45 Grad ansteigt und der letzte Sauerstoff vom Kohlenmonoxyd aufgefressen wird, bieten die großen Ferien ihren ersten unvergesslichen Höhepunkt.
Auto-Ästheten können dann ins Schwärmen geraten über die Dynamik des Stillstands, Ärzte dozieren kenntnisreich über die Wesensgleichheit von Herz- und Verkehrsinfarkt. Ja, der Sommer ist fraglos die schönste Zeit des Jahres. Dann wird der Stubenhocker zum Zugvogel, und das Auto zur Immobilie. Das physikalische Gesetz der Entropie kann dann jedermann im Großversuch am eigenen Leibe kennenlernen. Regel eins: Wenn sich alle bewegen, geht gar nichts mehr.
Für das Projekt der Europäischen Union ist der freie Verkehr von Gütern und Menschen essentiell. Was haben Litauer und Slowenen von einem Verbund, wenn sie wegen schlechter Straßen und dichter Grenzen nicht aus ihren Ländern herauskommen? Wie können Nationalisten zu Europäern umerzogen werden, wenn sie sich nicht wenigstens im Urlaub ein wenig kennen lernen? Und macht eine Union Spaß, in der Arbeit und Rohstoffe mit aller Macht mobil gemacht werden – die geplagten Bürger aber besser zuhause bleiben?
Der Massentourismus dürfte in den vergangenen Jahrzehnten mehr zur europäischen Einigung beigetragen haben als alle Reden von Politikern. Nur leider scheint die Neckermannisierung Europas an ihre Grenzen gekommen, bevor der Kontinent politisch wirklich zusammengewachsen ist. Für 2010 prophezeien Soziologen den totalen Verkehrsinfarkt auf Mitteleuropas Autobahnen und an den Alpenübergängen. Hellseher muss man für diese Vision keiner sein. Jeder Fernfahrer, Büropendler, Adriatourist weiß schon lange sein Lied davon zu singen.
Und weil es komplett nutzlos ist, gegen die Autolobby und gegen die massenhafte Mobilität zu wettern, nutzlos, eine Lanze für die Eisenbahn zu brechen oder die vielen Billigflieger in den Lüften zu beklagen, preisen wir lieber den Stillstand – er passt doch prima zur Gesamtlage des europäischen Projekts. Historiker späterer Generationen werden einmal konstatieren: Der Stau ist die vorherrschende Lebensform des Europäers der zweiten Jahrtausendwende.
Nicht Berlin oder das Ruhrgebiet, nein: die Autobahn ist – mit circa sieben Millionen Bewohnern - schon längst die größte Agglomeration Deutschlands. Nicht für CDU, SPD oder PDS schlagen die Herzen der Deutschen, nein, parteiübergreifend ist nur der ADAC. Und nicht an den Strand oder ins Hochgebirge zieht es die arbeitende Bevölkerung wie magisch, sondern in die ewige Embolie. Warum nur gibt es noch keine Ansichtskarten der Rekordstaus zwischen Würzburg-Kist und Weibersbrunn? Wer baut endlich Ausflugslokale an den markantesten Dauerbaustellen zwischen Bremen und Rimini? Wo bleiben die Reiseführer, die uns ohne Umleitung in den nächsten Verkehrskollaps lotsen?
Europa – das ist der fortschrittlichste Kontinent mit dem dichtesten Netz von Straßen. Das Problem ist nur, dass wir sie auch tatsächlich zu benutzen versuchen. Gute Fahrt!
Nordlichter ziehen natürlich die Elbe vor – von unten im Tunnel, versteht sich. Steht es sich am besten tags auf freier Strecke in der Sonnenglut, gemeinsam mit Hunderttausenden von Leidensgenossen? Oder nachts, eingeklemmt zwischen qualmenden Lastwagen, die dann gerade Lebensmittel in unsere Ferienorte transportieren? Vor allem im (Arlberg, Tauern, Montblanc)-Tunnel, wenn das Thermometer auf 45 Grad ansteigt und der letzte Sauerstoff vom Kohlenmonoxyd aufgefressen wird, bieten die großen Ferien ihren ersten unvergesslichen Höhepunkt.
Auto-Ästheten können dann ins Schwärmen geraten über die Dynamik des Stillstands, Ärzte dozieren kenntnisreich über die Wesensgleichheit von Herz- und Verkehrsinfarkt. Ja, der Sommer ist fraglos die schönste Zeit des Jahres. Dann wird der Stubenhocker zum Zugvogel, und das Auto zur Immobilie. Das physikalische Gesetz der Entropie kann dann jedermann im Großversuch am eigenen Leibe kennenlernen. Regel eins: Wenn sich alle bewegen, geht gar nichts mehr.
Für das Projekt der Europäischen Union ist der freie Verkehr von Gütern und Menschen essentiell. Was haben Litauer und Slowenen von einem Verbund, wenn sie wegen schlechter Straßen und dichter Grenzen nicht aus ihren Ländern herauskommen? Wie können Nationalisten zu Europäern umerzogen werden, wenn sie sich nicht wenigstens im Urlaub ein wenig kennen lernen? Und macht eine Union Spaß, in der Arbeit und Rohstoffe mit aller Macht mobil gemacht werden – die geplagten Bürger aber besser zuhause bleiben?
Der Massentourismus dürfte in den vergangenen Jahrzehnten mehr zur europäischen Einigung beigetragen haben als alle Reden von Politikern. Nur leider scheint die Neckermannisierung Europas an ihre Grenzen gekommen, bevor der Kontinent politisch wirklich zusammengewachsen ist. Für 2010 prophezeien Soziologen den totalen Verkehrsinfarkt auf Mitteleuropas Autobahnen und an den Alpenübergängen. Hellseher muss man für diese Vision keiner sein. Jeder Fernfahrer, Büropendler, Adriatourist weiß schon lange sein Lied davon zu singen.
Und weil es komplett nutzlos ist, gegen die Autolobby und gegen die massenhafte Mobilität zu wettern, nutzlos, eine Lanze für die Eisenbahn zu brechen oder die vielen Billigflieger in den Lüften zu beklagen, preisen wir lieber den Stillstand – er passt doch prima zur Gesamtlage des europäischen Projekts. Historiker späterer Generationen werden einmal konstatieren: Der Stau ist die vorherrschende Lebensform des Europäers der zweiten Jahrtausendwende.
Nicht Berlin oder das Ruhrgebiet, nein: die Autobahn ist – mit circa sieben Millionen Bewohnern - schon längst die größte Agglomeration Deutschlands. Nicht für CDU, SPD oder PDS schlagen die Herzen der Deutschen, nein, parteiübergreifend ist nur der ADAC. Und nicht an den Strand oder ins Hochgebirge zieht es die arbeitende Bevölkerung wie magisch, sondern in die ewige Embolie. Warum nur gibt es noch keine Ansichtskarten der Rekordstaus zwischen Würzburg-Kist und Weibersbrunn? Wer baut endlich Ausflugslokale an den markantesten Dauerbaustellen zwischen Bremen und Rimini? Wo bleiben die Reiseführer, die uns ohne Umleitung in den nächsten Verkehrskollaps lotsen?
Europa – das ist der fortschrittlichste Kontinent mit dem dichtesten Netz von Straßen. Das Problem ist nur, dass wir sie auch tatsächlich zu benutzen versuchen. Gute Fahrt!