Wie der frühere Stahlkocher Günter Orbach spüren viele ältere Arbeitnehmer einen enormen Druck, ihre Stelle aufzugeben. Sich nicht frühzeitig ins Rentnerleben zu verabschieden, gilt fast als unsolidarisch. Unterschwellige Spannungen zwischen den Generationen prägen das Klima in vielen Betrieben. Immer drängender sehen sich Unwillige mit der Aufforderung konfrontiert, ihren Platz zu räumen. In bestimmten Berufsfeldern, etwa im Bereich von Softwareentwicklung und Multimedia, zählen schon 35-jährige Mitarbeiter zum 'alten Eisen'. Spätestens wer die 40 überschritten hat, gilt im Jargon der Personalberater als 'schwer vermittelbar'.
Niemand käme auf die Idee, an der Belastungsfähigkeit von Politikern ausgerechnet wegen ihres Alters zu zweifeln. Ganz im Gegenteil: Der neue Superminister Wolfgang Clement ist vom Kanzler gerufen worden, weil dieser auf der Suche ist nach Erfahrung im Kabinett. Auf dem normalen Arbeitsmarkt dagegen wäre der Wirtschaftsminister ein Problemfall. Die Sachbearbeiter im Arbeitsamt hätten ihn längst abgeschrieben. Und in manchem Unternehmen würde der Aufsichtsrat auf Ablösung drängen. Zumindest mit Teilzeit fließend in die Rente.......
Die politische Machtelite wird nicht nur in Deutschland von Männern jenseits der 50 dominiert. Für einen besonders angesehenen 'politischen Beruf' ist dabei ein hohes Alter geradezu die Einstellungsvoraussetzung: Zum Bundespräsidenten wurde hierzulande bisher stets ein älterer Herr mit grauen Haaren gewählt. Mindestens 40 Jahre alt muss er sogar offiziell sein - sonst kann er nämlich nicht für dieses Amt kandidieren. Ronald Reagan oder Konrad Adenauer bilden so besehen nur die Extreme: In der Welt der Politik tummeln sich in der Tat vornehmlich die Geronten, die Mitglieder der so genannten Gerusia - so nannte man vor über 2000 Jahren den Rat der Alten im griechischen Sparta.
Die Situation in der Wirtschaft ist meist völlig anders. Dort dienen Ältere als 'flexibler Puffer' - das jedenfalls behauptet der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB in einer Studie. Ausgegrenzt werden Mitarbeiter ab Mitte 40 vor allem an Industriearbeitsplätzen - überall dort, wo körperliche Kraft und Ausdauer noch eine Rolle spielen. Doch der Jugendkult reicht darüber hinaus, glaubt der Soziologe Günter Voß. Er ist Professor an der Technischen Universität in Chemnitz.
Das geht mittlerweile sehr weit runter, also auch unterhalb der Ebene von Experten und Führungskräften. Die Leute müssen sich innerhalb ihres Betriebes, in dem sie angestellt sind, permanent neu vermarkten. Also die Devise heißt dann: Sie können so lange hier bleiben, wie Sie nachweisen, dass Sie gebraucht werden und Profit erwirtschaften.
Besteht die ideale Firma also aus 'Olympiamannschaften', wie sie im Gewerkschaftsjargon genannt werden: aus gezielt ausgewählten, hoch motivierten, beliebig verfügbaren und - das allerwichtigste - jungen Arbeitskräften? Besonders die Situation in der Montanindustrie gibt Anlass zu dieser Vermutung. Hier haben die Geschäftsleitungen in den letzten Jahrzehnten massiv Stellen gestrichen. Das Durchschnittsalter der Belegschaften in den deutschen Stahlwerken zum Beispiel liegt unter 40 Jahren. In anderen Branchen, wie der Automobilproduktion oder dem Maschinenbau, sieht es ähnlich aus.
Hauptursache ist das frühe Ausscheiden von Arbeitnehmern. In der Vergangenheit haben die Konzernchefs ihr Personal meist 'sozialverträglich' abgebaut: In Übereinstimmung mit dem Betriebsrat verzichteten sie auf Entlassungen; dafür traten umso mehr Arbeitnehmer in den vorzeitigen Ruhestand. Großzügige Sozialpläne führten dazu, dass zum Beispiel Bergleute schon mit Ende 40 'in die Anpassung geschickt' wurden - so lautete die offizielle Bezeichnung.
Der teils erzwungene, teils freiwillige Ausstieg hat Folgen auch für jene, die bleiben. Deutlich weniger als die Hälfte der erwerbsfähigen Bundesbürger über 55 Jahre ist überhaupt noch erwerbstätig. Weil so viele Ältere auf dem Abstellgleis landeten, gibt es in sechs von zehn deutschen Betrieben überhaupt keine Mitarbeiter über 50 mehr. Wer gar auf die 60 zugeht, sieht sich mit dem - schon sprachlich pikanten - Vorwurf konfrontiert, er 'verstopfe' den Arbeitsmarkt. Die Frühverrentung - ein Abführmittel?
In Regionen mit wirtschaftlichen Problemen - etwa im Osten Deutschlands oder auch im Ruhrgebiet - ist so ein völlig neues Arbeitsfeld für Sozialarbeiter entstanden. 'Zwischen Arbeit und Ruhestand', kurz "ZWAR" , nennt sich zum Beispiel eine Dortmunder Initiative, die den Ausgemusterten sinnvolle, wenn auch nicht bezahlte Beschäftigung verschafft: von der Bootsrenovierung über Weiterbildungsangebote bis zum Ehrenamt. Doch dafür interessiert sich nicht jeder.
Der eine widmet sich eben mehr seinem Garten, den er hat, der andere macht ein bisschen mehr am Haus. Und es gibt sehr viele, die in das große tiefe Loch geraten sind. Die haben einen ganz gezielten Plan des Morgens: Der große Treff vor der Theke um halb zehn, der geht dann so bis halb eins, dann wird gegessen, der obligate Mittagsschlaf, und dann geht's noch mal zum Dämmerschoppen. Und das meine ich ist das große Loch bei denen, wo die nicht rauskommen. Ich hab versucht, ein paar loszueisen, aber das ist mir nicht gelungen.
Josef Franken ist einer von Hunderttausenden, die in den neunziger Jahren in den Vorruhestand gegangen sind. Das führte nicht nur zu persönlichen Problemen, sondern belastete auch die Sozialkassen. Mit Hilfe der frühen Verrentung entledigten sich besonders die Großbetriebe überflüssiger Mitarbeiter - zu Lasten der Allgemeinheit, denn den Rentenkassen fehlen gerade die hohen Beiträge der letzten Berufsjahre.
Als Musterbeispiel einer solchen Vorgehensweise gilt der Energiekonzern RWE mit einem umfangreichen Frühverrentungsprogramm. Die Diskussion um die Lage der Rentenkasse zeigt heute, dass so ein Vorgehen problematisch ist. Bert Rürup, der frisch erkorene Chef der gleichnamigen Kommission, wird sich im nächsten Jahr mit Unternehmensvertretern und Gewerkschaften gleichermaßen auseinander zusetzen haben, wenn es um die Frage geht, ob nicht doch "Arbeiten bis 67" die Rentenkassen saniert und die Unternehmen um viele erfahrene Mitarbeiter bereichert:
Es wird natürlich auch Konflikte geben. Ich werde mich aber auch bemühen, konsensuale Ergebnisse hinzubekommen. Aber man muss auch sagen: Ein Konflikt ist nichts Schlimmes!
Bereits 1996 zog der damalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm die Notbremse. Im Konsens mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften einigte man sich stattdessen auf die so genannte "Altersteilzeit."
Wir versprechen uns von dieser Regelung einen Schub für die Teilzeit. Und sie entspricht auch den Bedürfnissen vieler älterer Arbeitnehmer, ihre Arbeitszeit zurückzunehmen, andererseits im betrieblichen Kontakt zu bleiben. Teilzeit ist kein zweitklassiges Arbeitsverhältnis. Sie ist auch nicht an Tagesteilzeit gebunden. Insofern ist Fantasie und Engagement in den Betrieben notwendig!
Blüms Appell an die Fantasie hatte seinen Grund. Denn das Gesetz zur Altersteilzeit, das den alten Vorruhestand abgelöst hat, ist nur eine Art juristischer Rahmen. Branchentarifverträge und Betriebsvereinbarungen regeln die Details. Über 600 solcher Regelungen gibt es mittlerweile. Durchgesetzt hat sich dabei nicht der Ausstieg in Raten, sondern der radikale Schnitt: Mit 55 arbeiten die Älteren zweieinhalb Jahre wie bisher Vollzeit weiter, dann verlassen sie endgültig ihren Arbeitsplatz. Mit 60 werden sie dann offiziell zu Frührentnern. Das einst propagierte 'sanfte' Gleiten ins Alter wird also kaum praktiziert.
Die Arbeitnehmer bevorzugen zwei gleich große Blöcke: Im ersten wird voll und im zweiten gar nicht gearbeitet. Das jedoch war nicht Sinn der Sache gewesen. Bert Rürup hatte einst für Norbert Blüm versucht, die Rentenversicherung zu reformieren und nach diesen Erfahrungen kann er bei Ulla Schmidt eigentlich da weitermachen, wo er aufgehört hatte. In der Sozialversicherung ist der Konflikt zwischen alt und jung quasi systemimmanent, so Rürup:
Sozialreformen können eigentlich nicht im Konsens abgewickelt werden, ein Soziales Sicherungssystem ist keine Kuh, die im Himmel frisst und auf der Erde gemolken wird.
Noch einmal zurück zum Beispiel RWE. Der Essener Energiekonzern, der sich seit seiner Fusion mit dem Dortmunder Ex-Konkurrenten VEW von zuviel Personal belastet fühlt, trennt sich schrittweise von 12.500 Mitarbeitern - ohne eine einzige betriebsbedingte Kündigung, versteht sich. Allein 7000 Arbeitnehmer gehen vorzeitig aufs Altenteil - mit 51 Jahren! Abfindungen und Altersteilzeit-Angebote versüßen den Ausstieg, zunächst einmal aber zahlen die Arbeitsämter. Sie subventionierten diese bundesweit gängige Praxis im letzten Jahr mit gut 500 Millionen Euro.
1,2 Millionen registrierte Arbeitslose in Deutschland sind über 50 Jahre alt. Die Arbeitslosenquoten dieser Altersgruppe sind alarmierend hoch - das hat eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung festgestellt. Sie liegen in Westdeutschland bei rund 20, im Osten gar bei 30 Prozent. Die Forscher interpretieren diese Werte so, dass ein großer Teil der Erfassten dem Arbeitsmarkt gar nicht mehr zur Verfügung steht. Erwerbslosigkeit ist nur ihr offizieller Status, faktisch handelt es sich um eine Vorstufe zur Rente.
Neue Arbeitsplätze, wie erhofft, sind durch die Altersteilzeit kaum entstanden. Das moralische, oft auch von den Gewerkschaften geäußerte Argument, hier werde Platz für Jüngere freigemacht, ist wenig glaubwürdig: Nur jede vierte frei werdende Stelle wird wieder besetzt, in Ostdeutschland sogar nur jede sechste. Wie einst den Vorruhestand nutzen die Unternehmen auch die Altersteilzeit, um die Belegschaften zu verjüngen. Und die Betroffenen gehen keineswegs immer freiwillig. Die Erfahrungen von Karl-Heinz Schulte aus Dortmund können viele ältere Arbeitnehmer bestätigen.
Da wurde in den Betrieben uns Älteren das Gefühl vermittelt: Was ist das herrlich, wenn ihr jetzt mit 55 oder 56 ausscheiden könnt! Meine Kinder studierten noch, es war also nicht so ganz einfach, mit dem Familieneinkommen klarzukommen. Aber jeder, der etwas dagegen sagen wollte, der sagt, das ist eine Sauerei, wir sind doch noch viel zu jung, der wurde gleich abgestempelt: Du nimmst einem Jungen den Arbeitsplatz weg! Das war ein enormer psychologischer Druck.
Der Jugendkult in der Arbeitswelt beschränkt sich keineswegs auf die Industrieproduktion. Erstaunlicherweise gibt es das Phänomen auch in vielen Dienstleistungsberufen: Qualifikationen, die auf langjähriger Praxis beruhen, werden häufig ignoriert oder gering geschätzt. Jung, gut aussehend, keine Falten, keine Geheimratsecken: Die Werbung für Büromöbel, Computer oder Kommunikationsanlagen präsentiert fröhliche Mitarbeiter, die in lichtdurchfluteten Räumen und mit modernster Technik ausgestattet ihren wichtigen Aufgaben nachgehen - dynamisch und konzentriert. Was aber machen diese Menschen in 20 Jahren?
Ältere Arbeitnehmer repräsentieren einen Schatz an Erfahrungswissen, der für ihre Unternehmen sehr wertvoll sein kann. Durch den vorzeitigen Abschied gehe dieser Schatz verloren - so argumentiert die bereits erwähnte DGB-Untersuchung. Die Bundesanstalt für Arbeit wirbt für die Beschäftigung Älterer mit der Aktion '50 plus - Die können es'. An vielen Personalchefs gehen solche Appelle offenbar spurlos vorbei. Sie wollen nicht nur die Fabrikarbeiter loswerden, sondern auch Leute, bei deren Tätigkeit die pure Körperkraft so gut wie keine Rolle spielt.
In der Computerbranche haben ältere Beschäftigte besondere Probleme. Traumkarrieren und fürstliche Gehälter sind in der Welt der Rechner-Spezialisten längst zum Mythos geworden. Das Image ist angekratzt, der Glamour vergangener Jahre verblasst. In der derzeitigen Flaute sind die am wenigsten gefragt, die auf die längste Firmenzugehörigkeit zurückblicken können - und einst die Datenverarbeitung mit viel Engagement aufgebaut haben. Der Angestellte Günter Ellermann ging mit Mitte 50 verfrüht in Rente - und kam mit seiner neuen Lebenssituation nicht zurecht.
Ich hatte mich auf den Ruhestand gefreut. Ich hab eine Arbeit gemacht, die hat mir Spaß gemacht. Ich war im Verlag beschäftigt. Und dann musste ich nach ganz kurzer Zeit feststellen, dass ich mir falsche Vorstellungen gemacht hatte. Da hatte ich gar nicht dran gedacht, dass es dann, wenn man aufhört zu arbeiten, doch aus ist. Aber es war aus.
In der EDV-Branche ist die Halbwertzeit technischer Neuerungen immer kürzer geworden. Die Unternehmensleiter wollen Mitarbeiter, die immer auf dem neuesten Stand sind, die künftige Trends erspüren. Es gibt Softwarehäuser, die Wert darauf legen, dass das Durchschnittsalter ihrer Belegschaft unter 30 Jahren liegt. Große Computerkonzerne wie IBM haben 50-Jährigen mit großzügigen Betriebsrenten den Vorruhestand schmackhaft gemacht. Die Mitarbeiter klagen über eine Art 'Alten-Mobbing': Wichtige Informationen werden ihnen vorenthalten, sie bekommen keine interessante Arbeit mehr oder verlieren bewährte betriebliche Kooperationspartner. Die Gemobbten sind demotiviert und gehen in die innere Emigration.
Manche Firmen schalten dann so genannte "Outplacement-Berater" ein: Experten für den sanften Rausschmiss. Sie umsorgen die ungeliebten Mitarbeiter, bauen ein neues Selbstbewusstsein auf und simulieren Bewerbungssituationen. Auf Wunsch bauen sie auch eine perfekte Kulisse: In den Räumen der Beratungsagentur können überflüssig gewordene Mitarbeiter Briefe diktieren, Daten abrufen oder per Telekommunikation alte Kontakte auffrischen. Für solche eleganten Formen der Verabschiedung zahlen Unternehmen fünf-, manchmal gar sechsstellige Summen pro Arbeitnehmer - allerdings nur, wenn es sich um Führungskräfte handelt.
Nicht nur bei den über 50-jährigen Hightech-Beschäftigten steigt die Erwerbslosigkeit deutlich an. Eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeit kommt in anderen Dienstleistungsbranchen zu ähnlichen Ergebnissen. In der Altersgruppe ab 55 ist ein Fünftel ohne festen Job, ab 60 ist ein Neuanfang als Angestellter der Studie zufolge 'praktisch nicht mehr möglich'. Entweder folgt die Verrentung, oder es ergibt sich die Möglichkeit einer freien Mitarbeit - als Selbstständiger, auf eigenes Risiko und auf eigene Rechnung. Der Chemnitzer Soziologe Günter Voß beschreibt diese Entwicklung:
Ein Teil dieses Wandels ist, dass ganz neue Anforderungen an Arbeitskräfte gestellt werden dahingehend, dass sie verstärkt ihre Tätigkeit selbst organisieren müssen. Das hat ganz unterschiedliche Formen. In normalen Beschäftigungsverhältnissen etwa im Rahmen von Gruppenarbeit oder Profitcentermodellen, aber auch betriebsübergreifend, so genannte Scheinselbständigkeit, in dem auf freie Arbeitskräfte zurückgegriffen wird, die dann sehr selbständig arbeiten, aber das auch können...
Nicht immer versuchen Personalverantwortliche, ältere Angestellte um jeden Preis loszuwerden. Denn die 'alten Hasen' arbeiten häufig abgeklärter als ihre jungen Kollegen. Untermauert werden solche Erfahrungen durch wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Hirnforschung: Die so genannte "kristalline Intelligenz" , die auf Wissen und Erfahrung basiert, erreicht erst im fünften Lebensjahrzehnt ihren Höhepunkt. Lediglich die "fluide Intelligenz", also die Verarbeitungsgeschwindigkeit, geht schon früher zurück. Ältere Menschen, so lautet eine Erkenntnis der Mediziner, können Wichtiges schneller von Unwichtigem trennen. An modernen Arbeitsplätzen, wo viele Informationen gleichzeitig zusammenfließen, ist das eine wichtige Qualifikation.
Langjährige Berufspraxis in diesem Sinne wird vor allem bei Akademikern positiv gewichtet. Weniger attraktiv ist allerdings die ausdauernde Routine bei ein und demselben Arbeitgeber. Die früher übliche lebenslange Anstellung gilt zunehmend als Manko. Das, so heißt es, vermindere die Lernfähigkeit und die geistige Fitness. Zudem sind ältere Arbeitnehmer meist teurer: Der Bundesangestelltentarif BAT zum Beispiel orientiert sich am so genannten "Senioritätsprinzip": Je mehr Berufsjahre, desto besser für das Gehalt - aber desto schlechter die Aussichten, wenn man sich neu bewerben will. Gleiches gilt übrigens auch für Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks......
Aus der Sicht der Arbeitgeber haben jüngere Arbeitnehmer einen weiteren Vorteil: Sie machen mehr Überstunden und sind manchmal geradezu stolz darauf, dass in ihrem Büro abends noch Licht brennt. Viele Ältere dagegen sind die 60-Stunden-Wochen leid, die sie zu Beginn ihrer beruflichen Karriere lange genug leisten mussten. Junge, flexible Mitarbeiter erfüllen die Normen, die sich die Arbeitgeber wünschen - und setzen damit die Älteren unter Druck. 'Ageism' nennen das die US-Amerikaner. Die Benachteiligung von Menschen aufgrund ihres Alters ist jenseits des Atlantik ein großes Thema.
Angesichts von wachsendem Fachkräftemangel und sinkenden Geburtenraten bahnt sich indes eine Trendwende an. Die VEPs, wie die "Very experienced persons" im Englischen genannt werden, kommen zumindest in kaufmännischen und technischen Berufen wieder in Mode.
Das belegen auch die spektakulären Personalwechsel an der Spitze von Großunternehmen wie der Telekom oder bei Bertelsmann, wo jüngere durch ältere Topmanager ersetzt wurden, um die aus dem Ruder geratenen Schiffe wieder auf Kurs zu bekommen. Die Unternehmensleiter schätzen die Loyalität und Zuverlässigkeit sowie den abgeklärten Arbeitsstil der 'alten Hasen'. Zumindest ein Teil der Firmenchefs beginnt umzudenken. Sie sind überzeugt, dass es sich lohnt, auf das Erfahrungswissen der Älteren zu bauen. Denn nur so lassen sich die durch den demografischen Wandel verursachten Personalengpässe der Zukunft vermeiden.
Und die aktuelle Lage der Rentenkassen zeigt, dass es nicht so weiter gehen kann: Bert Rürup, der Chef der neuen Reformkommission, hat bereits ein verlängertes Renteneintrittsalter in die Diskussion gebracht. Er dachte dabei vor allem an die Sanierung der Finanzen der Sozialversicherung. Was aber auch zu Buche schlagen dürfte in den Bilanzen der Unternehmen: Die Chance, jenem Jugendkult etwas entgegen zu setzen, der als Begleiterscheinung harter körperlicher Arbeit in der Industriegesellschaft entstanden ist. In der Wissensgesellschaft macht "forever young" auch ökonomisch immer weniger Sinn.
Niemand käme auf die Idee, an der Belastungsfähigkeit von Politikern ausgerechnet wegen ihres Alters zu zweifeln. Ganz im Gegenteil: Der neue Superminister Wolfgang Clement ist vom Kanzler gerufen worden, weil dieser auf der Suche ist nach Erfahrung im Kabinett. Auf dem normalen Arbeitsmarkt dagegen wäre der Wirtschaftsminister ein Problemfall. Die Sachbearbeiter im Arbeitsamt hätten ihn längst abgeschrieben. Und in manchem Unternehmen würde der Aufsichtsrat auf Ablösung drängen. Zumindest mit Teilzeit fließend in die Rente.......
Die politische Machtelite wird nicht nur in Deutschland von Männern jenseits der 50 dominiert. Für einen besonders angesehenen 'politischen Beruf' ist dabei ein hohes Alter geradezu die Einstellungsvoraussetzung: Zum Bundespräsidenten wurde hierzulande bisher stets ein älterer Herr mit grauen Haaren gewählt. Mindestens 40 Jahre alt muss er sogar offiziell sein - sonst kann er nämlich nicht für dieses Amt kandidieren. Ronald Reagan oder Konrad Adenauer bilden so besehen nur die Extreme: In der Welt der Politik tummeln sich in der Tat vornehmlich die Geronten, die Mitglieder der so genannten Gerusia - so nannte man vor über 2000 Jahren den Rat der Alten im griechischen Sparta.
Die Situation in der Wirtschaft ist meist völlig anders. Dort dienen Ältere als 'flexibler Puffer' - das jedenfalls behauptet der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB in einer Studie. Ausgegrenzt werden Mitarbeiter ab Mitte 40 vor allem an Industriearbeitsplätzen - überall dort, wo körperliche Kraft und Ausdauer noch eine Rolle spielen. Doch der Jugendkult reicht darüber hinaus, glaubt der Soziologe Günter Voß. Er ist Professor an der Technischen Universität in Chemnitz.
Das geht mittlerweile sehr weit runter, also auch unterhalb der Ebene von Experten und Führungskräften. Die Leute müssen sich innerhalb ihres Betriebes, in dem sie angestellt sind, permanent neu vermarkten. Also die Devise heißt dann: Sie können so lange hier bleiben, wie Sie nachweisen, dass Sie gebraucht werden und Profit erwirtschaften.
Besteht die ideale Firma also aus 'Olympiamannschaften', wie sie im Gewerkschaftsjargon genannt werden: aus gezielt ausgewählten, hoch motivierten, beliebig verfügbaren und - das allerwichtigste - jungen Arbeitskräften? Besonders die Situation in der Montanindustrie gibt Anlass zu dieser Vermutung. Hier haben die Geschäftsleitungen in den letzten Jahrzehnten massiv Stellen gestrichen. Das Durchschnittsalter der Belegschaften in den deutschen Stahlwerken zum Beispiel liegt unter 40 Jahren. In anderen Branchen, wie der Automobilproduktion oder dem Maschinenbau, sieht es ähnlich aus.
Hauptursache ist das frühe Ausscheiden von Arbeitnehmern. In der Vergangenheit haben die Konzernchefs ihr Personal meist 'sozialverträglich' abgebaut: In Übereinstimmung mit dem Betriebsrat verzichteten sie auf Entlassungen; dafür traten umso mehr Arbeitnehmer in den vorzeitigen Ruhestand. Großzügige Sozialpläne führten dazu, dass zum Beispiel Bergleute schon mit Ende 40 'in die Anpassung geschickt' wurden - so lautete die offizielle Bezeichnung.
Der teils erzwungene, teils freiwillige Ausstieg hat Folgen auch für jene, die bleiben. Deutlich weniger als die Hälfte der erwerbsfähigen Bundesbürger über 55 Jahre ist überhaupt noch erwerbstätig. Weil so viele Ältere auf dem Abstellgleis landeten, gibt es in sechs von zehn deutschen Betrieben überhaupt keine Mitarbeiter über 50 mehr. Wer gar auf die 60 zugeht, sieht sich mit dem - schon sprachlich pikanten - Vorwurf konfrontiert, er 'verstopfe' den Arbeitsmarkt. Die Frühverrentung - ein Abführmittel?
In Regionen mit wirtschaftlichen Problemen - etwa im Osten Deutschlands oder auch im Ruhrgebiet - ist so ein völlig neues Arbeitsfeld für Sozialarbeiter entstanden. 'Zwischen Arbeit und Ruhestand', kurz "ZWAR" , nennt sich zum Beispiel eine Dortmunder Initiative, die den Ausgemusterten sinnvolle, wenn auch nicht bezahlte Beschäftigung verschafft: von der Bootsrenovierung über Weiterbildungsangebote bis zum Ehrenamt. Doch dafür interessiert sich nicht jeder.
Der eine widmet sich eben mehr seinem Garten, den er hat, der andere macht ein bisschen mehr am Haus. Und es gibt sehr viele, die in das große tiefe Loch geraten sind. Die haben einen ganz gezielten Plan des Morgens: Der große Treff vor der Theke um halb zehn, der geht dann so bis halb eins, dann wird gegessen, der obligate Mittagsschlaf, und dann geht's noch mal zum Dämmerschoppen. Und das meine ich ist das große Loch bei denen, wo die nicht rauskommen. Ich hab versucht, ein paar loszueisen, aber das ist mir nicht gelungen.
Josef Franken ist einer von Hunderttausenden, die in den neunziger Jahren in den Vorruhestand gegangen sind. Das führte nicht nur zu persönlichen Problemen, sondern belastete auch die Sozialkassen. Mit Hilfe der frühen Verrentung entledigten sich besonders die Großbetriebe überflüssiger Mitarbeiter - zu Lasten der Allgemeinheit, denn den Rentenkassen fehlen gerade die hohen Beiträge der letzten Berufsjahre.
Als Musterbeispiel einer solchen Vorgehensweise gilt der Energiekonzern RWE mit einem umfangreichen Frühverrentungsprogramm. Die Diskussion um die Lage der Rentenkasse zeigt heute, dass so ein Vorgehen problematisch ist. Bert Rürup, der frisch erkorene Chef der gleichnamigen Kommission, wird sich im nächsten Jahr mit Unternehmensvertretern und Gewerkschaften gleichermaßen auseinander zusetzen haben, wenn es um die Frage geht, ob nicht doch "Arbeiten bis 67" die Rentenkassen saniert und die Unternehmen um viele erfahrene Mitarbeiter bereichert:
Es wird natürlich auch Konflikte geben. Ich werde mich aber auch bemühen, konsensuale Ergebnisse hinzubekommen. Aber man muss auch sagen: Ein Konflikt ist nichts Schlimmes!
Bereits 1996 zog der damalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm die Notbremse. Im Konsens mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften einigte man sich stattdessen auf die so genannte "Altersteilzeit."
Wir versprechen uns von dieser Regelung einen Schub für die Teilzeit. Und sie entspricht auch den Bedürfnissen vieler älterer Arbeitnehmer, ihre Arbeitszeit zurückzunehmen, andererseits im betrieblichen Kontakt zu bleiben. Teilzeit ist kein zweitklassiges Arbeitsverhältnis. Sie ist auch nicht an Tagesteilzeit gebunden. Insofern ist Fantasie und Engagement in den Betrieben notwendig!
Blüms Appell an die Fantasie hatte seinen Grund. Denn das Gesetz zur Altersteilzeit, das den alten Vorruhestand abgelöst hat, ist nur eine Art juristischer Rahmen. Branchentarifverträge und Betriebsvereinbarungen regeln die Details. Über 600 solcher Regelungen gibt es mittlerweile. Durchgesetzt hat sich dabei nicht der Ausstieg in Raten, sondern der radikale Schnitt: Mit 55 arbeiten die Älteren zweieinhalb Jahre wie bisher Vollzeit weiter, dann verlassen sie endgültig ihren Arbeitsplatz. Mit 60 werden sie dann offiziell zu Frührentnern. Das einst propagierte 'sanfte' Gleiten ins Alter wird also kaum praktiziert.
Die Arbeitnehmer bevorzugen zwei gleich große Blöcke: Im ersten wird voll und im zweiten gar nicht gearbeitet. Das jedoch war nicht Sinn der Sache gewesen. Bert Rürup hatte einst für Norbert Blüm versucht, die Rentenversicherung zu reformieren und nach diesen Erfahrungen kann er bei Ulla Schmidt eigentlich da weitermachen, wo er aufgehört hatte. In der Sozialversicherung ist der Konflikt zwischen alt und jung quasi systemimmanent, so Rürup:
Sozialreformen können eigentlich nicht im Konsens abgewickelt werden, ein Soziales Sicherungssystem ist keine Kuh, die im Himmel frisst und auf der Erde gemolken wird.
Noch einmal zurück zum Beispiel RWE. Der Essener Energiekonzern, der sich seit seiner Fusion mit dem Dortmunder Ex-Konkurrenten VEW von zuviel Personal belastet fühlt, trennt sich schrittweise von 12.500 Mitarbeitern - ohne eine einzige betriebsbedingte Kündigung, versteht sich. Allein 7000 Arbeitnehmer gehen vorzeitig aufs Altenteil - mit 51 Jahren! Abfindungen und Altersteilzeit-Angebote versüßen den Ausstieg, zunächst einmal aber zahlen die Arbeitsämter. Sie subventionierten diese bundesweit gängige Praxis im letzten Jahr mit gut 500 Millionen Euro.
1,2 Millionen registrierte Arbeitslose in Deutschland sind über 50 Jahre alt. Die Arbeitslosenquoten dieser Altersgruppe sind alarmierend hoch - das hat eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung festgestellt. Sie liegen in Westdeutschland bei rund 20, im Osten gar bei 30 Prozent. Die Forscher interpretieren diese Werte so, dass ein großer Teil der Erfassten dem Arbeitsmarkt gar nicht mehr zur Verfügung steht. Erwerbslosigkeit ist nur ihr offizieller Status, faktisch handelt es sich um eine Vorstufe zur Rente.
Neue Arbeitsplätze, wie erhofft, sind durch die Altersteilzeit kaum entstanden. Das moralische, oft auch von den Gewerkschaften geäußerte Argument, hier werde Platz für Jüngere freigemacht, ist wenig glaubwürdig: Nur jede vierte frei werdende Stelle wird wieder besetzt, in Ostdeutschland sogar nur jede sechste. Wie einst den Vorruhestand nutzen die Unternehmen auch die Altersteilzeit, um die Belegschaften zu verjüngen. Und die Betroffenen gehen keineswegs immer freiwillig. Die Erfahrungen von Karl-Heinz Schulte aus Dortmund können viele ältere Arbeitnehmer bestätigen.
Da wurde in den Betrieben uns Älteren das Gefühl vermittelt: Was ist das herrlich, wenn ihr jetzt mit 55 oder 56 ausscheiden könnt! Meine Kinder studierten noch, es war also nicht so ganz einfach, mit dem Familieneinkommen klarzukommen. Aber jeder, der etwas dagegen sagen wollte, der sagt, das ist eine Sauerei, wir sind doch noch viel zu jung, der wurde gleich abgestempelt: Du nimmst einem Jungen den Arbeitsplatz weg! Das war ein enormer psychologischer Druck.
Der Jugendkult in der Arbeitswelt beschränkt sich keineswegs auf die Industrieproduktion. Erstaunlicherweise gibt es das Phänomen auch in vielen Dienstleistungsberufen: Qualifikationen, die auf langjähriger Praxis beruhen, werden häufig ignoriert oder gering geschätzt. Jung, gut aussehend, keine Falten, keine Geheimratsecken: Die Werbung für Büromöbel, Computer oder Kommunikationsanlagen präsentiert fröhliche Mitarbeiter, die in lichtdurchfluteten Räumen und mit modernster Technik ausgestattet ihren wichtigen Aufgaben nachgehen - dynamisch und konzentriert. Was aber machen diese Menschen in 20 Jahren?
Ältere Arbeitnehmer repräsentieren einen Schatz an Erfahrungswissen, der für ihre Unternehmen sehr wertvoll sein kann. Durch den vorzeitigen Abschied gehe dieser Schatz verloren - so argumentiert die bereits erwähnte DGB-Untersuchung. Die Bundesanstalt für Arbeit wirbt für die Beschäftigung Älterer mit der Aktion '50 plus - Die können es'. An vielen Personalchefs gehen solche Appelle offenbar spurlos vorbei. Sie wollen nicht nur die Fabrikarbeiter loswerden, sondern auch Leute, bei deren Tätigkeit die pure Körperkraft so gut wie keine Rolle spielt.
In der Computerbranche haben ältere Beschäftigte besondere Probleme. Traumkarrieren und fürstliche Gehälter sind in der Welt der Rechner-Spezialisten längst zum Mythos geworden. Das Image ist angekratzt, der Glamour vergangener Jahre verblasst. In der derzeitigen Flaute sind die am wenigsten gefragt, die auf die längste Firmenzugehörigkeit zurückblicken können - und einst die Datenverarbeitung mit viel Engagement aufgebaut haben. Der Angestellte Günter Ellermann ging mit Mitte 50 verfrüht in Rente - und kam mit seiner neuen Lebenssituation nicht zurecht.
Ich hatte mich auf den Ruhestand gefreut. Ich hab eine Arbeit gemacht, die hat mir Spaß gemacht. Ich war im Verlag beschäftigt. Und dann musste ich nach ganz kurzer Zeit feststellen, dass ich mir falsche Vorstellungen gemacht hatte. Da hatte ich gar nicht dran gedacht, dass es dann, wenn man aufhört zu arbeiten, doch aus ist. Aber es war aus.
In der EDV-Branche ist die Halbwertzeit technischer Neuerungen immer kürzer geworden. Die Unternehmensleiter wollen Mitarbeiter, die immer auf dem neuesten Stand sind, die künftige Trends erspüren. Es gibt Softwarehäuser, die Wert darauf legen, dass das Durchschnittsalter ihrer Belegschaft unter 30 Jahren liegt. Große Computerkonzerne wie IBM haben 50-Jährigen mit großzügigen Betriebsrenten den Vorruhestand schmackhaft gemacht. Die Mitarbeiter klagen über eine Art 'Alten-Mobbing': Wichtige Informationen werden ihnen vorenthalten, sie bekommen keine interessante Arbeit mehr oder verlieren bewährte betriebliche Kooperationspartner. Die Gemobbten sind demotiviert und gehen in die innere Emigration.
Manche Firmen schalten dann so genannte "Outplacement-Berater" ein: Experten für den sanften Rausschmiss. Sie umsorgen die ungeliebten Mitarbeiter, bauen ein neues Selbstbewusstsein auf und simulieren Bewerbungssituationen. Auf Wunsch bauen sie auch eine perfekte Kulisse: In den Räumen der Beratungsagentur können überflüssig gewordene Mitarbeiter Briefe diktieren, Daten abrufen oder per Telekommunikation alte Kontakte auffrischen. Für solche eleganten Formen der Verabschiedung zahlen Unternehmen fünf-, manchmal gar sechsstellige Summen pro Arbeitnehmer - allerdings nur, wenn es sich um Führungskräfte handelt.
Nicht nur bei den über 50-jährigen Hightech-Beschäftigten steigt die Erwerbslosigkeit deutlich an. Eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeit kommt in anderen Dienstleistungsbranchen zu ähnlichen Ergebnissen. In der Altersgruppe ab 55 ist ein Fünftel ohne festen Job, ab 60 ist ein Neuanfang als Angestellter der Studie zufolge 'praktisch nicht mehr möglich'. Entweder folgt die Verrentung, oder es ergibt sich die Möglichkeit einer freien Mitarbeit - als Selbstständiger, auf eigenes Risiko und auf eigene Rechnung. Der Chemnitzer Soziologe Günter Voß beschreibt diese Entwicklung:
Ein Teil dieses Wandels ist, dass ganz neue Anforderungen an Arbeitskräfte gestellt werden dahingehend, dass sie verstärkt ihre Tätigkeit selbst organisieren müssen. Das hat ganz unterschiedliche Formen. In normalen Beschäftigungsverhältnissen etwa im Rahmen von Gruppenarbeit oder Profitcentermodellen, aber auch betriebsübergreifend, so genannte Scheinselbständigkeit, in dem auf freie Arbeitskräfte zurückgegriffen wird, die dann sehr selbständig arbeiten, aber das auch können...
Nicht immer versuchen Personalverantwortliche, ältere Angestellte um jeden Preis loszuwerden. Denn die 'alten Hasen' arbeiten häufig abgeklärter als ihre jungen Kollegen. Untermauert werden solche Erfahrungen durch wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Hirnforschung: Die so genannte "kristalline Intelligenz" , die auf Wissen und Erfahrung basiert, erreicht erst im fünften Lebensjahrzehnt ihren Höhepunkt. Lediglich die "fluide Intelligenz", also die Verarbeitungsgeschwindigkeit, geht schon früher zurück. Ältere Menschen, so lautet eine Erkenntnis der Mediziner, können Wichtiges schneller von Unwichtigem trennen. An modernen Arbeitsplätzen, wo viele Informationen gleichzeitig zusammenfließen, ist das eine wichtige Qualifikation.
Langjährige Berufspraxis in diesem Sinne wird vor allem bei Akademikern positiv gewichtet. Weniger attraktiv ist allerdings die ausdauernde Routine bei ein und demselben Arbeitgeber. Die früher übliche lebenslange Anstellung gilt zunehmend als Manko. Das, so heißt es, vermindere die Lernfähigkeit und die geistige Fitness. Zudem sind ältere Arbeitnehmer meist teurer: Der Bundesangestelltentarif BAT zum Beispiel orientiert sich am so genannten "Senioritätsprinzip": Je mehr Berufsjahre, desto besser für das Gehalt - aber desto schlechter die Aussichten, wenn man sich neu bewerben will. Gleiches gilt übrigens auch für Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks......
Aus der Sicht der Arbeitgeber haben jüngere Arbeitnehmer einen weiteren Vorteil: Sie machen mehr Überstunden und sind manchmal geradezu stolz darauf, dass in ihrem Büro abends noch Licht brennt. Viele Ältere dagegen sind die 60-Stunden-Wochen leid, die sie zu Beginn ihrer beruflichen Karriere lange genug leisten mussten. Junge, flexible Mitarbeiter erfüllen die Normen, die sich die Arbeitgeber wünschen - und setzen damit die Älteren unter Druck. 'Ageism' nennen das die US-Amerikaner. Die Benachteiligung von Menschen aufgrund ihres Alters ist jenseits des Atlantik ein großes Thema.
Angesichts von wachsendem Fachkräftemangel und sinkenden Geburtenraten bahnt sich indes eine Trendwende an. Die VEPs, wie die "Very experienced persons" im Englischen genannt werden, kommen zumindest in kaufmännischen und technischen Berufen wieder in Mode.
Das belegen auch die spektakulären Personalwechsel an der Spitze von Großunternehmen wie der Telekom oder bei Bertelsmann, wo jüngere durch ältere Topmanager ersetzt wurden, um die aus dem Ruder geratenen Schiffe wieder auf Kurs zu bekommen. Die Unternehmensleiter schätzen die Loyalität und Zuverlässigkeit sowie den abgeklärten Arbeitsstil der 'alten Hasen'. Zumindest ein Teil der Firmenchefs beginnt umzudenken. Sie sind überzeugt, dass es sich lohnt, auf das Erfahrungswissen der Älteren zu bauen. Denn nur so lassen sich die durch den demografischen Wandel verursachten Personalengpässe der Zukunft vermeiden.
Und die aktuelle Lage der Rentenkassen zeigt, dass es nicht so weiter gehen kann: Bert Rürup, der Chef der neuen Reformkommission, hat bereits ein verlängertes Renteneintrittsalter in die Diskussion gebracht. Er dachte dabei vor allem an die Sanierung der Finanzen der Sozialversicherung. Was aber auch zu Buche schlagen dürfte in den Bilanzen der Unternehmen: Die Chance, jenem Jugendkult etwas entgegen zu setzen, der als Begleiterscheinung harter körperlicher Arbeit in der Industriegesellschaft entstanden ist. In der Wissensgesellschaft macht "forever young" auch ökonomisch immer weniger Sinn.