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Wenn zwei sich streiten

Den Italienern kommt die französische Kritik an Deutschlands Erfolgswirtschaft gerade recht. Im geeinten Europa, so das Argument, sei der Klassenbeste mitschuldig, wenn die Hinterbänkler auf der Strecke bleiben.

Von Karl Hoffmann |
    Italiens Finanzminister Giulio Tremonti hat ein Sorgenkind:

    "Wir schulden dem Süden Italiens sehr viel und es ist höchste Zeit darüber nachzudenken."

    Der Mezzogiorno Italiens wird immer mehr zum Klotz am Bein von ganz Europa. Schulden, steigende Arbeitslosigkeit, Konsumflaute, fehlende wirtschaftliche Entwicklung, dazu Korruption und Misswirtschaft. Sizilien, Kalabrien und Kampanien nähern sich griechischen Verhältnissen.

    Da kommt den Italienern die französische Kritik an Deutschlands Erfolgswirtschaft gerade recht. Im geeinten Europa, so das Argument, sei der Klassenbeste mitschuldig, wenn die Hinterbänkler auf der Strecke bleiben. Eine koordinierte Hilfestellung für die ärmeren südlichen Regionen im Mittelmeerraum sei vonnöten, erklärt Paolo Guerrieri, Dozent für internationale Wirtschaftspolitik an der Uni Rom

    "Ein solch koordiniertes Vorgehen müsste darauf hinauslaufen, bestimmte Länder - allen voran Deutschland - davon zu überzeugen, dass es nicht ausreicht, wenn jeder nur macht, was ihm selber nützt. Sondern dass sie über ihren Tellerrand schauen müssen."

    Italiens Wirtschaftspolitiker sind sich durchaus einig darüber, dass Deutschland wie eine Lokomotive wirkt: Es ist Italiens wichtigster Handelspartner. Aber in der Krise haben sich die Gewichte verschoben und Italiens Bilanzen verschlechtern sich im Vergleich zu fast allen europäischen Ländern. Jetzt wäre es an der Zeit, dass Deutschland seine egoistische zugunsten einer konzertierten europäischen Wirtschaftspolitik aufgibt. Meint Professor Guerrieri:

    "Ein stärkeres Europa wäre vonnöten, um etwa die Griechenlandkrise zu lösen. Die europäischen Institutionen brauchen Kompetenzen, die derzeit noch fehlen. Aber das gefällt den Deutschen gar nicht, das ist nicht zu übersehen. Und weil Deutschland so stark ist, wird es wohl ausgesprochen schwierig sein, die Bundesregierung von einer stärker integrierten europäischen Wirtschaftspolitik zu überzeugen."

    Nun ist Italien kein gutes Beispiel für effiziente Finanzpolitik. Mit einem Berg von 1761 Milliarden Euro Staatsschulden und jährlichen 80 Milliarden Euro Schuldendienst tut sich Rom schwer, ausgerechnet Deutschland zu mehr Spendierfreudigkeit zu bewegen. Die "Bild"-Zeitung schoss erst letzte Woche den italienischen Kandidaten für den Chefsessel der Europäischen Zentralbank ab. Ein brutaler Angriff, kommentierte die Tageszeitung "La Repubblica". Die berichtete im Gegenzug von Umfragen, wonach viele Deutsche sich die Mauer zurückwünschten.

    Eine offensichtliche Genugtuung, dass auch bei den perfekten Deutschen nicht immer alles nach Wunsch läuft, weshalb sie von ihrem hohen Ross steigen sollten, suggerieren die Zeitungen in Italien. Denn die Griechenlandkrise wird, wenn es so weitergeht, kein Einzelfall bleiben und deshalb schlägt der Wirtschaftsfachmann Guerrieri vor:

    "Die Finanzkrise Griechenlands sollte Anlass sein, ein Abkommen zu schließen, das nicht nur Stabilität vorsieht, sondern auch eine aufeinander abgestimmte Wirtschaftspolitik."