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Wer gibt die Route vor?

Trotz Rettungsbemühungen verliert der Euro tagtäglich an Wert und die Sorge wächst, dass sich die Schuldenkrise ausbreiten könnte. In dieser Stimmungslage besucht der französische Präsident Nicolas Sarkozy Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es gilt, den EU-Gipfel Mitte des Monats vorzubereiten.

Von Burkhard Birke |
    Sie habe bei der Griechenlandkrise zu langsam reagiert, er presche stets zu schnell vor. Sie habe im Alleingang Leerverkäufe von Staatsanleihen verboten, er habe EZB Präsident Trichet genötigt, die faulen Anleihen französischer Banken zu kaufen.

    Er feiert die Einführung einer europäischen Wirtschaftsregierung nach dem letzten EU-Gipfel, sie hat allenfalls den Stabilitätspakt erweitert. Und beiden steht das Wasser zu Hause bis zum Hals. Immerhin diese eine Gemeinsamkeit ist beim ungleichen Paar Angela Merkel und Nicolas Sarkozy festzustellen.

    "Rien ne va plus" – nie war die Beziehung zwischen den beiden Hauptakteuren der deutsch-französischen Achse so schlecht wie heute, unken die Kommentatoren und Auguren. Kanzlerin und Präsident wollen sie heute wohl eines Besseren belehren. Denn beide eint auch das Wissen darum, dass ohne deutsch-französische Gemeinsamkeit der europäische Motor stottert. In Zeiten, da namhafte Ökonomen gerade den Euro totsagen, ihm höchsten noch fünf Jahre in der derzeitigen Konstellation geben und die unerwarteten Haushaltslöcher des Nicht-Euro-Landes Ungarn den Druck auf die Einheitswährung erhöht hat, ist Eile geboten. Der Wettlauf gegen die Spekulanten hat längst begonnen.

    Die dreckige Wäsche wird zu Hause und im persönlichen Gespräch gewaschen. Wichtige Treffen gilt es vorzubereiten: EU sowie die G8 und G20-Gipfel.

    Hauptziel: Endlich die immer wieder geforderten und angekündigten Finanzmarktregulierungen auf den Weg zu bringen; den EURO zu stabilisieren.

    Die ungeschickten Äußerungen des französischen Premierministers kommen da wenig gelegen. Er sähe nämlich nur gute Nachrichten in der Parität zwischen Dollar und EURO, hatte Francois Fillon mit Blick auf die Exporte betont: Leider aber das Wort Parität mit Wechselkurs verwechselt und damit den Gleichstand zwischen Euro und Dollar eins zu eins suggeriert!

    Offensichtlich ist: Frankreich, das ein chronisches Handelsbilanzdefizit aufweist, hofft jetzt bei den Ausfuhren von der Euro-Schwäche zu profitieren.

    Deutschland war bis vor Kurzem auch bei starkem Euro Exportweltmeister – dank niedriger Lohnkosten und hoher Wettbewerbsfähigkeit. Auch daran wird die unterschiedliche Ausrichtung der Länder erkenntlich. Für die Deutschen bleibt die Unabhängigkeit der Zentralbank ein unantastbares Gut. Sarkozy hat diese Unabhängigkeit nun geknackt, indem die EZB neuerdings Staatsanleihen aufkauft: Damit saniert Frankreich jetzt seine Banken und Versicherungen, die bis zu 80 Milliarden Euro an griechischen Papieren gehalten haben sollen, fast doppelt so viel wie deutsche Institute. Damit reagiert die Zentralbank auf Druck der Politik: Und geht es nach Sarkozy, sollte die Politik noch viel stärker Einfluss nehmen, ohne dass andere Länder Frankreichs Budget jedoch vorher absegnen sollen – so weit geht die Kontrolle nun doch nicht. Frankreichs Präsident glaubt auf alle Fälle, die europäische Wirtschaftsregierung schon in der Tasche zu haben.

    In der Tat braucht die EU, brauchen insbesondere die Euro-Länder eine gezielte Abstimmung ihrer Politik: Die Frage lautet nur, wer gibt die Route vor?

    Wie viel Sparsamkeit verkraften und wie viel Expansion brauchen die europäischen Volkswirtschaften? Die Deutschen, und diese Sorge treibt Kanzlerin Merkel immer wieder aufs Neue um, müssen immer wieder in die Schatulle greifen, um den europäischen Sorgenkindern finanziell unter die Arme zu greifen. Denn nach Griechenland haben sich die Spekulanten längst auf Spanien eingeschossen, Portugal und Irland stehen ohnehin auf der Liste: Ungarn ist jetzt noch dazugekommen, obwohl es nicht der Euro-Zone angehört! Vor diesem Hintergrund bleibt Merkel und Sarkozy keine Wahl als sich im Schulterschluss zu üben. Ob es ihnen jedoch angesichts britischer und US-amerikanischer Zurückhaltung gelingt, mit einem erneuten Vorstoß endlich die Transparenz und Spielregeln auf die Finanzmärkte zu bringen, die dem munteren Treiben der Spekulanten Grenzen setzen? Da müsste man sich erst Mal über ein gemeinsames Verbot von Leerverkäufen einig werden!

    Gleichzeitig üben sich beide Länder in Selbstdisziplin: Angesichts von acht Prozent Neuverschuldung überlegt man in Frankreich sogar, dem deutschen Beispiel einer Schuldenbremse per Verfassung nachzueifern. Wie viel solche Verpflichtungen taugen, hat jedoch die laxe Interpretation der Stabilitätskriterien gerade auch durch Frankreich und Deutschland in der Vergangenheit bewiesen: Man wollte sich natürlich nicht selbst bestrafen. Die mangelnde Disziplin früherer Jahre muss jetzt jedoch teuer bezahlt werden. Vielleicht fällt Merkel und Sarkozy auch dazu etwas ein?