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Wer nach Geld riecht, zahlt auch mehr

Trägt der Kunde im Autohaus einen teuren Designer-Anzug, wird der Verkäufer vielleicht versuchen, dem mutmaßlich Wohlhabenden mehr abzuknüpfen als üblich. Im Online-Handel könnte sich dieses Modell auch durchsetzen. Digitale Statussymbole wie Apple-Produkte dienen bereits als Indikator für eine hohe Zahlungsfähigkeit.

Von Stefan Römermann |
    Im der analogen Welt, im kleinen Fachgeschäft an der Straßenecke – jenseits von World Wide Web und E-Commerce - erkennt ein guter Verkäufer besonders zahlungskräftige Kunden oft schon an der Kleidung: Menschen beispielsweise im Designer-Anzug bietet er dann häufig teurere Produkte an. Das US-Reiseportal Orbitz hat diese Idee auf die Internet-Welt übertragen und nach digitalen Statussymbolen geschaut. Die Erkennungsroutinen der Orbitz-Hotelzimmer-Suchmaschine haben schlicht die Kunden herausgefischt, die das Portal mit einem iPhone, einem iPad oder einem anderen Apple-Gerät benutzen, erklärt Internet-Experte Axel Kossel vom Computermagazin c’t.

    "Dann erkannten die das Betriebssystem, das da lief, und wussten: Das ist jemand, der einen etwas teureren Computer benutzt. Also wurden diesem Nutzer dann auch gleich teurere Zimmer angeboten, während man einem Windows-Nutzer günstigere Angebote machte."

    In diesem Fall war es nur die Auswahl der Angebote, die je nach benutztem System auf eher teure oder günstige Hotelzimmer gelenkt wurde. Allerdings ist es technisch überhaupt kein Problem, für unterschiedliche Kundengruppen oder sogar für jeden einzelnen Kunden unterschiedliche Preise für das exakt gleiche Produkt festzulegen. So hat sich Google im vergangenen Jahr eine Technik patentieren lassen, mit der die Informationen über das bisherige Kaufverhalten automatisch ausgewertet werden können. Die entsprechende Erkennungsroutine passt die Preise für ein Produkt automatisch an, wenn der Kunde es vorher schon einmal gekauft hat:

    "Kriegt man ihn dazu es zu kaufen, indem man den Preis runter setzt, ihm sozusagen ein Sonderangebot präsentiert? Oder kann man diesem Kunden, weil er sehr zufrieden war und weil er offensichtlich dieses Produkt sehr liebt, sogar etwas mehr Geld abknöpfen, und er kauft trotzdem?"

    So kann das Unternehmen den eigenen Gewinn steigern, weil es aus den gespeicherten Daten im Kundenkonto ziemlich genau abschätzen kann, was diesem speziellen Kunden das Produkt vermutlich wert ist.

    Auch mit anderen Daten lassen sich personalisierte Preise festlegen, beispielsweise mit den Informationen der großen Werbenetzwerke. Sie sammeln unter anderem über sogenannte Cookies im großen Stil Informationen über das Surfverhalten von Internet-Nutzern. Bisher werden die so gesammelten Informationen vor allem genutzt, um möglichst gezielt solche Werbung einzublenden, die den Nutzer auch tatsächlich interessiert. Doch der Betreiber eines Online-Shops könnte diese Informationen auch anders nutzen, warnt Datenschutzexperte Florian Glatzner vom Verbraucherzentrale Bundesverband.

    "Beispielsweise wenn er in so einem Netzwerk ist, und er dadurch weiß, was für Seiten der Verbraucher sich vorher angeschaut hat, dann kann danach natürlich seinen Preis ausrichten. Beispielsweise kann er schauen: Wie hat sich der Verbraucher informiert. Hat er sich überhaupt informiert?!"

    Wer vorher Preise verglichen hat oder beispielsweise online einen Testbericht gelesen hat, bekäme dann vielleicht einen besonders günstigen Preis angeboten. Wer spontan kauft, müsste dagegen kräftig drauf zahlen. Ob solche Methoden in der Praxis bereits angewendet werden, sei allerdings unklar, da es im Einzelfall schwer nachzuweisen ist, so Verbraucherschützer Glatzner.

    Die Anbieter jedenfalls sind interessiert: Für Online-Shops seien personalisierte Preismodelle, auch "personal Pricing" genannt, durchaus interessant und werden in den nächsten Jahren wohl größere Verbreitung finden, glaubt Sebastian Schulz vom Bundesverband des Deutschen Versandhandels. Er sieht sogar Vorteile für die Verbraucher.

    "In der Tendenz wird Personal Pricing gerade nicht dazu führen, dass einzelne Verbraucher bestimmte Waren oder Dienstleistungen nur verteuert oder überhaupt nicht mehr angeboten bekommen, sondern in der Tendenz würde es dazu führen, dass Waren eher günstiger zu haben sind."

    Wichtig dabei sei allerdings, dass die Preisgestaltung transparent passiere, so Schulz.

    Für Unternehmen sind solche Strategien jedoch riskant. Denn wenn einzelne Verbraucher erst nachträglich merken sollten, dass sie einen höheren Preis bezahlt haben, empfinden sie das meist als Abzocke. Negative Schlagzeilen und Verbraucherproteste wären vorprogrammiert, warnt Wirtschaftsinformatiker Bernd Skiera, Experte für E-Commerce an der Universität Frankfurt.

    "Was sie natürlich durchaus machen können, ist, dass sie mit Coupons arbeiten. Dann sind wir beide auf der gleichen Webseite, wir sehen beide den gleichen Preis. Nur sie haben vielleicht einen Coupon, und kriegen es damit günstiger. Und ich habe diesen Coupon aus welchen Gründen nicht, und zahle dadurch einen höheren Preis. Damit ist es nicht ganz so offensichtlich."

    Der Effekt für den Händler sei aber der gleiche. Schließlich kann er anhand derselben Kriterien entscheiden, wer beispielsweise über ein Online-Werbebanner oder per E-Mail einen Coupon oder Gutschein-Code erhält.