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Wer rennt, gewinnt
Überlebensstrategie der Regenwaldameisen

Biologie. - Regenwaldameisen müssen Rettungsstrategien beherrschen, falls sie einmal vom heimischen Baum fallen. Offenbar können einige Arten ihren Sturz in eine Art Gleitflug umwandeln, andere wiederum können sogar über das Wasser gehen, wenn sie denn in einen Fluss gefallen sind. Im "Journal of Experimental Biology" berichten Forscher jetzt über die unterschiedlichen Strategien.

Von Michael Stang | 12.06.2014
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    Fällt eine Dschungelameise bei ihrer Arbeit vom Baum, gibt es verschiedene Rettungsstrategien. (picture alliance / dpa)
    Steve Yanoviak ist dieser Tage wieder früh auf den Beinen, gegen fünf Uhr morgens beginnt der Arbeitstag. Wie jedes Jahr um diese Zeit ist der US-Biologe von der University of Louisville für mehrere Wochen im Regenwald von Panama unterwegs, um mit Studierenden in den frühen Morgenstunden Ameisen von Bäumen zu sammeln. Die Forscher untersuchen das Fluchtverhalten dieser Insekten. Dass diese Tiere gute Gleiter sind, war bereits bekannt.
    "Was passiert aber, wenn diese Tiere irgendwo im Unterholz landen oder anders: was passiert, wenn sie eben nicht segeln?"
    Zunächst beobachteten die Wissenschaftler, wie sich die Ameisen orientieren, wenn sie in einen Laubhaufen gefallen waren. Dort waren die Tiere wenigen Gefahren ausgesetzt und fanden schnell wieder ihren Baum, von dem sie gestürzt waren. Nun stellte sich die Frage: Was passiert, wenn die Tiere ins Wasser fallen? Dort könnten sie ertrinken, von Strömungen weit weggetrieben werden, zudem sind sie großen Gefahren ausgesetzt, da im Wasser viele hungrige Fische auf solche willkommene Mahlzeiten warten.
    "Ich habe ein paar Ameisen von einer Brücke Richtung Wasser segeln lassen. Zu meiner Überraschung sah ich, dass die Ameisen auf dem Wasser aufschlugen und dann blitzschnell über das Wasser Richtung Ufer liefen. Langsame Ameisen wurden direkt von Fischen gefressen. Damit war klar, dass dieses 'Übers-Wasser-Rennen' eine effiziente Überlebensstrategie ist, um nicht als Fischfutter zu enden."
    Um das im Detail zu verstehen und zu schauen, ob nur diese eine Ameisenart sich als Wasserläufer hervortut oder ob es sich hierbei um ein übliches Verhalten handelt, starteten Steve Yanoviak und seine Kollegen eine Experimentenreihe.
    "Wir haben 35 Ameisenarten untersucht, die fast alle aus dem Regenwald stammten. Wir haben sie nacheinander ins Wasser fallen lassen, das war in diesem Fall ein Kinderplanschbecken. Dabei sahen wir, dass nicht alle Ameisen schwimmen beziehungsweise übers Wasser rennen können. Die Hälfte konnte gut schwimmen und ein Drittel davon konnte exzellent schwimmen, also schneller als drei Körperlängen pro Sekunde."
    Schlechte Schwimmer und gute Gleiter
    Zu den schlechten Schwimmern zählten ausschließlich Ameisenarten, die gute Gleiter sind; gute Schwimmer hingegen waren stets schlechte Gleiter. Demnach benötigen Ameisen nur eine dieser effizienten Strategien, um schnell wieder das heimische Nest zu finden. Bei den guten Schwimmern beobachteten die Forscher aber noch etwas Ungewöhnliches.
    "Als wir zum ersten Mal eine der Schnappkieferameisen (Odontomachus bauri) ins Wasser warfen, schwamm diese sofort auf ein schwarzes Ziel vor weißen Hintergrund zu. Das war sehr überraschend und aufregend, weil es kein Zufall war, sondern sich dieses Verhalten in 80 bis 90 Prozent der Fälle bestätigte."
    Dabei handelt es sich um ein Phänomen, dass die Biologen als Skototaxis bezeichnen. Dieses Verhalten beschreibt eine Hell-Dunkel-Orientierung, bei der sich Tiere gerichtet auf sich dunkel von der helleren Umgebung abhebende Stellen zubewegen. Damit ist klar, dass Ameisen nicht blindlings übers Wasser rennen, sondern zielgerichtet das rettende Ufer beziehungsweise den heimischen Baum ansteuern.