Hüttmann: Guten Tag.
Honecker: Herr Hüttmann, wer interessiert sich denn noch in der wissenschaftlichen Gemeinschaft für den Forschungsgegenstand DDR?
Hüttmann: Nun, zunächst einmal kann man vielleicht sagen, dass sich in den neunziger Jahren sehr viele für die DDR-Geschichte interessiert haben und es ist sehr viel Forschung gelaufen über die DDR. Es gibt also Zahlen, die in etwa davon ausgehen, dass es insgesamt in über tausend Forschungsprojekte zur DDR-Geschichte in den neunziger Jahren und Anfang der zweitausender Jahre gab und dass sozusagen hier gerade ein Wendepunkt abzeichnet. Das war eine Ausgangsvermutung unserer Studie.
Honecker: Das heißt, das Interesse hat jetzt mit dem neuen Jahrtausend schlagartig abgenommen?
Hüttmann: Schlagartig kann man wohl nicht sagen. Wir hatten in einer Vorgängerstudie am Institut für Hochschulforschung herausgefunden, dass es eigentlich Mitte der neunziger Jahre eine Art Höhepunkt des Interesses an DDR-Geschichte in der universitären Lehre gab und dass es jeweils am Anfang und Ende der neunziger Jahre eine deutlich niedrigere Beschäftigung mit dem Thema gab und dass eigentlich, wenn man es graphisch ausgedrückt hat, so eine Art Glocke herausgekommen ist, wo sozusagen die Spitze eben die Mitte der neunziger Jahre darstellt.
Honecker: Woran liegt das denn? Weshalb nimmt das Interesse an der DDR ab?
Hüttmann: Nun, einerseits gehen einige Wissenschaftler davon aus, dass es bisher viel Forschung bereits gegeben hat und dass wesentliche Bestandteile von DDR-Geschichte uns eigentlich mittlerweile bekannt sind nach fünfzehn Jahren und dass es jetzt eher darauf ankommt, die DDR als Vergleichsfall zu betrachten, beziehungsweise die DDR-Geschichte in Beziehung zu setzten etwa mit der Geschichte der Bundesrepublik nach 45.
Honecker: Das heißt also, man kann die DDR als Unikat abheften, also sie jetzt schon so historisieren?
Hüttmann: Keineswegs würde ich sagen, es gibt nämlich eine ebenso relevante Anzahl von Akteuren, die davon ausgehen, dass die wissenschaftliche Aufarbeitung oder Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte ein gesellschaftlich wichtiges Thema auch für die Gegenwart ist und aus dieser Perspektive kann es auch so erscheinen, dass wir eigentlich erst am Anfang der Erforschung der DDR-Geschichte stehen und dass es eben jetzt darauf ankommt, die ersten Forschungsergebnisse populär zu machen, dass also die Erkenntnisse, die über die DDR gewonnen wurden, in den historischen Unterricht an den Schulen eingehen, genauso wie die Beschäftigung mit der DDR in der politischen Bildung.
Honecker: Der Soziologe Max Weber hat ja bereits Anfang des vergangenen Jahrhunderts darauf hingewiesen, dass Objektivität besser in Anführungsstriche gesetzt werden sollte. Bei einem Thema wie der DDR, welches Lebenswelt der einen und zumindest teilweise Feindbild der anderen war, wie ist denn da eine objektive Herangehensweise möglich?
Hüttmann: Ich würde sagen, es ist auf jeden Fall eine, zumindest erst mal als Arbeitsgrundlage vielleicht eine Annäherung an Objektivität möglich. Ich würde aber grundsätzlich eben zu Anfang eigentlich den Punkt stark machen, Wissenschaft ist immer Standort gebunden. Und mit dieser Standortgebundenheit von Wissenschaft hängen eben aktuelle Befindlichkeiten, Wertvorstellungen darüber, wie oder was Kultur ist, wie sie funktioniert, wie sie vielleicht verändert werden sollte, dass es also auch immer eine gegenwartsbezogener Punkt von Wissenschaft gibt und dass es also insofern unterschiedliche Perspektiven über die DDR-Geschichte gibt. Es gibt unterschiedliche Erzählungen, die würde ich auch sagen, sehr stark miteinander in Konflikt geraten können und dass mit diesen Deutungskonflikten um DDR-Geschichte eben eigentlich auch immer der Anspruch einhergeht, die eigenen Deutungskompetenz über DDR-Geschichte zu erlangen und dafür sind eben auch aktuelle, häufig auch gesellschaftspolitische Punkte sehr wichtig.
Honecker: Aber die Leitkultur, wenn ich diesen Begriff verwenden darf, ist ja inzwischen eindeutig die westdeutsche. Viele ehemalige DDR-Wissenschaftler sind nicht mehr tätig, ist es denn da wirklich möglich, diese beiden Standpunkte wirklich gleich zu betrachten?
Hüttmann: Es ist möglicherweise deswegen auch schwierig, weil und das wird auch zum Teil beklagt, auch, könnte man vielleicht sagen aus einer westdeutschen Wahrnehmungsweise, es eben gar nicht so viel Forschung über die Geschichte der Bundesrepublik nach 45 gibt wie über die Geschichte der DDR und dass es eigentlich zukünftig darauf ankommt, eine, so hat es Christoph Kleßmann mal genannt, eine asymmetrisch verflochtene Parallelgeschichte Deutschlands zu schreiben, in der es immer um die Wechselseitigkeiten und die wechselseitigen Beziehungen der beiden deutschen Staaten untereinander geht und das Problem ist eben dabei, dass es in einigen Feldern so ist, dass es schon viel über die DDR gibt, aber wenig über die Bundesrepublik.
Honecker: Jens Hüttmann, Autor der Studie, "Die gelehrte DDR und ihre Akteure", herausgegeben vom Institut für Hochschulforschung in Wittenberg.
Die Publikation kann als PDF-Datei Die gelehrte DDR heruntergeladen oder in der Printversion beim Institut bezogen werden:
Telefon: 03491/466-254
Telefax: 03491/466-255
Email: institut@hof.uni-halle.de
Honecker: Herr Hüttmann, wer interessiert sich denn noch in der wissenschaftlichen Gemeinschaft für den Forschungsgegenstand DDR?
Hüttmann: Nun, zunächst einmal kann man vielleicht sagen, dass sich in den neunziger Jahren sehr viele für die DDR-Geschichte interessiert haben und es ist sehr viel Forschung gelaufen über die DDR. Es gibt also Zahlen, die in etwa davon ausgehen, dass es insgesamt in über tausend Forschungsprojekte zur DDR-Geschichte in den neunziger Jahren und Anfang der zweitausender Jahre gab und dass sozusagen hier gerade ein Wendepunkt abzeichnet. Das war eine Ausgangsvermutung unserer Studie.
Honecker: Das heißt, das Interesse hat jetzt mit dem neuen Jahrtausend schlagartig abgenommen?
Hüttmann: Schlagartig kann man wohl nicht sagen. Wir hatten in einer Vorgängerstudie am Institut für Hochschulforschung herausgefunden, dass es eigentlich Mitte der neunziger Jahre eine Art Höhepunkt des Interesses an DDR-Geschichte in der universitären Lehre gab und dass es jeweils am Anfang und Ende der neunziger Jahre eine deutlich niedrigere Beschäftigung mit dem Thema gab und dass eigentlich, wenn man es graphisch ausgedrückt hat, so eine Art Glocke herausgekommen ist, wo sozusagen die Spitze eben die Mitte der neunziger Jahre darstellt.
Honecker: Woran liegt das denn? Weshalb nimmt das Interesse an der DDR ab?
Hüttmann: Nun, einerseits gehen einige Wissenschaftler davon aus, dass es bisher viel Forschung bereits gegeben hat und dass wesentliche Bestandteile von DDR-Geschichte uns eigentlich mittlerweile bekannt sind nach fünfzehn Jahren und dass es jetzt eher darauf ankommt, die DDR als Vergleichsfall zu betrachten, beziehungsweise die DDR-Geschichte in Beziehung zu setzten etwa mit der Geschichte der Bundesrepublik nach 45.
Honecker: Das heißt also, man kann die DDR als Unikat abheften, also sie jetzt schon so historisieren?
Hüttmann: Keineswegs würde ich sagen, es gibt nämlich eine ebenso relevante Anzahl von Akteuren, die davon ausgehen, dass die wissenschaftliche Aufarbeitung oder Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte ein gesellschaftlich wichtiges Thema auch für die Gegenwart ist und aus dieser Perspektive kann es auch so erscheinen, dass wir eigentlich erst am Anfang der Erforschung der DDR-Geschichte stehen und dass es eben jetzt darauf ankommt, die ersten Forschungsergebnisse populär zu machen, dass also die Erkenntnisse, die über die DDR gewonnen wurden, in den historischen Unterricht an den Schulen eingehen, genauso wie die Beschäftigung mit der DDR in der politischen Bildung.
Honecker: Der Soziologe Max Weber hat ja bereits Anfang des vergangenen Jahrhunderts darauf hingewiesen, dass Objektivität besser in Anführungsstriche gesetzt werden sollte. Bei einem Thema wie der DDR, welches Lebenswelt der einen und zumindest teilweise Feindbild der anderen war, wie ist denn da eine objektive Herangehensweise möglich?
Hüttmann: Ich würde sagen, es ist auf jeden Fall eine, zumindest erst mal als Arbeitsgrundlage vielleicht eine Annäherung an Objektivität möglich. Ich würde aber grundsätzlich eben zu Anfang eigentlich den Punkt stark machen, Wissenschaft ist immer Standort gebunden. Und mit dieser Standortgebundenheit von Wissenschaft hängen eben aktuelle Befindlichkeiten, Wertvorstellungen darüber, wie oder was Kultur ist, wie sie funktioniert, wie sie vielleicht verändert werden sollte, dass es also auch immer eine gegenwartsbezogener Punkt von Wissenschaft gibt und dass es also insofern unterschiedliche Perspektiven über die DDR-Geschichte gibt. Es gibt unterschiedliche Erzählungen, die würde ich auch sagen, sehr stark miteinander in Konflikt geraten können und dass mit diesen Deutungskonflikten um DDR-Geschichte eben eigentlich auch immer der Anspruch einhergeht, die eigenen Deutungskompetenz über DDR-Geschichte zu erlangen und dafür sind eben auch aktuelle, häufig auch gesellschaftspolitische Punkte sehr wichtig.
Honecker: Aber die Leitkultur, wenn ich diesen Begriff verwenden darf, ist ja inzwischen eindeutig die westdeutsche. Viele ehemalige DDR-Wissenschaftler sind nicht mehr tätig, ist es denn da wirklich möglich, diese beiden Standpunkte wirklich gleich zu betrachten?
Hüttmann: Es ist möglicherweise deswegen auch schwierig, weil und das wird auch zum Teil beklagt, auch, könnte man vielleicht sagen aus einer westdeutschen Wahrnehmungsweise, es eben gar nicht so viel Forschung über die Geschichte der Bundesrepublik nach 45 gibt wie über die Geschichte der DDR und dass es eigentlich zukünftig darauf ankommt, eine, so hat es Christoph Kleßmann mal genannt, eine asymmetrisch verflochtene Parallelgeschichte Deutschlands zu schreiben, in der es immer um die Wechselseitigkeiten und die wechselseitigen Beziehungen der beiden deutschen Staaten untereinander geht und das Problem ist eben dabei, dass es in einigen Feldern so ist, dass es schon viel über die DDR gibt, aber wenig über die Bundesrepublik.
Honecker: Jens Hüttmann, Autor der Studie, "Die gelehrte DDR und ihre Akteure", herausgegeben vom Institut für Hochschulforschung in Wittenberg.
Die Publikation kann als PDF-Datei Die gelehrte DDR heruntergeladen oder in der Printversion beim Institut bezogen werden:
Telefon: 03491/466-254
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