Man kann das als Metapher sehen, die Gärtnerin Rosa in meinem Buch .... gräbt etwas aus. Gärtner graben ja viel, buddeln ja viel, Verborgenes, Eingegrabenes kommt ans Licht, und insofern ist das schon metaphorisch zu verstehen: Rosa gräbt in ihrer eigenen Vergangenheit und merkt es gar nicht, indem sie dieses Skelett ausgräbt.
Die junge Gärtnerin mit dem sprechenden Namen Rosa macht beim sorgfältigen Einpflanzen eines Pfirsichbaums im großzügigen Garten der Witwe Pauly eine verblüffende Entdeckung: die bleichen Überreste eines menschlichen Skeletts... Die zarte alte Dame scheint davon zu wissen, streitet das aber ab. Doch das ist für Rosa, die weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen, nicht das größte Problem. Denn seit fünfundzwanzig Jahren trauert sie um ihre Mutter, die kurz nach dem Tod des kleinen Bruders spurlos verschwunden ist.
Susanne Mischke gehört zu den sehr seltenen Autorinnen gehobener Unterhaltungsliteratur, die sich von Buch zu Buch nicht wiederholen, sondern steigern. Übrigens begibt sich nicht nur Rosa mit Hilfe eines Internet-Freaks noch einmal auf die Suche nach ihrer Mutter. Auch ihre Mutter Hemma, deren Leben und Verschwinden auf einer zweiten Erzählebene immer wieder eingeblendet wird, ist auf der Suche nach ihren Eltern. Denn sie erfährt von einer Tante, dass sie gar nicht die Tochter des hartherzigen Paares ist, bei dem sie im und nach dem Krieg aufwuchs. Und noch eine dritte Frau ist auf der Suche nach einer Person, die für sie von ungeheurer Bedeutung war: Luise Pauly, die ebenso feine wie undurchschaubare Besitzerin des Gartens, in dem Rosa die menschlichen Skeletteile findet.
Nicht nur die komplex angelegte story selbst, sondern auch der Ton, in dem diese erzählt wird, beide lassen erkennen, an welchen Vorbildern die Autorin sich orientiert:
Bei den Krimis imponieren mir eigentlich immer wieder die Engländerinnen. Nicht das, was momentan auf dem Markt ist, das finde ich langweilig. Eher die alten, Celia Fremlin oder die Highsmith, das sind so meine Vorbilder, was die Krimihandlung angeht, die Spannung.
Es wäre unfair, dem potentiellen Leser mehr zu verraten als die Details einer Romanhandlung, die von der ersten bis zur letzten Seite spannend, weil voller Geheimnisse und Überraschungen ist. Susanne Mischke erzählt die Geschichte der drei Frauen - Rosa, ihrer Mutter Hemma und Luise Pauly - in unzähligen kleinen Episoden, aus denen sich erst nach und nach, wie in einem Puzzle, ein Gesamtbild ergibt. Wie in einem schnell geschnittenen Film springt man lesend von Szene zu Szene, aus der Gegenwart in die siebziger Jahre, bis in die Kriegs- und Nachkriegszeit und wieder zurück. Und an Filme denkt die Autorin auch selbst beim Schreiben:
Nicht, dass ich es wie ein Drehbuch schreiben würde. Sondern ich stell mir das einfach vor manchmal. Es läuft ja auch ein Film im Kopf der Leser ab. Und so stell ich mir das einfach vor. Und ich denk mir, was möchte ich jetzt sehen, was würde jetzt überraschen, was kommt jetzt gut, welche Szene eigentlich? Ich bin so ein Bildermensch, ich denke in Bildern und schreib dann die Szenen auf, wie ich sie mir jetzt vorstelle. Was ich vielleicht in einem Film als nächstes sehen wollte, auch wenn es nur der Film im Kopf ist. Was heißt nur? Meistens ist das eh der bessere!
Doch schon bald blitzen Zusammenhänge und Beziehungen zwischen den vielen Personen und ihren Schicksalen auf. Menschen und Ereignisse der verschiedenen Zeitebenen überschneiden und verknäulen sich. Bis langsam, Schritt für Schritt, die tragischen Ereignisse der Vergangenheit aufgedeckt werden:
In dem Fall, in dem ich mit den Zeiten spiele, hat man natürlich die Macht, gewisse Informationen vorzuenthalten, nachzuliefern, vorzuliefern, je nachdem. Und das ist ein Spiel, das der Leser auch mitspielt, mitspielen möchte, sonst wär es ja auch langweilig, wenn er gleich das Ergebnis kennen würde, am Anfang.
Susanne Mischke ist eine Meisterin des Verwirrspiels. Bis zum Schluß des Romans werden wichtige Gewißheiten immer wieder in Frage gestellt. Ist Hemma tot oder lebt sie noch? Hat sie Selbstmord begangen oder ist sie erschossen worden? Ist sie geflohen? Und wohin? Und - am wichtigsten - warum? Hat der Leser endlich einen Faden aus dem Erzählknäuel gepackt und wickelt ihn vorsichtig ab, stolz darauf, endlich den Durchblick zu haben, dann reißt dieser Faden plötzlich wieder oder verknotet sich unauflösbar. Dass Zufälle dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen, gehört zum Genre, Wahrscheinlichkeit ist Susanne Mischkes Lieblingskategorie nicht. Aber was sie erzählt, ent-wickelt, ist logisch, psycho-logisch. Der Leser wird nie als dumm verkauft:
Das Ganze hängt eigentlich an dem großen Anfangszufall, der bei genauem Hinsehen aber auch kein Zufall ist, nämlich dass eben Rosa, die junge Gärtnerin, in genau diesem Garten bei Frau Pauly das Skelett ausgräbt. Wenn man so genau hinsieht, ist es gar nicht alles so zufällig, es gibt zwar ein paar Zufälle, aber vieles ist auch fast zwangsläufig, dass es passieren muß. Indem man mal so einen Stein angestoßen hat, und dann kommen viele andere ins Rollen.
Manchmal weiß der Leser sogar mehr als die Personen selbst, was die Spannung nicht abschwächt, sondern steigert. Die Autorin beherrscht literarische Kniffe und Tricks. Lange im voraus deutet sie schon auf etwas hin, was passieren könnte, lange im Nachhinein nimmt sie noch einmal eine Szene, einen Gedanken oder Gegenstand auf, der früher eine Rolle spielte. Wie sie überhaupt in Details schwelgt, Dinge sehr präzise beschreibt und Menschen ganz genau beobachtet, so dass man das Gefühl hat, die Ausstrahlung von Personen oder die Atmosphäre von Räumen unmittelbar zu spüren.
Es gibt ein paar Zufälle und etwas Pathos zu viel und ein paar ganz normale Menschen zu wenig. Aber was macht das schon, wenn eine interessante Geschichte handwerklich so hervorragend gemacht ist? Man fühlt sich von diesem Roman, seinen klugen und sensiblen Beobachtungen und seinem so leichten, ironischen Ton auf hohem Niveau unterhalten. Wie nebenbei erfährt man übrigens auch noch einiges über Gärten und Gärtnerinnen. Und die sind ja nicht immer die Mörder:
Bei Hauptfiguren versuche ich schon, das Klischee zu vermeiden, sie möglichst originell zu gestalten. Dem einen sind sie dann ... zu originell, andererseits, eine völlig normale Hauptfigur läuft natürlich Gefahr, langweilig zu sein. Drum ist es immer ein Balanceakt, wie man sie anlegt. Sind sie zu skurrill, sagt vielleicht mancher, sie sei zu konstruiert, es sind zu viele Zufälle. Ist sie zu normal, dann ödet sie einen an. Wer will schon was über Leute lesen, die haargenau sind wie man selber und auch dasselbe erleben.
Die junge Gärtnerin mit dem sprechenden Namen Rosa macht beim sorgfältigen Einpflanzen eines Pfirsichbaums im großzügigen Garten der Witwe Pauly eine verblüffende Entdeckung: die bleichen Überreste eines menschlichen Skeletts... Die zarte alte Dame scheint davon zu wissen, streitet das aber ab. Doch das ist für Rosa, die weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen, nicht das größte Problem. Denn seit fünfundzwanzig Jahren trauert sie um ihre Mutter, die kurz nach dem Tod des kleinen Bruders spurlos verschwunden ist.
Susanne Mischke gehört zu den sehr seltenen Autorinnen gehobener Unterhaltungsliteratur, die sich von Buch zu Buch nicht wiederholen, sondern steigern. Übrigens begibt sich nicht nur Rosa mit Hilfe eines Internet-Freaks noch einmal auf die Suche nach ihrer Mutter. Auch ihre Mutter Hemma, deren Leben und Verschwinden auf einer zweiten Erzählebene immer wieder eingeblendet wird, ist auf der Suche nach ihren Eltern. Denn sie erfährt von einer Tante, dass sie gar nicht die Tochter des hartherzigen Paares ist, bei dem sie im und nach dem Krieg aufwuchs. Und noch eine dritte Frau ist auf der Suche nach einer Person, die für sie von ungeheurer Bedeutung war: Luise Pauly, die ebenso feine wie undurchschaubare Besitzerin des Gartens, in dem Rosa die menschlichen Skeletteile findet.
Nicht nur die komplex angelegte story selbst, sondern auch der Ton, in dem diese erzählt wird, beide lassen erkennen, an welchen Vorbildern die Autorin sich orientiert:
Bei den Krimis imponieren mir eigentlich immer wieder die Engländerinnen. Nicht das, was momentan auf dem Markt ist, das finde ich langweilig. Eher die alten, Celia Fremlin oder die Highsmith, das sind so meine Vorbilder, was die Krimihandlung angeht, die Spannung.
Es wäre unfair, dem potentiellen Leser mehr zu verraten als die Details einer Romanhandlung, die von der ersten bis zur letzten Seite spannend, weil voller Geheimnisse und Überraschungen ist. Susanne Mischke erzählt die Geschichte der drei Frauen - Rosa, ihrer Mutter Hemma und Luise Pauly - in unzähligen kleinen Episoden, aus denen sich erst nach und nach, wie in einem Puzzle, ein Gesamtbild ergibt. Wie in einem schnell geschnittenen Film springt man lesend von Szene zu Szene, aus der Gegenwart in die siebziger Jahre, bis in die Kriegs- und Nachkriegszeit und wieder zurück. Und an Filme denkt die Autorin auch selbst beim Schreiben:
Nicht, dass ich es wie ein Drehbuch schreiben würde. Sondern ich stell mir das einfach vor manchmal. Es läuft ja auch ein Film im Kopf der Leser ab. Und so stell ich mir das einfach vor. Und ich denk mir, was möchte ich jetzt sehen, was würde jetzt überraschen, was kommt jetzt gut, welche Szene eigentlich? Ich bin so ein Bildermensch, ich denke in Bildern und schreib dann die Szenen auf, wie ich sie mir jetzt vorstelle. Was ich vielleicht in einem Film als nächstes sehen wollte, auch wenn es nur der Film im Kopf ist. Was heißt nur? Meistens ist das eh der bessere!
Doch schon bald blitzen Zusammenhänge und Beziehungen zwischen den vielen Personen und ihren Schicksalen auf. Menschen und Ereignisse der verschiedenen Zeitebenen überschneiden und verknäulen sich. Bis langsam, Schritt für Schritt, die tragischen Ereignisse der Vergangenheit aufgedeckt werden:
In dem Fall, in dem ich mit den Zeiten spiele, hat man natürlich die Macht, gewisse Informationen vorzuenthalten, nachzuliefern, vorzuliefern, je nachdem. Und das ist ein Spiel, das der Leser auch mitspielt, mitspielen möchte, sonst wär es ja auch langweilig, wenn er gleich das Ergebnis kennen würde, am Anfang.
Susanne Mischke ist eine Meisterin des Verwirrspiels. Bis zum Schluß des Romans werden wichtige Gewißheiten immer wieder in Frage gestellt. Ist Hemma tot oder lebt sie noch? Hat sie Selbstmord begangen oder ist sie erschossen worden? Ist sie geflohen? Und wohin? Und - am wichtigsten - warum? Hat der Leser endlich einen Faden aus dem Erzählknäuel gepackt und wickelt ihn vorsichtig ab, stolz darauf, endlich den Durchblick zu haben, dann reißt dieser Faden plötzlich wieder oder verknotet sich unauflösbar. Dass Zufälle dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen, gehört zum Genre, Wahrscheinlichkeit ist Susanne Mischkes Lieblingskategorie nicht. Aber was sie erzählt, ent-wickelt, ist logisch, psycho-logisch. Der Leser wird nie als dumm verkauft:
Das Ganze hängt eigentlich an dem großen Anfangszufall, der bei genauem Hinsehen aber auch kein Zufall ist, nämlich dass eben Rosa, die junge Gärtnerin, in genau diesem Garten bei Frau Pauly das Skelett ausgräbt. Wenn man so genau hinsieht, ist es gar nicht alles so zufällig, es gibt zwar ein paar Zufälle, aber vieles ist auch fast zwangsläufig, dass es passieren muß. Indem man mal so einen Stein angestoßen hat, und dann kommen viele andere ins Rollen.
Manchmal weiß der Leser sogar mehr als die Personen selbst, was die Spannung nicht abschwächt, sondern steigert. Die Autorin beherrscht literarische Kniffe und Tricks. Lange im voraus deutet sie schon auf etwas hin, was passieren könnte, lange im Nachhinein nimmt sie noch einmal eine Szene, einen Gedanken oder Gegenstand auf, der früher eine Rolle spielte. Wie sie überhaupt in Details schwelgt, Dinge sehr präzise beschreibt und Menschen ganz genau beobachtet, so dass man das Gefühl hat, die Ausstrahlung von Personen oder die Atmosphäre von Räumen unmittelbar zu spüren.
Es gibt ein paar Zufälle und etwas Pathos zu viel und ein paar ganz normale Menschen zu wenig. Aber was macht das schon, wenn eine interessante Geschichte handwerklich so hervorragend gemacht ist? Man fühlt sich von diesem Roman, seinen klugen und sensiblen Beobachtungen und seinem so leichten, ironischen Ton auf hohem Niveau unterhalten. Wie nebenbei erfährt man übrigens auch noch einiges über Gärten und Gärtnerinnen. Und die sind ja nicht immer die Mörder:
Bei Hauptfiguren versuche ich schon, das Klischee zu vermeiden, sie möglichst originell zu gestalten. Dem einen sind sie dann ... zu originell, andererseits, eine völlig normale Hauptfigur läuft natürlich Gefahr, langweilig zu sein. Drum ist es immer ein Balanceakt, wie man sie anlegt. Sind sie zu skurrill, sagt vielleicht mancher, sie sei zu konstruiert, es sind zu viele Zufälle. Ist sie zu normal, dann ödet sie einen an. Wer will schon was über Leute lesen, die haargenau sind wie man selber und auch dasselbe erleben.