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Wer lernen will, muss ausweichen

Für die Teile Deutschlands, in denen heute alles normal läuft: Es ist Karneval und heute ist zumindest im Rheinland der Ausnahmetag des Ausnahmezustands: Rosenmontag. Nicht nur die Geschäfte sind geschlossen. Auch in die Uni-Bibliotheken ist heute kein Reinkommen.

Von Doro Blome-Müller | 15.02.2010
    Frankfurt/Main – offen, Braunschweig – offen, Hannover – offen, Mannheim – offen, Karlsruhe – offen, Würzburg – offen, Berlin, Stralsund etcetera – alles offen und auch viele Uni-Bibliotheken in Rheinlandnähe wie Bochum, Dortmund oder Siegen sind an Rosenmontag offen. Im inneren des Karnevalszirkels dagegen geschlossene Gesellschaften: Köln, Mainz, Aachen, Bonn, Duisburg-Essen, ja selbst in Münster sind die Bibliotheken dicht. Es wird gefeiert.

    Außer in Düsseldorf: Von Rosenmontagsstimmung ist hier in der Unibibliothek heute nichts zu spüren.

    Im Gegenteil: Alles scheint komplett normal. Bis auf eins: kein Bibliotheksangestellter weit und breit – anscheinend sind alle beim Karnevalszug oder machen in der Kneipe Party: Ausleihe, Info, Fernleihe – alles verwaist. Nur Manfred Schattenberg und sein Kollege vom Wachpersonal wachen darüber, dass keiner Bücher klaut oder Pudding über die Seiten kleckert:

    "Die Aufsicht muss besetzt sein und wir gehen einmal die Stunde zählen und ansonsten passen wir nur auf, dass da keiner mit Mänteln reingeht, nichts zu essen."

    Kostüme, Tröte wären theoretisch erlaubt – sofern sie keine großen Taschen hätten – aber Fehlanzeige: Keine Clowns, keine Piraten, nichts. Niemand hier ist in Karnevalsstimmung. Kein Wunder. Denn schließlich ist niemand hier, den der schlichte Drang nach Erkenntnis hergetrieben hat. Alle haben mindestens einen guten Grund, sich am Rosenmontag in die Bibliothek zu setzen.

    Wer es gar nicht lassen konnte, hat am Wochenende ein bisschen gefeiert. So wie Marc Wellings. Der BWLer ist als Langenfelder echter Rheinländer – und am Samstag hat es ihn dann doch vor die Tür getrieben. Da wäre er heute eigentlich auch viel lieber:

    "Nur wegen der Prüfung, wenn die nicht wär, wäre ich viel mehr feiern gegangen. Ich bin ein bisschen unmotiviert, aber ich muss ja."

    Erschütternder Pragmatismus wohin man guckt. Der allerdings fällt selbst Zugereisten wie Nicole Kröger nicht ganz leicht.

    "Ich komme eigentlich aus Bielefeld, ich wohn jetzt seit vier Jahren hier und fühl mich hier eigentlich ganz wohl und feier auch ganz gerne Karneval, obwohl man das in Bielefeld sonst nicht tut. Aber dieses Jahr geht halt nicht wegen lernen"

    Ob das schade ist?

    "Ja eigentlich schon, also wenn ich so die anderen verkleidet sehe, also ich verkleide mich ganz gern, aber geht ja nun mal nicht anders."

    Für viele Nicht-Düsseldorfer ist die offene Uni-Bibliothek übrigens ein Geschenk des Himmels: Christian Lambracht studiert eigentlich in Wuppertal Bau-Ingenieurswesen. Da wird aber anscheinend ausgiebig gefeiert – jedenfalls ist bei den Bau-Ingenieuren in Wuppertal heute alles dicht, sagt er und weicht deswegen nach Düsseldorf aus.

    "Normalerweise würde ich eher wegfahren, aber durch die Klausur bin ich ans lernen gebunden erstmal."

    Wenn das mal den Ultra-Jecken nicht zu Ohren kommt: An Rosenmontag kommen die Menschen von überall her nach Düsseldorf – zum Lernen in der UB- Helau!