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Einmal geklickt und schon durchschaut

Mit immer ausgefeilteren Methoden sammeln Marketingexperten Angaben von Kunden, um passgenaue Verkaufsangebote machen zu können. Daten- und Verbraucherschützer mahnen seit Langem eine Regelung an, die dem Kunden die Hoheit über seine Daten zurückgibt.

Von Daniel Blum |
    Als die Daten- und Verbraucherschützer Alarm schlagen, hat der Bundestag bereits entschieden. Einige Tage zuvor, Ende Juni, am Vorabend der Abstimmung über den EU-Rettungsschirm und am Abend des EM-Halbfinalspiels gegen Italien, hatte das dünn besetzte Plenum das lange geplante neue Meldegesetz mit Koalitionsmehrheit durchgewunken, ohne Debatte und von den Medien kaum registriert. Allerdings hatte das Parlament das Gesetz nicht in der angekündigten verbraucherfreundlichen Fassung beschlossen, sondern mit einer kurzfristigen, folgenschweren Änderung.

    Noch ist das Melderecht Sache der Länder, die ihre Einwohner verpflichten, jeden Umzug bei den Behörden ihrer Heimatstadt anzuzeigen. Die lokalen Meldeämter dürfen ihrerseits diese zwangsweise erhobenen Daten an die Werbewirtschaft verkaufen.

    Dem sollte das neue Bundesmeldegesetz eigentlich einen Riegel vorschieben. Im Regierungsentwurf stand: Wenn die Bürger dem Staat nicht ausdrücklich erlauben, ihre Meldedaten an Adresshändler und Reklametreibende zu verhökern, dann darf er das auch nicht. Doch der Gesetzestext wurde wenige Tage vor der Verabschiedung verändert, auf Initiative der Koalitionsabgeordneten im Bundestags-Innenausschuss.

    Nun heißt es, der Bürger müsse schon von sich aus widersprechen. Und selbst das hilft nicht, wenn das Werbeunternehmen einen bereits in der Kartei hat. Damit bleibt in den meisten Fällen alles beim Alten: Auch heute bemühen die Adresshändler meistens dann die Ämter, wenn sie herausbekommen möchten, ob jemand aus ihrem Datenbestand umgezogen oder verstorben ist. Katharina Nocun von der Piratenpartei kommentiert:

    "Der Entwurf ist quasi in sein komplettes Gegenteil verkehrt worden. Und da stellt man sich natürlich die Frage, inwiefern Politik noch Entscheidungen für den Bürger macht, im Interesse des Bürgers. Oder inwiefern da auch die Werbewirtschaft ihre Finger mit im Spiel hatte und ihre eigenen Interessen durchsetzen wollte."

    Nicht nur die Piratenpartei läuft seitdem Sturm gegen das neue Meldegesetz. Verbraucher- und Datenschützer gründeten das Aktionsbündnis "Meine Daten sind keine Ware" und sammelten knapp zweihunderttausend Unterschriften für eine Protestresolution, die sie kürzlich dem Bundesrat überreichten. Mit Erfolg: Der Bundesrat will parteienübergreifend auf seiner morgigen Sitzung den Vermittlungsausschuss anrufen; die Länder wollen dem Vernehmen nach dem Gesetz nur zustimmen, wenn die Koalitionsmehrheit im Bundestag zur Einwilligungslösung zurückkehrt.

    Ein Gefecht, das die Datenschützer gegenüber der Werbewirtschaft zu gewinnen scheinen. Doch auf ganzer Linie betrachtet sind sie auf dem Rückzug, denn in der Reklame findet derzeit eine technologische Revolution statt – Marketingexperten wie Lars Luck lernen das Weissagen.

    "Die Werbung von heute hat kein Orakel von Delphi, aber sie hat sehr leistungsstarke Computer, die in der Lage sind, aus vergangenem Verhalten von potenziellen Kunden auf zukünftiges Verhalten zu schließen, und das machen sie auch sehr intensiv."

    Luck leitet bei der Beraterfirma Roland Berger die Abteilung "Market Attack". Sein Job: Er berät große Unternehmen, wie sie mittels moderner Computeranalysen dem einzelnen Verbraucher in den Kopf schauen können – um ihm dann ein Angebot zu machen, das er nicht ablehnen kann. Gemeinsam mit zwei Co-Autoren hat Luck ein Insiderbuch veröffentlicht: "Data-Unser. Wie Kundendaten die Wirtschaft revolutionieren". Die Autoren schreiben:

    Kreditkartenunternehmen können mit sehr hoher Trefferquote prognostizieren, wer sich in den kommenden fünf Jahren scheiden lässt. Mietwagenfirmen wissen aufgrund unseres Kundenprofils, mit wie viel Benzin im Tank wir das Leihauto zurückgeben. Ein analytisch getriebener Online-Händler weiß, bei welchem Preis ein Stammkunde mit welcher Wahrscheinlichkeit zuschlägt. Und wie viel Budget er für personalisierte Werbung dafür einsetzen muss.

    Systematisch sammeln die Unternehmen Daten über ihre Stammkunden und neue Interessenten - und setzen modernste Software ein, um in der Datenflut Muster zu erkennen. Um dann fundierte Vermutungen anzustellen: über den Charakter eines Verbrauchers, seine Wünsche und zukünftigen Begehren - mit dem Ziel, ihm dafür passgenaue Werbung zuzustellen, mit genau den Kaufempfehlungen und Sonderangeboten, für die er empfänglich ist. "Datengetriebenes Marketing", kurz Data-Marketing, heißt diese Methode, die in den letzten Jahren gewaltige technische Fortschritte gemacht hat.

    "Wir leben ja gerade in einer Zeit, in der aus unserer echten Welt praktisch eine zweite, virtuelle Welt wird, in der wir intensivste Datenspuren hinterlassen, in dem Moment, von dem an wir unser Telefon einschalten, einen Flug, eine Bahnfahrkarte buchen, irgendwo bezahlen; und immer mehr dieser Daten lassen sich ja – oft auch mit Einverständnis der Kunden – nutzen und auswerten und miteinander in Verbindung bringen."

    Trendsetter sind die Firmen, die im Internet ihre Waren und Dienstleistungen anbieten. Online-Verkaufsportale sind für die Marketing-Experten das Paradies auf Erden. Zwar sehen die Verkäufer keinen Menschen aus Fleisch und Blut vor sich, aus dessen Auftreten sie Rückschlüsse ziehen, welche Produkte sie ihm Erfolg versprechend anbieten können. Doch zu Augenschein und Intuition kennt das Data-Marketing eine weitaus effizientere Alternative: den Cookie.

    Ein Datenpäckchen, das das Verkaufsportal beim ersten Besuch eines Interessenten auf dessen Rechner platziert. Und das oftmals ab diesem Augenblick speichert, auf welchen Webseiten der Bürger surft. Kehrt er dann irgendwann auf das Verkaufsportal zurück, wird er wiedererkannt, und der Cookie plaudert aus, wo sich dieser Verbraucher sonst herumtreibt. Ganz schön indiskret, findet Katharina Nocun von der Piratenpartei:

    "Und das wäre ähnlich, als wenn ich im Supermarkt rumlaufen würde und ständig steht die Verkäuferin hinter mir und notiert sich, was ich in den Einkaufskorb lege – das empfände man ja auch als unangenehm."

    Besonders nützlich sind solche Cookies für Agenturen, die Reklame auf Webseiten vermitteln. Sie lassen sich dafür bezahlen, dass sie Unternehmen, die Werbebanner schalten wollen, die dafür passenden Webseiten vermitteln und dort die Besucher, die für die Reklame empfänglich sind.

    Die Marktführer dieser Branche sind auf Abertausenden von Webseiten im Hintergrund aktiv und können kontrollieren, welche Inhalte die mit ihren Cookies markierten Internetnutzer dort wie lange aufrufen. Sie messen sogar die Reaktionszeiten, wenn diese Verbraucher auf persönlich zugeschnittene Rabattofferten oder Paketangebote eingehen, und merken sich, womit man den jeweiligen Nutzer am besten ködern kann. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar warnt:

    "Wenn es möglich ist, bei unterschiedlichen Webangeboten auf dieselben Cookies zuzugreifen, und das machen genau solche Web-Werbefirmen, dann ist es möglich zu erkennen, ob jemand auf einer Sportseite oder einem Pornoangebot war. Genau dadurch entsteht ja diese Gläsernheit, dass die Informationen plattformübergreifend zusammengeführt werden."

    Diese Werbeagenturen arbeiten mit den Anbietern viel besuchter Webseiten eng zusammen. Wenn ein Bürger beispielsweise bei seinem bevorzugten Versandhändler online geht, wird er aufgrund der Cookies augenblicklich erkannt. Er löst damit, ohne dass er es merkt, hektische Reaktionen aus, wie Rena Tangens vom Datenschutzverein Foebud schildert.

    "Die bieten meine Gegenwart auf einer Webseite in Sekundenbruchteilen Werbefirmen zum Kauf an. Das heißt, in dem Moment, wo ich auf eine Webseite gehe, wird automatisch auf dem Werbemarkt um meine Aufmerksamkeit geboten. Je nachdem, wie kaufkräftig ich bin, wie leicht zu beeinflussen, wird halt mehr oder weniger geboten; und die Firma, die am meisten bietet, deren Banner ist dann – oder andere Art von Anzeige – ist dann auf der Webseite, die ich mir gerade anschaue, zu sehen. Das finde ich spannend, aber auch sehr beängstigend."

    Viele Bürger glauben, im Netz anonym unterwegs zu sein – oder zumindest pseudonym: Sie geben sich Nicknames, Spitznamen, mit denen sie in Internetforen oder auf Nachrichtenportalen mitdiskutieren. Doch sobald sie im Internet etwas kaufen, ist es mit der Maskerade vorbei, und sie geben ihren bürgerlichen Namen preis, oft auch Anschrift, Mailadresse, Bankverbindung, das Geburtsdatum.

    Ab dann heißt es, blind zu vertrauen - darauf, dass der Händler sowie die Agenturen, Geschäftspartner und Datenhändler, mit denen er womöglich kooperiert, mit all dem intimen Wissen keinen Schindluder treiben. Damit, für welche Themen und Produkte man sich interessiert, für welche Musik, welche politischen Informationen und welche Sexangebote.

    Kein Wunder, dass Firmen ihre Datenbestände zum beidseitigen Nutzen bisweilen gerne austauschen. Doch es gibt auch Internetriesen, die solche Kooperationen gar nicht nötig haben. Wie der Weltkonzern Google zum Beispiel, der überall im Netz seine Finger hat: als Suchmaschine, E-Mail-Dienst, YouTube-Betreiber und auch als eine der global bedeutendsten Web-Werbeagenturen überhaupt. Was Unbehagen auslöst bei Thomas Jarzombek, CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied der Internet-Enquetekommission:

    "Dieser Datenbestand, der kann natürlich über die Zeit ja auch wandern. Wir wissen ja nicht, welchen Wert eine Firma wie Google in fünf oder in zehn Jahren noch hat. Vielleicht stürzen die genauso ab, wie es bei Nokia jetzt der Fall ist. Es kommen auf einmal irgendwelche dubiosen Investoren, kaufen sich dort ein, besitzen dann solche Datenpools, wo sie sehen können, wo Sie und ich in den letzten fünfzehn Monaten gewesen sind und was wir nachts im Internet gesucht haben. Das – ganz ehrlich! - stelle ich mir schon ziemlich, ziemlich schauderhaft vor."

    Was für die einen ein Albtraum ist, ist für die anderen ein Wunschtraum: "vollindividualisierte Werbung in Masse und Echtzeit", wie es der Marketing-Experte Lars Luck nennt. Ein Prinzip, das bald auch vom Internet in die traditionellen Medien der realen Welt übertragen werden soll – zum Beispiel, wenn es Standard wird, die Fernsehsignale über das Internet zu übertragen. Luck schreibt:

    Die Setup-Box im Wohnzimmer wird ziemlich genau wissen, wer da gerade zuschaut. Der Besitzer eines Eigenheims wird während der Sportschau nicht mehr fünf Spots für Bausparverträge über sich ergehen lassen müssen.

    Schon bald, prognostiziert Lars Luck,

    "wird man in Zukunft nicht nur wissen, dass da jemand vor dem Fernseher sitzt, der sich für "Tatort" interessiert, sondern man wird auch wissen, dass diese Person über genau diesen Internetzugang bestimmte Produkte bestellt hat, bestimmte andere Webseiten besucht hat. Und man wird deshalb wissen, dass diese Person beispielsweise männlich, vierzig Jahre alt ist, Durchschnittseinkommen voraussichtlich von fünfzig- bis sechzigtausend Euro, im letzten Jahr folgende Urlaube gebucht hat. Und dann kann man natürlich eine sehr viel passgenauere Werbung zu diesem Kunden bringen."

    Und das sei doch auch im Interesse der Verbraucher, argumentieren die Marketing-Experten. Derzeit fühlen sich die Bürger von Werbung überwiegend genervt. Das Marktforschungsunternehmen Infratest hat 2010 in einer groß angelegten Studie herausgefunden:

    Werbung steht man in Deutschland skeptisch gegenüber: Fast zwei Drittel der befragten Deutschen sind der Meinung, Werbung sei ein störendes Phänomen.

    Die Marketingleute sind überzeugt: Nur schlechte Reklame nervt - konkret: Werbung für Produkte, für die sich der jeweilige Verbraucher gar nicht interessiert. Und gerade dem würde Data-Marketing doch Abhilfe schaffen: Denn wenn sich die Verbraucher von der Privatwirtschaft laufend durchleuchten ließen, dann würden sie nur noch solche Kauftipps und Sonderangebote bekommen, über die sie sich freuen. Eine Freude, die Rena Tangens vom Datenschutzverein Foebud nicht teilen möchte.

    "Meine Verhaltensweisen, wie ich zu beeinflussen bin, was ich mag: Das ist ein Teil von Freundschaft und Vertrautheit. Und dieses Vertrauen haben berechtigterweise Firmen, die natürlich Geld machen wollen und nichts anderes – auch wenn sie an einigen Stellen halt vorgeben, einem etwas zu schenken -, dieses Vertrauen haben Firmen nicht einfach so mal rückhaltlos verdient."

    Große Hoffnungen setzt die Werbewirtschaft in den Siegeszug der Smartphones: internetfähiger Taschencomputer, die die Besitzer mit Apps aufrüsten - mit Applications, kleinen Programmen, die sie meistens für nur wenige Euro herunterladen. Oft sind diese Apps sogar kostenlos – scheinbar. Denn die Privatwirtschaft hat nichts zu verschenken, die Verbraucher zahlen mit ihren Daten. In welchem Maße, ist ihnen meistens gar nicht bewusst, kritisiert der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.

    "Immer wieder kommt hier vor, dass hier Apps angeboten und dann entsprechend auch installiert werden, die quasi den Einzelnen ausspionieren, ohne sein Wissen Daten erheben und an irgendwelche Computer, die im Internet verfügbar sind, dann übertragen. Denken Sie zum Beispiel an die Kontaktinformationen, denken Sie daran, mit wem man telefoniert hat – all das wird dann auch von einzelnen Apps ausgelesen, ohne dass das irgendwie notwendig wäre, um die entsprechende Dienstleistung zu erbringen."

    Die Stiftung Warentest untersuchte kürzlich 63 beliebte Apps. Über die Hälfte stufte sie wegen erheblicher Sicherheitsmängel als "kritisch" oder "sehr kritisch" ein, insbesondere weil sie den Anbietern eine Fülle persönlicher Daten zusenden, vielfach unverschlüsselt und ohne um Einverständnis gebeten zu haben. Der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz, ebenfalls Mitglied der Internet-Enquete:

    "Es ist an denen halt das Verheerende, dass die Nutzerinnen und Nutzer das meistens überhaupt nicht wissen und dass die Freigabe eigener Daten meistens keine bewusste Entscheidung der Betroffenen ist – und das ist hoch problematisch."

    Besonders heikel: Wenn die Apps ihrem Betreiber melden, wo sich das Smartphone gerade befindet, können die Firmen sogar Bewegungsprofile der Bürger erstellen. Die Werbewirtschaft möchte das nutzen, um Verbraucher zum Beispiel per SMS in nahegelegene Läden zu locken, mit gezielten Sonderangeboten für seine Lieblingsprodukte.

    Datenschützern stellen sich bei den technischen Fantasien der Marketing-Visionäre die Nackenhaare auf. Doch auch unter den Verbrauchern ist Misstrauen weit verbreitet. Das hat im Januar 2011 ausgerechnet eine Studie der bitkom bestätigt, des deutschen IT-Wirtschaftsverbands, der Datenschutzhysterie unverdächtig.

    Acht von zehn Internetnutzern sehen die Unternehmen in der Pflicht, für besseren Datenschutz zu sorgen. Eine weitere Mehrheit, knapp drei von vier Internetnutzern, spricht sich für den Erlass strengerer Regeln durch den Staat aus.

    Doch viele Bürger verhalten sich zwiespältig. Zwar hegen sie ein tiefes Misstrauen gegenüber den Datensammlern der Werbewirtschaft. Doch andererseits lassen sie sich im Alltag immer wieder von Rabattankündigungen und kleinen Geschenken ködern, ihre Daten freiwillig rauszurücken. Wofür die Unternehmen die Daten nutzen, ist vielen Bürgern gar nicht richtig klar. Und außerdem: Schaden kann doch die Selbstentblößung ohnehin nicht anrichten, oder? Von wegen, sagt der Bundesdatenschutzbeauftragte.

    "Die Behauptung oder Vorstellung, man habe nichts zu verbergen, endet spätestens dann, wenn man ein Problem bekommt. Und diese Nachteile können sehr gravierend sein: zum Beispiel Kredite, die man nicht bekommt, Handyverträge, die einem verweigert werden, und so ähnlich."

    Wenn zum Beispiel die Firmen aus den übermittelten Daten den Schluss ziehen, dass der Bürger womöglich unsolide ist. Für die Interpretation der Daten benutzen die Unternehmen Computerprogramme, die die konkreten Verbraucherdaten mit statistischen Wahrscheinlichkeiten verrechnen – das Ergebnis stimmt oft, aber nicht immer. Peter Schaar verlangt:

    "Wenn jemand Werbung will, auch gezielte Werbung will, dann soll er das in Dreiteufelsnamen haben – aber bitte mit seiner Zustimmung!"

    Debattiert wird hier über zwei konkurrierende Modelle, es sind dieselben wie beim Meldegesetz: Müssen sich die Firmen die ausdrückliche Einwilligung des Verbrauchers holen, um deren Daten systematisch zu sammeln und zu Persönlichkeitsprofilen aufzubereiten? Oder dürfen die Unternehmen alles, solange die Bürger nicht explizit widersprechen? Florian Glatzner vom Verbraucherzentrale Bundesverband:

    "Wir denken, dass es nicht die Aufgabe des Verbrauchers, der nicht belästigt werden möchte durch Werbung, sein sollte, dem Ganzen hinterherzurennen und bei vielen Unternehmen widersprechen zu müssen, sondern dass es eben die Aufgabe der Unternehmen sein sollte, auf die Verbraucher zuzugehen und sich bei diesen eine Einwilligung zu holen."

    Was in der Praxis aber vielfach dazu führt, dass Verbraucher mit ellenlangen Einverständniserklärungen in Juristendeutsch konfrontiert werden, die sie zustimmend schnell wegklicken, um eine App nutzen oder auf einer Webseite einkaufen zu können.

    Eine praktische Alternative könnten Zertifikate sein, die den Verbrauchern signalisieren: Wer das Gütesiegel trägt, wurde überprüft und ist seriös. Für diesen Zweck hat der Bundestag Ende Juni die Stiftung Datenschutz gegründet. Allerdings kritisieren Opposition, Verbraucher- und Datenschützer, dass die Stiftung finanziell zu knapp ausgestattet sei und zudem nicht unabhängig von Regierung und Privatwirtschaft.

    Hoffnung setzen die Kritiker auf die Europäische Datenschutz-Verordnung, die in ganz Europa einen einheitlichen Datenschutzstandard schaffen soll. Der vorliegende Entwurf der EU-Kommission möchte die Privatwirtschaft zu Einwilligungslösungen verpflichten.

    Allerdings müsste diese europäische Verordnung erst einmal in nationales Recht umgesetzt werden. Was nicht immer direkt geschieht: Bereits 2009 hat die EU eine frühere Richtlinie beschlossen, die zwingend vorschreibt, dass Internetfirmen Schnüffel-Cookies nur installieren dürfen, wenn die Verbraucher gefragt werden und zustimmen. Deutschland hat diese Verordnung bis heute nicht umgesetzt, noch im März scheiterte ein entsprechender Antrag der Opposition im Bundestag - die Bundesregierung war der Ansicht, die Richtlinie sei unverständlich formuliert.