Natürlich ist es keine Nacherzählung. Wie banal wäre das auch: 24 Stunden im Leben von Godards Hauptfigur Charlotte zu zeigen, die apolitisch nur für die Liebe lebt und sich sinnlich treiben lässt in der Werbewelt der sechziger Jahre. Charlotte, die sichere, unnahbar-naive Schöne, steht zwischen zwei kaum unterscheidbaren Männern, Ehemann und Liebhaber, ist von einem schwanger und strauchelt auf der Straße, bis sie sich schließlich von ihrem Geliebten trennt nach einem langen Treffen im Hotel. Regisseur Wolfram Apprich, der bereits vier Trolle-Stücke uraufgeführt hat, nennt seine Inszenierung also lieber gleich eine "Versuchsanordnung für 5 Kassettenrekorder, 2 Plastikhocker, 1 Kiste Wasser, 1 Hund und 5 Schauspielerinnen".
Wie in ein Reagenzglas sehen auch die Zuschauer von oben herab auf die Bühne, die ein verglaster Kasten ist. Eine Art Aquarium, hinter deren Glas sich fünf Frauen benehmen wie fremdartige Fische. In rosa BHs, Spitzennegligés und Stöckelschuhen, räkeln sie sich, vielfach verdoppelt durch die Spiegelwände, in einem komplizierten Arrangement aus Kabeln und Kassettenrekordern, aus denen Satzfetzen des Godard-Films dringen. Jede von ihnen hütet ihren Ghettoblaster wie ein Schatzkästlein. Gegenseitig spielen sie sich Kassetten vor wie Kinder ihre Lieblingsmärchen, hängen vor den Radios der anderen wie Männer vor einem wichtigen Fußballspiel und lauschen den seriellen Liebessätzen.
" Warum willst du, dass ich dich sehe? Von dir möchte ich ein Kind. War dein Mann in deiner ersten Ehe lange verheiratet? Und wann ziehen wir endlich zusammen?"
Austauschbare, beliebig wiederholbare Worte aus einem allseits bekannten Liebesmatch. Die Frauen sprechen sie zueinander oder zu unsichtbaren Männern, sie hören sich aber auch gut an, wenn sie zum echten Schäferhund gesprochen werden, der still und erhaben in der Ecke liegt. Denn auch Godards Hauptfigur Charlotte meinte ja, dass vor allem Tiere schön sind, weil nur sie in der Gegenwart leben. Eine ironisch selbstreferentielle Reflexion auf das Theater - denn Tiere werden auf deutschen Bühnen ja heute gerne als Garanten des Natürlich-Authentischen verwendet, als Symbole der Anti-Künstlichkeit schlechthin.
Zwischen den Satzfetzen entstehen elegische Pausen, in denen sich die Wesen auf ihre Schönheit befühlen, ihre BH-Größen vermessen oder lasziv auf dem Boden liegen und die Eheringe blitzen lassen. Manchmal fallen sie einfach so hin wie Charlotte im Film. Dann wieder brechen sie eruptiv und kreischend in Gedichte mit strengen Versmaßen aus, bei denen regelmäßig der Hund mitbellt. Es ist mehr Komposition oder eine ironische Installation als eine Inszenierung, ein komponiertes Hörspiel, angeordnet wie ein Boxkampf.
Zwischen den Runden nehmen die Frauen einen Schluck Wasser aus der Flasche und pausieren an der Wand. Handlungsfetzen, die ironisch die Struktur von Godards Film nachvollziehen, der ja selbst eine bizarre Komposition aus nummerierten Kapiteln und gleichförmig fragmentierten Liebesszenen ist. Und gleichzeitig es theatralisch interessant verfremdete Betrachtung über Neubeginn und stetigen Verfall im Liebestheater, dieser ewigen und vielleicht austauschbaren Wiederkehr der gleichen Sätze, gleichen Gesten, gleichen Gefühle. Sie passt sehr gut zu einem Autor, der sich dem "Well made Play" auf der Bühne schon immer entschieden verweigert hat. Lothar Trolle:
"Das ist eigentlich eher ein Poem, also fast eine serielle Abfolge von körperlichen Haltungen. Von Haltungen der Zärtlichkeit. Meine Ambition, mein Ziel war, eine Landschaft aus Gesten zu entwickeln. Ich habe mal so ein Bild von Cranach gesehen: Garten der Lüste. Da wollte ich eine Adaption machen davon. Als ich das gesehen hatte, hat mich das getroffen. Ich hatte immer mal die Absicht, mal ein Liebesstück zu schreiben. Das ist ja für einen Dramatiker sehr schwer, weil Liebe hat ja keine Konflikte, Theater lebt ja von Konflikten.
Ich habe eigentlich beim Schreiben begriffen: man kann sich nur auf die Körperlichkeit verlassen. Was wir über den Körper erleben. Das ist ja eine großartige Erfindung für sich, Körperlichkeit, Zärtlichkeit. Die Frau folgt ja nur ihren körperlichen Sehnsüchten.
Die Austauschbarkeit der Gesten, das ist eine Möglichkeit des menschlichen Zusammenlebens. Jeder kann für jeden Menschen Liebe erfahren. Ich empfinde das nicht als trostlos. Das weiß ich nicht, warum das trostlos sein soll. Das ist einfach im Leben so."
Vielleicht ist die Freude an der körperlichen Austauschbarkeit nur eine Männerfantasie. Dennoch ist es ein erstaunlich avantgardistisches Projekt für das kleine Konstanzer Stadttheater am lieblichen Bodensee. Noch mehr erstaunt daran fast, dass der kurze, intensive Abend wirklich gelungen ist und heute offenbar auch an kleinen Häusern fremdartige, aber künstlerisch dichte Arbeiten entstehen können.
Wie in ein Reagenzglas sehen auch die Zuschauer von oben herab auf die Bühne, die ein verglaster Kasten ist. Eine Art Aquarium, hinter deren Glas sich fünf Frauen benehmen wie fremdartige Fische. In rosa BHs, Spitzennegligés und Stöckelschuhen, räkeln sie sich, vielfach verdoppelt durch die Spiegelwände, in einem komplizierten Arrangement aus Kabeln und Kassettenrekordern, aus denen Satzfetzen des Godard-Films dringen. Jede von ihnen hütet ihren Ghettoblaster wie ein Schatzkästlein. Gegenseitig spielen sie sich Kassetten vor wie Kinder ihre Lieblingsmärchen, hängen vor den Radios der anderen wie Männer vor einem wichtigen Fußballspiel und lauschen den seriellen Liebessätzen.
" Warum willst du, dass ich dich sehe? Von dir möchte ich ein Kind. War dein Mann in deiner ersten Ehe lange verheiratet? Und wann ziehen wir endlich zusammen?"
Austauschbare, beliebig wiederholbare Worte aus einem allseits bekannten Liebesmatch. Die Frauen sprechen sie zueinander oder zu unsichtbaren Männern, sie hören sich aber auch gut an, wenn sie zum echten Schäferhund gesprochen werden, der still und erhaben in der Ecke liegt. Denn auch Godards Hauptfigur Charlotte meinte ja, dass vor allem Tiere schön sind, weil nur sie in der Gegenwart leben. Eine ironisch selbstreferentielle Reflexion auf das Theater - denn Tiere werden auf deutschen Bühnen ja heute gerne als Garanten des Natürlich-Authentischen verwendet, als Symbole der Anti-Künstlichkeit schlechthin.
Zwischen den Satzfetzen entstehen elegische Pausen, in denen sich die Wesen auf ihre Schönheit befühlen, ihre BH-Größen vermessen oder lasziv auf dem Boden liegen und die Eheringe blitzen lassen. Manchmal fallen sie einfach so hin wie Charlotte im Film. Dann wieder brechen sie eruptiv und kreischend in Gedichte mit strengen Versmaßen aus, bei denen regelmäßig der Hund mitbellt. Es ist mehr Komposition oder eine ironische Installation als eine Inszenierung, ein komponiertes Hörspiel, angeordnet wie ein Boxkampf.
Zwischen den Runden nehmen die Frauen einen Schluck Wasser aus der Flasche und pausieren an der Wand. Handlungsfetzen, die ironisch die Struktur von Godards Film nachvollziehen, der ja selbst eine bizarre Komposition aus nummerierten Kapiteln und gleichförmig fragmentierten Liebesszenen ist. Und gleichzeitig es theatralisch interessant verfremdete Betrachtung über Neubeginn und stetigen Verfall im Liebestheater, dieser ewigen und vielleicht austauschbaren Wiederkehr der gleichen Sätze, gleichen Gesten, gleichen Gefühle. Sie passt sehr gut zu einem Autor, der sich dem "Well made Play" auf der Bühne schon immer entschieden verweigert hat. Lothar Trolle:
"Das ist eigentlich eher ein Poem, also fast eine serielle Abfolge von körperlichen Haltungen. Von Haltungen der Zärtlichkeit. Meine Ambition, mein Ziel war, eine Landschaft aus Gesten zu entwickeln. Ich habe mal so ein Bild von Cranach gesehen: Garten der Lüste. Da wollte ich eine Adaption machen davon. Als ich das gesehen hatte, hat mich das getroffen. Ich hatte immer mal die Absicht, mal ein Liebesstück zu schreiben. Das ist ja für einen Dramatiker sehr schwer, weil Liebe hat ja keine Konflikte, Theater lebt ja von Konflikten.
Ich habe eigentlich beim Schreiben begriffen: man kann sich nur auf die Körperlichkeit verlassen. Was wir über den Körper erleben. Das ist ja eine großartige Erfindung für sich, Körperlichkeit, Zärtlichkeit. Die Frau folgt ja nur ihren körperlichen Sehnsüchten.
Die Austauschbarkeit der Gesten, das ist eine Möglichkeit des menschlichen Zusammenlebens. Jeder kann für jeden Menschen Liebe erfahren. Ich empfinde das nicht als trostlos. Das weiß ich nicht, warum das trostlos sein soll. Das ist einfach im Leben so."
Vielleicht ist die Freude an der körperlichen Austauschbarkeit nur eine Männerfantasie. Dennoch ist es ein erstaunlich avantgardistisches Projekt für das kleine Konstanzer Stadttheater am lieblichen Bodensee. Noch mehr erstaunt daran fast, dass der kurze, intensive Abend wirklich gelungen ist und heute offenbar auch an kleinen Häusern fremdartige, aber künstlerisch dichte Arbeiten entstehen können.