Fester Bestandteil derartiger Plädoyers ist die Aschenbrödel-Passage. Unter dem armseligen, weil ewig gleich gemusterten Mäntelchen, so die These, verbirgt der Krimi mehr oder weniger unfreiwillig sein wahres Ich. Und das ist natürlich alles andere als armselig und ewig gleich gemustert, sondern geradezu dazu bestimmt, in illustrer Gesellschaft bewundert zu werden. Was als U daherkomme, sei im Grunde nämlich E, ja für einige stellt der Kriminalroman sogar die einzige literarische Form dar, die der komplexen Realität noch gerecht wird. Das klingt wunderbar, wenn man davon absieht, dass "Realität" ein ziemlich schwammiger Begriff und eine zerstückelte Leiche in der Tiefkühltruhe nicht unbedingt jedermanns Realität ist. Fest steht jedenfalls: Wer heute als Krimiautor etwas auf sich hält, benutzt Mord und graue Zellen nur als Mittel zu höherem Zweck. Henning Mankell übt in seinen Wallander-Romanen Sozialkritik und macht auf die Midlifekrisen müder Männer aufmerksam, während Donna Leon sich mit ihren Venedig-Aventüren offensichtlich ganz der Tourismusförderung verschrieben hat.
Auch Anne Chaplet und Susanne Mischke wollen mehr bieten als simple Stories der Marke "Whodunit". Beide beschäftigen sich in ihren Romanen mit der Vergangenheit, genauer, mit der deutschen und damit braunen Vergangenheit. Beide geben sich dem Thema entsprechend wenig humorvoll, und beide würzen dafür kräftig mit Populärpsychologie (weibliche Selbstfindung, Traumabewältigung, Beziehungskisten etc.)
Während in Susanne Mischkes "Wer nicht hören will, muss fühlen" lediglich Stammbäume zerzaust werden, drohen die Schwierigkeiten mit dem historischen Erbe bei Anne Chaplet buchstäblich die Republik zu erschüttern. "Nichts als die Wahrheit" spielt hauptsächlich in Bau-Boom-Berlin. Anne Burau, gewesene Biobäuerin und frischgebackene Abgeordnete, gerät, kaum hat sie sich mit den (Un-)Sitten und Gebräuchen des Bundestages vertraut gemacht, in einen parlamentarischen Sumpf aus Intrigen, Neid und Verrat. Es geht um Geld, um viel Geld, für dessen Verwaltung Anne als Vorsitzende der Kommission zuständig ist, die sämtliche Bauvorhaben der Regierung verantwortet. Annes unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommener Vorgänger scheint der richtige Mann für diese Aufgabe gewesen zu sein, sie hingegen stolpert über einen Nazibunker nach dem andern. Denn wer in Berliner Boden buddelt, stösst bei Anne Chaplet unweigerlich auf unangenehm beständige Überbleibsel aus dunkler Zeit die kosten den Staat Millionen und manche krimigerecht das Leben.
Dass sie ihr Handwerk beherrscht, braucht Anne Chaplet nach "Caruso singt nicht mehr" und "Wasser zu Wein" nicht mehr zu beweisen. Sie weiß, wie man Spuren legt, Spannung aufbaut und Figuren in Menschen verwandelt. Dass sie diesmal dennoch nicht überzeugt, hängt mit einem Rezept zusammen, an das sich auch Autoren halten sollten, die das Krimi-Korsett aus Prinzip locker geschnürt tragen. Das Rezept lautet: Alles mit Maß, sonst verliert der Motor des Krimis, das Rätsel, an Triebkraft. Anne Chaplet möchte zu viele Geschichten mit zu vielen Protagonisten aus zu vielen Perspektiven erzählen.
Da ist zunächst Anne, die fast wider Willen von der Aus- zur politischen Aufsteigerin mutiert, sich in ihrer kalten Berliner Amtswohnung nach dem Blöken ihrer Schafe und nach einem männlichen Bettwärmer sehnt. Da ist das Chaplet-Lesern bereits bekannte Duo Karen Stark und Paul Bremer, von dem Die eine als ermittelnde Staatsanwältin und schließlich als dea ex machina in Aktion tritt, der andere einsam in seinem "Kuhkaff" sitzt und der selbigem "Kuhkaff untreu gewordenen Anne nachtrauert. Dann gibt allzu neugierige Journalisten, die mit Minderwertigkeits- oder sonstigen Komplexen kämpfen, es gibt einen amerikanischen Waffenfreak mit Kriegswunden undundund. Anne Chaplet hüpft erzählend von einem Kopf in den nächsten. Sie schickt mal hier einen Hobbydetektiv ins unterirdische Berlin, mal glänzt dort etwas im Bauschutt, wichtige Indizien unterschlägt die Autorin jedoch, was unter Krimifreunden als Kapitalverbrechen gilt. Überdeutlich ist einzig die Botschaft: Das Gewesene lässt sich nicht einfach so zupflastern, auch wenn die Zeichen im neuen Deutschland voll auf "Fit for Fun & Future" stehen. Stoff und Setting von "Nichts als die Wahrheit" wären wohlgemerkt ideal für ein raffiniertes Krimistücklein. Aber Anne Chaplet winkt bloss mit der Gipskelle.
In Susanne Mischkes "Wer nicht hören will, muss fühlen" wird ebenfalls heftig gegraben. Zutage kommen dabei allerdings keine Betonklötze, sondern Menschenknochen. Ein Häuflein davon findet die junge Gärtnerin Rosa im Garten der alten Luise Pauly. Wer wie weshalb unter Frau Paulys gepflegten Rasen geraten ist, bildet den einen, die Frage, wohin und warum Rosas Mutter vor 25 Jahren verschwunden ist, den anderen Teil des Geheimnisses, das die Protagonistin zu lösen gedenkt. Der Autorin liegt überdies das Thema "Wie überwindet frau Mitte Dreissig ihre Bindungsängste?" am Herzen, und aufgeputzt wir das Ganze durch ein Greuelmärchen aus der Nazi-Zeit. Auch Susanne Mischke versteht sich auf die Krimi-Dramaturgie, rein technisch gesehen ist die Mischung aus Ehebruch-, Inzest- und Detektivgeschichte durchaus gelungen. Doch fehlt ihrem Roman, was Anne Chaplet im Überfluss zu bieten hat: Atmosphäre. Anne Chaplet schafft es, mit wenigen Sätzen Stimmungen einzufangen, sei es die Hektik unter der Bundestagskuppel oder die Aura eines Hitler-Tempels. In Susanne Mischkes Roman hingegen scheint das Rendez-vous im Gewächshaus unter genau denselben Bedingungen stattzufinden wie der Nachmittagstee mit der Grosstante im Altersheim. Die Figuren haben mehr Funktion als Charakter, vom harmoniebedürftigen Familienvater bis zum heimlichen jüdischen Geliebten. Und während die deutsche Vergangenheit bei Anne Chaplet die imposante Kulisse des Geschehens bildet, bleibt sie bei Susanne Mische ein Requisit unter vielen. Sowohl "Nichts als die Wahrheit als auch "Wer nicht hören will, muss fühlen fallen in den Bereich des soliden Mittelmasses. Im Gegensatz zu manchen anderen solid mittelmäßigen Romanen möchte man diese beiden jedoch unbedingt zu Ende lesen. Die Krimi-Elemente machen´s möglich womit zwar nicht die zwei Romane, aber sicher die Gattung wieder einma
Auch Anne Chaplet und Susanne Mischke wollen mehr bieten als simple Stories der Marke "Whodunit". Beide beschäftigen sich in ihren Romanen mit der Vergangenheit, genauer, mit der deutschen und damit braunen Vergangenheit. Beide geben sich dem Thema entsprechend wenig humorvoll, und beide würzen dafür kräftig mit Populärpsychologie (weibliche Selbstfindung, Traumabewältigung, Beziehungskisten etc.)
Während in Susanne Mischkes "Wer nicht hören will, muss fühlen" lediglich Stammbäume zerzaust werden, drohen die Schwierigkeiten mit dem historischen Erbe bei Anne Chaplet buchstäblich die Republik zu erschüttern. "Nichts als die Wahrheit" spielt hauptsächlich in Bau-Boom-Berlin. Anne Burau, gewesene Biobäuerin und frischgebackene Abgeordnete, gerät, kaum hat sie sich mit den (Un-)Sitten und Gebräuchen des Bundestages vertraut gemacht, in einen parlamentarischen Sumpf aus Intrigen, Neid und Verrat. Es geht um Geld, um viel Geld, für dessen Verwaltung Anne als Vorsitzende der Kommission zuständig ist, die sämtliche Bauvorhaben der Regierung verantwortet. Annes unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommener Vorgänger scheint der richtige Mann für diese Aufgabe gewesen zu sein, sie hingegen stolpert über einen Nazibunker nach dem andern. Denn wer in Berliner Boden buddelt, stösst bei Anne Chaplet unweigerlich auf unangenehm beständige Überbleibsel aus dunkler Zeit die kosten den Staat Millionen und manche krimigerecht das Leben.
Dass sie ihr Handwerk beherrscht, braucht Anne Chaplet nach "Caruso singt nicht mehr" und "Wasser zu Wein" nicht mehr zu beweisen. Sie weiß, wie man Spuren legt, Spannung aufbaut und Figuren in Menschen verwandelt. Dass sie diesmal dennoch nicht überzeugt, hängt mit einem Rezept zusammen, an das sich auch Autoren halten sollten, die das Krimi-Korsett aus Prinzip locker geschnürt tragen. Das Rezept lautet: Alles mit Maß, sonst verliert der Motor des Krimis, das Rätsel, an Triebkraft. Anne Chaplet möchte zu viele Geschichten mit zu vielen Protagonisten aus zu vielen Perspektiven erzählen.
Da ist zunächst Anne, die fast wider Willen von der Aus- zur politischen Aufsteigerin mutiert, sich in ihrer kalten Berliner Amtswohnung nach dem Blöken ihrer Schafe und nach einem männlichen Bettwärmer sehnt. Da ist das Chaplet-Lesern bereits bekannte Duo Karen Stark und Paul Bremer, von dem Die eine als ermittelnde Staatsanwältin und schließlich als dea ex machina in Aktion tritt, der andere einsam in seinem "Kuhkaff" sitzt und der selbigem "Kuhkaff untreu gewordenen Anne nachtrauert. Dann gibt allzu neugierige Journalisten, die mit Minderwertigkeits- oder sonstigen Komplexen kämpfen, es gibt einen amerikanischen Waffenfreak mit Kriegswunden undundund. Anne Chaplet hüpft erzählend von einem Kopf in den nächsten. Sie schickt mal hier einen Hobbydetektiv ins unterirdische Berlin, mal glänzt dort etwas im Bauschutt, wichtige Indizien unterschlägt die Autorin jedoch, was unter Krimifreunden als Kapitalverbrechen gilt. Überdeutlich ist einzig die Botschaft: Das Gewesene lässt sich nicht einfach so zupflastern, auch wenn die Zeichen im neuen Deutschland voll auf "Fit for Fun & Future" stehen. Stoff und Setting von "Nichts als die Wahrheit" wären wohlgemerkt ideal für ein raffiniertes Krimistücklein. Aber Anne Chaplet winkt bloss mit der Gipskelle.
In Susanne Mischkes "Wer nicht hören will, muss fühlen" wird ebenfalls heftig gegraben. Zutage kommen dabei allerdings keine Betonklötze, sondern Menschenknochen. Ein Häuflein davon findet die junge Gärtnerin Rosa im Garten der alten Luise Pauly. Wer wie weshalb unter Frau Paulys gepflegten Rasen geraten ist, bildet den einen, die Frage, wohin und warum Rosas Mutter vor 25 Jahren verschwunden ist, den anderen Teil des Geheimnisses, das die Protagonistin zu lösen gedenkt. Der Autorin liegt überdies das Thema "Wie überwindet frau Mitte Dreissig ihre Bindungsängste?" am Herzen, und aufgeputzt wir das Ganze durch ein Greuelmärchen aus der Nazi-Zeit. Auch Susanne Mischke versteht sich auf die Krimi-Dramaturgie, rein technisch gesehen ist die Mischung aus Ehebruch-, Inzest- und Detektivgeschichte durchaus gelungen. Doch fehlt ihrem Roman, was Anne Chaplet im Überfluss zu bieten hat: Atmosphäre. Anne Chaplet schafft es, mit wenigen Sätzen Stimmungen einzufangen, sei es die Hektik unter der Bundestagskuppel oder die Aura eines Hitler-Tempels. In Susanne Mischkes Roman hingegen scheint das Rendez-vous im Gewächshaus unter genau denselben Bedingungen stattzufinden wie der Nachmittagstee mit der Grosstante im Altersheim. Die Figuren haben mehr Funktion als Charakter, vom harmoniebedürftigen Familienvater bis zum heimlichen jüdischen Geliebten. Und während die deutsche Vergangenheit bei Anne Chaplet die imposante Kulisse des Geschehens bildet, bleibt sie bei Susanne Mische ein Requisit unter vielen. Sowohl "Nichts als die Wahrheit als auch "Wer nicht hören will, muss fühlen fallen in den Bereich des soliden Mittelmasses. Im Gegensatz zu manchen anderen solid mittelmäßigen Romanen möchte man diese beiden jedoch unbedingt zu Ende lesen. Die Krimi-Elemente machen´s möglich womit zwar nicht die zwei Romane, aber sicher die Gattung wieder einma