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Wenn Zahlen lügen

Gebrauchtwagenkauf ist Vertrauenssache. Denn der Verkäufer hat viele Möglichkeiten, das Fahrzeug in gutem Licht dastehen zu lassen - nicht alle sind erlaubt. Auf jeden Fall illegal ist die Manipulation des Kilometerzählers. Seitdem die meisten nicht mehr analog, sondern digital funktionieren, ist die Manipulation häufiger geworden und schwerer nachweisbar.

Von Michael Watzke | 19.04.2012
    Wer einen alten Wagen mit erstaunlich niedriger Kilometerleistung angeboten bekommt, sollte jedenfalls misstrauisch werden. Der ADAC hat heute in München über das Thema informiert.

    Glaubt man dem ADAC, dann ist Tachobetrug mittlerweile Massensport und Kavaliersdelikt. Jedes dritte gebraucht verkaufte Fahrzeug soll inzwischen manipuliert sein. Das wären pro Jahr zwei Millionen Autos mit gefälschtem Kilometerstand, sagt Dr. Reinhard Kolke, Leiter des Bereichs Technik beim ADAC:

    "Gehen Sie mal von einer illegalen Wertsteigerung von 3000 Euro pro Fahrzeug aus, dann ist das ein Schaden von bis zu sechs Milliarden Euro pro Jahr, die der Volkswirtschaft und letztlich dem Endverbraucher entstehen."

    Es sei heutzutage kinderleicht, sagt die Polizei, den Kilometerstand zurückzudrehen. Der Vorgang dauere gerade mal 30 Sekunden. Kommerzielle Tachofälscher würden sogar im Internet werben. Früher, bei mechanisch zählenden Tachometern, brauchte man noch eine Bohrmaschine und Sachverstand, sagt Reinhard Kolke vom ADAC. Das sei heutzutage nicht mehr erforderlich:

    "Denn neuere Fahrzeuge - eigentlich mittlerweile alle Fahrzeuge auf dem Markt - haben eine sogenannte On-Board-Diagnose-Steckdose. Die befindet sich unter dem Lenkrad. Dort steckt man ganz einfach dieses Manipulationsgerät ein. Und selbst Laien können dann erfolgreich den Tachostand manipulieren."

    Zwar stellt das Manipulieren des Kilometer-Zählers eine Straftat dar - egal ob es in Betrugs-Absicht stattfindet oder nicht. Und Straftaten könnten sogar mit Haftstrafen geahndet werden, erklärt der Leiter der juristischen Zentrale des ADAC, Ulrich May, mit Betonung auf "könnten":
    "Das Problem ist, dass es sehr schwer zu beweisen ist und zusätzlich selten strafrechtlich verfolgt wird. Insofern besteht da Handlungsbedarf."

    Handlungsbedarf besteht aus Sicht des ADAC auch bei den Autoherstellern. Sie könnten manipulationssichere Chips in die Autos einbauen. Das würde nur wenig mehr kosten, aber viel mehr Sicherheit bringen. Ein gutes Beispiel ist die elektronische Wegfahrsperre. Sie hat die Zahl der Auto-Diebstähle um 80 Prozent gesenkt. Das wäre auch beim Tachobetrug möglich, sagt Technik-Experte Reinhard Kolke:

    "Das Problem ist, dass das Interesse der Hersteller äußerst gering ist, weil sie nicht zu den Opfern des Tachobetrugs gehören. Das Opfer ist der Gebrauchtwagenkäufer, denn der kauft ja das Auto zum überhöhten und nicht gerechtfertigten Preis, wenn das Fahrzeug manipuliert ist."

    Der Verbraucher muss sich also bisher selber helfen. Und das ist nicht einfach. Rechtsexperte Ulrich May rät Gebrauchtwagenkunden, auf den Kaufvertrag zu achten:

    "Zunächst ist es mal ganz wichtig, im Kaufvertrag keine allgemeinen Formulierungen aufzunehmen wie 'Tachometerstand wie abgelesen' - damit nämlich haftet der Verkäufer kaum. Wichtig ist, in den Kaufvertrag aufzunehmen: 'Kilometerstand muss zugesichert sein' oder 'zugesicherter Kilometerstand', dann haftet der Verkäufer, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der Kilometerstand verfälscht worden ist."

    Das allerdings lässt sich schwer feststellen. Am Zustand des Motors etwa kann man den Betrug nur bedingt erkennen und noch schwieriger beweisen. Sinnvoller ist es, sich die Geschichte des Autos lückenlos dokumentieren zu lassen:

    "Das heißt: Scheckheftpflege ist wichtig, Dokumentation von entsprechenden Kaufbelegen für Reifen et cetera ist eine Option. Schauen Sie sich auch mal Kupplungs-, Brems- und Gaspedal an. Und vielleicht auch das Polster."

    Aber auch hier kann ein gerissener Auto-Verkäufer schummeln. Am Ende hilft tatsächlich nur, zum Gebrauchtwagenhändler seines Vertrauens zu gehen. Und den zu finden, ist wahrlich eine Herausforderung.