Wenn ein Paar ein Kind bekommt, dann bleiben zu 75 Prozent die Frauen zu Hause, zumindest bis das Kind drei Jahre alt geworden ist. Dass Väter sich eine Elternzeit nehmen, ist noch immer das bloße Wunschdenken von Politikern. Mit der Realität hat dies nicht viel zu tun, wie vieles mehr, was die öffentliche Meinung zur Betreuung von Kindern in Deutschland betrifft.
Das ist ein Ergebnis der jetzt vorgestellten Studie des Deutschen Jugendinstitutes. Anlass der Untersuchung war unter anderem das TAG genannte Tagesbetreuungsausbaugesetz. Wie viel neue Kindergartenplätze und vor allem wie viele Kinderkrippenplätze für die unter Dreijährigen sollen die Kommunen in Zukunft bereitstellen? Braucht Deutschland ein Gesetz, dass allen Eltern einen Platz in einer Kinderkrippe zusichert, ähnlich wie bei den Kindergärten? Sollte das letzte Kindergartenjahr, also Vorschuljahr, grundsätzlich kostenfrei sein, damit man endlich alle Kinder bereits vor der Schule auf einen gemeinsamen Bildungsstand bringt?
Eines gleich zu Beginn: Die Kommunen können aufatmen. Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstitutes, kann aufgrund seiner Ergebnisse feststellen, dass Eltern die immerhin bis zu 200 Euro und mehr betragenden Kosten eines Kindergartens nicht so hoch bewerten wie angenommen. Wichtiger als ein kostenloser Kindergartenplatz ist es, einen Platz überhaupt zu bekommen. Dabei wird zum Beispiel auf dem Land nur für 22,6 Prozent aller Kinder ein Platz gesucht. Das Angebot liegt bei nur 4,5 Prozent . In den Städten liegt das Verhältnis erstaunlicherweise ähnlich, auch wenn bislang angenommen wurde, auf dem Land blieben Frauen grundsätzlich zu Hause.
Dort wie auch in den Städten nutzen Eltern zumeist als Ergänzung bzw. als Ersatz für kommunale Angebote die Tagespflege und zwar mehr als erwartet - rund 78 Prozent bei den 3- bis unter 6-jährigen Kindern.
Birgit Riedel, eine der Autorinnen der neuen Studie war überrascht:
" Dass bisher ein Großteil der Tagespflege privat organisiert wird, das heißt Eltern suchen sich auf dem grauen Markt Frauen, die bereit sind, für Geld nach ihrem Kind zu schauen. Es wird relativ wenig nach Qualifizierung gefragt. Es gibt im Prinzip wenig Einblick, was passiert, wenn das Kind bei der Tagesmutter ist, und von daher gibt es natürlich einen Punkt, für den wir uns stark machen möchten, dass sich die Politik tatsächlich dieses Thema zu eigen macht und sich, was die Qualifizierung der Tagespflege betrifft, auch bei der Vermittlung und Beratung möglicherweise, da noch viel stärker die Initiative ergreift. "
Zum Beispiel sollten örtliche Jugendämter verstärkt eine Weiterbildung hin zur geprüften Tagesmutter bzw. Tagesvater anbieten. Warum nicht Müttern, die sowieso ein eigenes Kind betreuen, die Chance geben, andere Kinder zu dem eigenen hinzuzunehmen und damit einerseits Geld zu verdienen und andererseits dem eigenen Kind die Möglichkeit zu eröffnen, soziale Kontakte zu Gleichaltrigen zu knüpfen.
Das soziale Umfeld, so ein weiterer Punkt der Studie, spielt eine wichtige Rolle. Ob und ab wann sich Eltern für eine Betreuung außerhalb der Familie entscheiden liegt sehr oft, so Birgit Riedel, am sozialen und Bildungsstand der Erziehungsberechtigten:
" Frauen, die besser qualifiziert sind, zieht es eher in den Beruf zurück, da darf man nicht den Druck unterschätzen, der von Arbeitgeberseite kommt oder auch vom Arbeitsmarkt insgesamt, vorhandene Qualifikationen nicht veralten zu lassen. Frauen mit geringerer Ausbildung nutzen eher die Chance, zu Hause zu bleiben, also das ist ganz schwierig abzuschätzen, sich eine Zeitlang aus dem Beruf zurück zu ziehen und zu Hause zu bleiben, inwieweit das gewünscht ist oder wieweit das dann doch eine Abschätzung von Nutzen und Kosten ist, was da alles mit hineinspielt. "
In diesem Punkt macht es auch keinen Unterschied, ob die Kinder aus deutschen oder fremdsprachigen Familien kommen. Bessergestellte Familien mit Migrationshintergrund legen ebenso Wert ihre Kinder in die Kindertageseinrichtungen zu bringen wie deutsche Familien. Thomas Rauschenbach, der Direktor des Deutschen Jugendinstituts:
" In der öffentlichen Debatte wird der Eindruck erweckt, die Migrantenkinder gehen nicht hin und deswegen brauchen wir eine Pflicht, damit die endlich hingehen. Wenn man dann genauer hinguckt und sagt, halt mal, neun von zehn deutschen Kindern gehen hin, aber acht von zehn Migrantenkinder auch, also 80 zu 90 Prozent, da sind die Differenzen auf jeden Fall weniger als zehn Prozentpunkte zwischen den beiden Gruppen. Das ist uns doch aufgefallen und man sehr schön zeigen, bei allen Altersjahrgängen, dass die Entwicklung der Inanspruchnahme der Plätze und des Besuchs der Kindergärten bei Kindern mit Migrationshintergrund im Prinzip in der gleichen Kurve verläuft, was die Altersjahrgänge anbelangt wie bei den deutschen Kindern und wir deshalb gesagt haben, das scheint nicht ein so dramatisches Problem zu sein wie wir es öffentlich wahrnehmen oder es oft zum Thema gemacht wird. Wir sollten erstmal zur Kenntnis nehmen, die große Mehrheit der Kinder mit Migrationshintergrund ist auch in den deutschen Kindergärten. "
Deswegen ist Rauschenbach dagegen, dass es für Kinder die Pflicht gibt, eine Betreuungseinrichtung zu besuchen. Unbestritten ist natürlich trotz allem, so Rauschenbach, dass die frühkindliche Bildung, sei es das bessere Erlernen der deutschen Sprache oder die Konzentrationsfähigkeit, früher einsetzen sollte. Auch wenn es einige Politiker nicht gern zugeben möchten - das Betreuungssystem der DDR entsprach genau dem, was jetzt gefordert wird. Von daher überrascht es nicht, dass sich die Situation zwischen Ost- und Westdeutschland noch immer gravierend unterscheidet.
" Ich fand für mich überraschend die Ergebnisse zu den Tagesmüttern und Tagespflege, dass wir zeigen können, dass Tagespflege ganz oft eine ergänzende Funktion zur Kindergartenbetreuung hat, dass Eltern also durchaus ihre eigene Flexibilität dadurch erhöhen, dass sie eben nach Ende des Kindergartens eben noch eine Tagesmutter für zwei Stunden noch in Anspruch nehmen. Das sind Ergebnisse die wir jetzt sehr viel genauer zeigen können, wo man doch überraschend feststellen kann, dass die Betreuungsrealität in Deutschland viel vielfältiger und vielleicht letztendlich auch Eltern- und kindgerechter ist, als man das oft annimmt, außer eben dort, wo wir tatsächlich die Betreuungslücke haben. "
Einen negativen Eindruck hinterlassen bei der Studie jedoch die betrieblichen Angebote zur Unterstützung der Kinderbetreuung. Gerade einmal 7 Prozent der deutschen Wirtschaft bieten eine betriebseigene Kindertagesstätte an, 8 Prozent offerieren ihren Mitarbeitern die Möglichkeit der Tele- bzw. Heimarbeit. Mithilfe von flexibler Arbeitszeitregelung wird Vater und Mutter zumindest in durchschnittlich 55 Prozent der Betriebe das Elternsein erleichtert.
Ein Umdenken findet in Deutschland statt, das ist sich der Direktor des Deutschen Jugendinstitutes auf jeden Fall sicher. Dafür stehen seine Zahlen. 31 Prozent der Eltern wünschen sich einen Betreuungsplatz für das zweite Lebensjahr, 60 Prozent für das dritte Lebensjahr ihres Kindes.
Die Politik ist jetzt gefragt.
Das ist ein Ergebnis der jetzt vorgestellten Studie des Deutschen Jugendinstitutes. Anlass der Untersuchung war unter anderem das TAG genannte Tagesbetreuungsausbaugesetz. Wie viel neue Kindergartenplätze und vor allem wie viele Kinderkrippenplätze für die unter Dreijährigen sollen die Kommunen in Zukunft bereitstellen? Braucht Deutschland ein Gesetz, dass allen Eltern einen Platz in einer Kinderkrippe zusichert, ähnlich wie bei den Kindergärten? Sollte das letzte Kindergartenjahr, also Vorschuljahr, grundsätzlich kostenfrei sein, damit man endlich alle Kinder bereits vor der Schule auf einen gemeinsamen Bildungsstand bringt?
Eines gleich zu Beginn: Die Kommunen können aufatmen. Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstitutes, kann aufgrund seiner Ergebnisse feststellen, dass Eltern die immerhin bis zu 200 Euro und mehr betragenden Kosten eines Kindergartens nicht so hoch bewerten wie angenommen. Wichtiger als ein kostenloser Kindergartenplatz ist es, einen Platz überhaupt zu bekommen. Dabei wird zum Beispiel auf dem Land nur für 22,6 Prozent aller Kinder ein Platz gesucht. Das Angebot liegt bei nur 4,5 Prozent . In den Städten liegt das Verhältnis erstaunlicherweise ähnlich, auch wenn bislang angenommen wurde, auf dem Land blieben Frauen grundsätzlich zu Hause.
Dort wie auch in den Städten nutzen Eltern zumeist als Ergänzung bzw. als Ersatz für kommunale Angebote die Tagespflege und zwar mehr als erwartet - rund 78 Prozent bei den 3- bis unter 6-jährigen Kindern.
Birgit Riedel, eine der Autorinnen der neuen Studie war überrascht:
" Dass bisher ein Großteil der Tagespflege privat organisiert wird, das heißt Eltern suchen sich auf dem grauen Markt Frauen, die bereit sind, für Geld nach ihrem Kind zu schauen. Es wird relativ wenig nach Qualifizierung gefragt. Es gibt im Prinzip wenig Einblick, was passiert, wenn das Kind bei der Tagesmutter ist, und von daher gibt es natürlich einen Punkt, für den wir uns stark machen möchten, dass sich die Politik tatsächlich dieses Thema zu eigen macht und sich, was die Qualifizierung der Tagespflege betrifft, auch bei der Vermittlung und Beratung möglicherweise, da noch viel stärker die Initiative ergreift. "
Zum Beispiel sollten örtliche Jugendämter verstärkt eine Weiterbildung hin zur geprüften Tagesmutter bzw. Tagesvater anbieten. Warum nicht Müttern, die sowieso ein eigenes Kind betreuen, die Chance geben, andere Kinder zu dem eigenen hinzuzunehmen und damit einerseits Geld zu verdienen und andererseits dem eigenen Kind die Möglichkeit zu eröffnen, soziale Kontakte zu Gleichaltrigen zu knüpfen.
Das soziale Umfeld, so ein weiterer Punkt der Studie, spielt eine wichtige Rolle. Ob und ab wann sich Eltern für eine Betreuung außerhalb der Familie entscheiden liegt sehr oft, so Birgit Riedel, am sozialen und Bildungsstand der Erziehungsberechtigten:
" Frauen, die besser qualifiziert sind, zieht es eher in den Beruf zurück, da darf man nicht den Druck unterschätzen, der von Arbeitgeberseite kommt oder auch vom Arbeitsmarkt insgesamt, vorhandene Qualifikationen nicht veralten zu lassen. Frauen mit geringerer Ausbildung nutzen eher die Chance, zu Hause zu bleiben, also das ist ganz schwierig abzuschätzen, sich eine Zeitlang aus dem Beruf zurück zu ziehen und zu Hause zu bleiben, inwieweit das gewünscht ist oder wieweit das dann doch eine Abschätzung von Nutzen und Kosten ist, was da alles mit hineinspielt. "
In diesem Punkt macht es auch keinen Unterschied, ob die Kinder aus deutschen oder fremdsprachigen Familien kommen. Bessergestellte Familien mit Migrationshintergrund legen ebenso Wert ihre Kinder in die Kindertageseinrichtungen zu bringen wie deutsche Familien. Thomas Rauschenbach, der Direktor des Deutschen Jugendinstituts:
" In der öffentlichen Debatte wird der Eindruck erweckt, die Migrantenkinder gehen nicht hin und deswegen brauchen wir eine Pflicht, damit die endlich hingehen. Wenn man dann genauer hinguckt und sagt, halt mal, neun von zehn deutschen Kindern gehen hin, aber acht von zehn Migrantenkinder auch, also 80 zu 90 Prozent, da sind die Differenzen auf jeden Fall weniger als zehn Prozentpunkte zwischen den beiden Gruppen. Das ist uns doch aufgefallen und man sehr schön zeigen, bei allen Altersjahrgängen, dass die Entwicklung der Inanspruchnahme der Plätze und des Besuchs der Kindergärten bei Kindern mit Migrationshintergrund im Prinzip in der gleichen Kurve verläuft, was die Altersjahrgänge anbelangt wie bei den deutschen Kindern und wir deshalb gesagt haben, das scheint nicht ein so dramatisches Problem zu sein wie wir es öffentlich wahrnehmen oder es oft zum Thema gemacht wird. Wir sollten erstmal zur Kenntnis nehmen, die große Mehrheit der Kinder mit Migrationshintergrund ist auch in den deutschen Kindergärten. "
Deswegen ist Rauschenbach dagegen, dass es für Kinder die Pflicht gibt, eine Betreuungseinrichtung zu besuchen. Unbestritten ist natürlich trotz allem, so Rauschenbach, dass die frühkindliche Bildung, sei es das bessere Erlernen der deutschen Sprache oder die Konzentrationsfähigkeit, früher einsetzen sollte. Auch wenn es einige Politiker nicht gern zugeben möchten - das Betreuungssystem der DDR entsprach genau dem, was jetzt gefordert wird. Von daher überrascht es nicht, dass sich die Situation zwischen Ost- und Westdeutschland noch immer gravierend unterscheidet.
" Ich fand für mich überraschend die Ergebnisse zu den Tagesmüttern und Tagespflege, dass wir zeigen können, dass Tagespflege ganz oft eine ergänzende Funktion zur Kindergartenbetreuung hat, dass Eltern also durchaus ihre eigene Flexibilität dadurch erhöhen, dass sie eben nach Ende des Kindergartens eben noch eine Tagesmutter für zwei Stunden noch in Anspruch nehmen. Das sind Ergebnisse die wir jetzt sehr viel genauer zeigen können, wo man doch überraschend feststellen kann, dass die Betreuungsrealität in Deutschland viel vielfältiger und vielleicht letztendlich auch Eltern- und kindgerechter ist, als man das oft annimmt, außer eben dort, wo wir tatsächlich die Betreuungslücke haben. "
Einen negativen Eindruck hinterlassen bei der Studie jedoch die betrieblichen Angebote zur Unterstützung der Kinderbetreuung. Gerade einmal 7 Prozent der deutschen Wirtschaft bieten eine betriebseigene Kindertagesstätte an, 8 Prozent offerieren ihren Mitarbeitern die Möglichkeit der Tele- bzw. Heimarbeit. Mithilfe von flexibler Arbeitszeitregelung wird Vater und Mutter zumindest in durchschnittlich 55 Prozent der Betriebe das Elternsein erleichtert.
Ein Umdenken findet in Deutschland statt, das ist sich der Direktor des Deutschen Jugendinstitutes auf jeden Fall sicher. Dafür stehen seine Zahlen. 31 Prozent der Eltern wünschen sich einen Betreuungsplatz für das zweite Lebensjahr, 60 Prozent für das dritte Lebensjahr ihres Kindes.
Die Politik ist jetzt gefragt.