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Wer ist Roger Schawinski?

Noltze: Weil Schawinski ein Schweizer ist, frage ich einen Schweizer Kollegen, Beat Glur von der Schweizerischen Depeschen Agentur, Herr Glur: wer ist der Mann?

    Glur: Ja, Herr Roger Schawinski ist in der Schweiz eine Figur, die selbst Kinder kennen, eine Berühmtheit hier. Er gilt als Radiopionier, in erster Linie, später war er noch Fernsehpionier. Er war der erste, der ein nichtstaatliches, also ein privates Lokalradio aufgezogen hat und...

    Noltze: …damit die Autoritäten herausgefordert hat, geradezu?

    Glur: Er hat sie herausgefordert, weil das illegal war. Er hat 1979 von Italien aus, also von der Südgrenze der Schweiz nach Zürich – es war ein Lokalsender aus Zürich – reingestrahlt mit den damals größten Sender, von der Schweiz aus gesehen ein illegaler Sender. Die Schweiz hat mehrmals Druck gemacht auf Italien, dass sie den abstellen, was auch passiert ist. So hat das begonnen 1979.

    Noltze: Immerhin hat er sich aber damit durchgesetzt!

    Glur: Drei Jahre später wurde das legalisiert durch die Regierung, genau.

    Noltze: Und dann wechselte er das Medium und machte Fernsehen.

    Glur: Das kam aber erst in den 90ern, 1996 hat er das erste Lokalfernsehen, Tele Zürich hieß das, wieder ein Züricher Anlass, gegründet und dann kam noch mal vier Jahre später, 1998, dann Tele 24, das erste nationale Privatfernsehen der Schweiz.

    Noltze: Ist er, wenn man die Berichte heute liest, Herr Glur, ein Boulevardier?

    Glur: Das würde ich nicht sagen. Natürlich, privat – den Ruf hat ja auch das deutsche Privatfernsehen – privat hat immer auch was mit Boulevard zu tun, aber Schawinski ist in erster Linie ein Nachrichten-Mann. Sein Anliegen war, dass es auch andere News gibt, als die staatlichen, subventionierten sozusagen. Boulevard gab es da auch natürlich an seinen Sendern, besonders dann am Fernsehen, aber er war ein Newsmann, ein Nachrichtenmann.

    Noltze: Ist er auch jemand, an den wir uns möglicherweise vor der Kamera gewöhnen müssen?

    Glur: Ja, das ist hier in der Schweiz die Frage, die sich heute viele Zeitungen in ihren Kommentaren stellen. Also, er war ein Mann, der immer – beim Radiomachen war er der erste Moderator – er war immer am Sender, beim Fernsehen hat er täglich eine Newsshow gehabt, die er selber moderiert hat. Er war absolut präsent. Der Job bei SAT 1 ist ja eigentlich ein Managerjob. Ich weiß nicht, ob Herr Hoffmann je am Sender war, aber ich gehe davon aus, das er nicht beim Sender sein wird und das könnte vielleicht eines der Probleme sein, mit diesem Job.

    Noltze: Haben Sie ihn mal getroffen? Was ist er für ein Typ?

    Glur: Also, er ist ein Kollege einerseits, weil er auch Journalist ist. Er hat sich immer als Journalist verstanden. Er ist der extrovertierte, offene, der nie ein Blatt vor den Mund genommen hat. Er ist da ja auch immer angeeckt. Er hat die Politik permanent angegriffen, insbesondere natürlich die Medienpolitik, die Kommunikationspolitik. Er war wirklich der Störenfried par excellance. Gleichzeitig hat er sich auch ein kleines Imperium aufgebaut. Er hat Hundert Millionen Sschweizer Franken gelöst, als er das Ganze, den Radio- und den Fernsehsender verkauft hat vor zwei Jahren. Er ist jetzt auch ein reicher Schweizer, gehört zu den dreihundert reichsten Schweizern inzwischen. Also das ist so einerseits der Mann des Volkes – Pirator, damals noch genannt – heute ist er ein Millionär, der in der vornehmen Villa wohnt. Das sind so die beiden Seiten von Schawinski.

    Noltze: Mögen Sie spekulieren, was wir in Deutschland zu erwarten haben und was es bedeutet, wenn ein Mann wie Roger Schawinski hier eine entscheidende Figur im Privatfernsehen wird,

    Glur: Also, das ist sehr schwer zu sagen. Einerseits wird von ihm erwartet, dass er – Zitat SAT.1: "den Sender weiter voranbringen soll und das unternehmerische Tempo beschleunigen soll" – also, der Sender muss ganz klar schwarze Zahlen schreiben, der muss ganz klar eine ernsthafte Konkurrenz zu RTL werden. Also da erwartet ihn sehr viel, wahrscheinlich sehr viel mehr, als er je an Herausforderungen hatte in seinem Leben, denn das waren ja immer seine Sender, er war ja sozusagen der Sender, er war sozusagen der Mann, dem die gehört haben. Jetzt ist er selber angestellt, jetzt ist er ganz klar jemand, der geholt wurde für einen Lohn einen Job zu machen. Das ist eine Rolle, die er eigentlich nicht kennt, insofern, ich bin mir nicht so sicher, ob er wirklich der richtige Mann ist, für diesen Job, weil er hat die Managererfahrung, die hier verlangt wird, soweit wir das sehen hier von der Schweiz aus, die hat er eigentlich nicht.