Man kann dem Nordosten vieles vorwerfen, nur eines nicht - er sei Mittelmaß. Kein anderes Bundesland bricht statistisch gesehen so häufig Rekorde, negative und positive, wie Mecklenburg-Vorpommern. Vom Wirtschaftswachstumssorgenkind entwickelte es sich zum Wachstumswunderkind, aber auch die Regionen mit den schlechtesten Zukunftschancen liegen in Mecklenburg-Vorpommern. Drei Regionalzeitungen gibt es im Land, die über diese Entwicklungen schreiben könnten oder sollten – je nachdem, aus welcher Perspektive man die Zeitungslandschaft betrachtet. Es gibt nicht wenige, die kritisieren, dass Mecklenburg-Vorpommern auch beim Abbau von journalistischen Qualitätsstandards an der Spitze der Entwicklung steht.
"Es wird aus meiner Sicht nicht mehr so recherchiert, dass ich als Zeitungsleser sage, jetzt haben sie mich aber gut informiert. Das fehlt mir. Und das kann an Personen liegen und das kann am System liegen, das, was ich höre, spricht bei mir dafür, dass es am System liegt, es wird ausgetrocknet und irgendwann geht es dann nicht mehr."
Armin Jäger ist medienpolitischer Sprecher der CDU und seine Befürchtung deckt sich mit den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Studie über die Qualität und die Vielfalt der Presselandschaft im Nordosten. Diese Studie hat Elke Grittmann vom Institut für Journalistik an der Uni Hamburg geleitet.
"Unsere Studie hat erbracht, dass relativ selten etwas aufwendigere Darstellungsformen eingesetzt werden, Standards sind Meldungen und Berichte. aufwendigere Formen wie Reportage oder Feature oder auch Interviews, die ja auch interessant sind, weil sie Informationen auch gut vermitteln können, oder auch Porträts kommen nur zu einem geringen Anteil vor."
Arbeitsverdichtung, keine Zeit zur Recherche. Das ist ein weiter Befund der Studie. Ein anderer Befund der Wissenschaftler ist:
" ... dass die Beiträge eine relativ geringe analytische Tiefe aufweisen, also wenig Hintergrund in den Berichten und sowieso sehr wenig Hintergrundberichte insgesamt."
Mecklenburg-Vorpommern war von Beginn an in drei Zeitungsmonopole aufgeteilt, die sich an den ehemaligen DDR-Bezirksgrenzen orientierten. Die drei Regionalzeitungen, jede mit einer täglichen Auflage von nurmehr knapp 100.000 Exemplaren, teilen sich das Geschäft. Überregionale Zeitungen werden kaum gelesen. Dafür um so mehr die Anzeigenblätter, die im Land inzwischen die publizistische Macht haben. Die Regionalzeitungen verlieren Jahr für Jahr zwei bis vier Prozent ihrer Abonnenten. Das hat noch nicht direkt etwas mit der Qualität der Blätter zu tun, viel aber mit dem Bevölkerungsschwund in Mecklenburg-Vorpommern, mit Armut und Arbeitslosigkeit: Wer sparen muss, spart zuerst bei der Zeitung. Deswegen müssen auch die Verlage sparen. Immer mehr Redaktionen werden ausgedünnt und zusammengelegt. Das heißt aber auch, der Leser hat die Wahl zwischen einer Meinung oder gar keiner.
"Wenn ich aber nur eine Einheitsmeinung habe, dann bin ich in einem System gelandet, das ich nie wollte."
Der Nordkurier ist die Zeitung, die in Vorpommern, dem Müritz-Kreis und der mecklenburgischen Schweiz gelesen wird, also den strukturschwächsten Gebieten in der gesamten Bundesrepublik. Das Blatt steht seit Kurzem besonders im Fokus der Kritik. Seit 2007 hat die Zeitung die Tarifgemeinschaft verlassen, im April dieses Jahres sollte es neue Honorarrichtlinien geben. Die Autoren und Fotografen sollten quasi alle Urheberrechte für alle nur denkbaren Nutzungsmöglichkeiten abtreten. Das hätte bedeutet, dass ein Reporter einen Text schreibt, den der Verlag nicht nur in der Zeitung, sondern zum Beispiel auch im Internet oder auf einer DVD veröffentlichen darf. Und das, ohne ein weiteres Honorar zahlen zu müssen. Der Deutsche Journalistenverband klagte, und das Gericht entschied, dies sei mit den wesentlichen Grundgedanken des Urheberrechts nicht im Einklang und zöge eine "unangenehme Benachteiligung" der freien Mitarbeiter nach sich. Der Chefredakteur des Nordkuriers, Michael Seidel, sieht das anders: Das sei ein notwendiger Schritt im Überlebenskampf beim Umbau des Verlages in ein Medienhaus.
"Früher hat eine Zeitungsredaktion auf den Redaktionsschluss hingearbeitet, und jetzt ist Redaktionsschluss ständig. Ich erfasse alle Inhalte, Text, Bild, Video, Podcast, alle Formate, die man sich denken kann, medienneutral, auf einer Plattform, formatiere sie dort vor als Variante für einen bestimmten Ausgabekanal und muss mir künftig überlegen, was kann ich online daraus machen, gegebenenfalls mobil, und wie muss ich es dann Print in anderer Form noch mal aufbereiten."
Viel mehr Arbeit, und das alles ohne Neueinstellungen.
"Mehr eingestellt wäre natürlich sehr schön, aber in einer Phase, wo wir uns erstens in einer Medienkrise in einer Zeitungskrise befinden und zweitens noch in einer Wirtschaftskrise, und das in der strukturschwächsten Gegend der Republik, muss ich schon froh sein, dass ich niemanden entlassen muss."
Doch das Ergebnis dieser Entwicklung ist ein Qualitätsverlust, der auch einen Verlust im demokratischen Diskurs bedeutet.
"Unser Grundgesetz geht davon aus, dass wir eine freie engagierte Presse haben. Dass Presse Politik kontrolliert. Davon geht das System aus, und wenn Presse nur noch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen wird, kann sie ihre Aufgabe nicht erfüllen."
In so mancher Redaktion des Nordkuriers herrscht Galgenstimmung. Ein freier Mitarbeiter rechnet vor, dass das Verfassen von Artikeln im Nordosten zum zuzahlungspflichtigen Ehrenamt wird. Um die Einnahmen eines Hartz-IV-Empfängers in Höhe von 351 Euro zu erhalten, so der freie Autor, müsse man monatlich 23 Artikel absetzen, was per Se schon so gut wie unmöglich sei und auch noch nicht mal die Fahrtkosten abdeckt. Er arbeitet mittlerweile als Fremdenführer. Der Verlag selbst hat auch bereits andere Betätigungsfelder entdeckt. Die Zeitungsausträger verteilen in manchen Gegenden bereits die Post. Ein Brief kostet beim Briefdienst Nordkurier 13 Cent weniger als bei der Post. Damit hofft der Verlag, wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen.
"Es wird aus meiner Sicht nicht mehr so recherchiert, dass ich als Zeitungsleser sage, jetzt haben sie mich aber gut informiert. Das fehlt mir. Und das kann an Personen liegen und das kann am System liegen, das, was ich höre, spricht bei mir dafür, dass es am System liegt, es wird ausgetrocknet und irgendwann geht es dann nicht mehr."
Armin Jäger ist medienpolitischer Sprecher der CDU und seine Befürchtung deckt sich mit den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Studie über die Qualität und die Vielfalt der Presselandschaft im Nordosten. Diese Studie hat Elke Grittmann vom Institut für Journalistik an der Uni Hamburg geleitet.
"Unsere Studie hat erbracht, dass relativ selten etwas aufwendigere Darstellungsformen eingesetzt werden, Standards sind Meldungen und Berichte. aufwendigere Formen wie Reportage oder Feature oder auch Interviews, die ja auch interessant sind, weil sie Informationen auch gut vermitteln können, oder auch Porträts kommen nur zu einem geringen Anteil vor."
Arbeitsverdichtung, keine Zeit zur Recherche. Das ist ein weiter Befund der Studie. Ein anderer Befund der Wissenschaftler ist:
" ... dass die Beiträge eine relativ geringe analytische Tiefe aufweisen, also wenig Hintergrund in den Berichten und sowieso sehr wenig Hintergrundberichte insgesamt."
Mecklenburg-Vorpommern war von Beginn an in drei Zeitungsmonopole aufgeteilt, die sich an den ehemaligen DDR-Bezirksgrenzen orientierten. Die drei Regionalzeitungen, jede mit einer täglichen Auflage von nurmehr knapp 100.000 Exemplaren, teilen sich das Geschäft. Überregionale Zeitungen werden kaum gelesen. Dafür um so mehr die Anzeigenblätter, die im Land inzwischen die publizistische Macht haben. Die Regionalzeitungen verlieren Jahr für Jahr zwei bis vier Prozent ihrer Abonnenten. Das hat noch nicht direkt etwas mit der Qualität der Blätter zu tun, viel aber mit dem Bevölkerungsschwund in Mecklenburg-Vorpommern, mit Armut und Arbeitslosigkeit: Wer sparen muss, spart zuerst bei der Zeitung. Deswegen müssen auch die Verlage sparen. Immer mehr Redaktionen werden ausgedünnt und zusammengelegt. Das heißt aber auch, der Leser hat die Wahl zwischen einer Meinung oder gar keiner.
"Wenn ich aber nur eine Einheitsmeinung habe, dann bin ich in einem System gelandet, das ich nie wollte."
Der Nordkurier ist die Zeitung, die in Vorpommern, dem Müritz-Kreis und der mecklenburgischen Schweiz gelesen wird, also den strukturschwächsten Gebieten in der gesamten Bundesrepublik. Das Blatt steht seit Kurzem besonders im Fokus der Kritik. Seit 2007 hat die Zeitung die Tarifgemeinschaft verlassen, im April dieses Jahres sollte es neue Honorarrichtlinien geben. Die Autoren und Fotografen sollten quasi alle Urheberrechte für alle nur denkbaren Nutzungsmöglichkeiten abtreten. Das hätte bedeutet, dass ein Reporter einen Text schreibt, den der Verlag nicht nur in der Zeitung, sondern zum Beispiel auch im Internet oder auf einer DVD veröffentlichen darf. Und das, ohne ein weiteres Honorar zahlen zu müssen. Der Deutsche Journalistenverband klagte, und das Gericht entschied, dies sei mit den wesentlichen Grundgedanken des Urheberrechts nicht im Einklang und zöge eine "unangenehme Benachteiligung" der freien Mitarbeiter nach sich. Der Chefredakteur des Nordkuriers, Michael Seidel, sieht das anders: Das sei ein notwendiger Schritt im Überlebenskampf beim Umbau des Verlages in ein Medienhaus.
"Früher hat eine Zeitungsredaktion auf den Redaktionsschluss hingearbeitet, und jetzt ist Redaktionsschluss ständig. Ich erfasse alle Inhalte, Text, Bild, Video, Podcast, alle Formate, die man sich denken kann, medienneutral, auf einer Plattform, formatiere sie dort vor als Variante für einen bestimmten Ausgabekanal und muss mir künftig überlegen, was kann ich online daraus machen, gegebenenfalls mobil, und wie muss ich es dann Print in anderer Form noch mal aufbereiten."
Viel mehr Arbeit, und das alles ohne Neueinstellungen.
"Mehr eingestellt wäre natürlich sehr schön, aber in einer Phase, wo wir uns erstens in einer Medienkrise in einer Zeitungskrise befinden und zweitens noch in einer Wirtschaftskrise, und das in der strukturschwächsten Gegend der Republik, muss ich schon froh sein, dass ich niemanden entlassen muss."
Doch das Ergebnis dieser Entwicklung ist ein Qualitätsverlust, der auch einen Verlust im demokratischen Diskurs bedeutet.
"Unser Grundgesetz geht davon aus, dass wir eine freie engagierte Presse haben. Dass Presse Politik kontrolliert. Davon geht das System aus, und wenn Presse nur noch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen wird, kann sie ihre Aufgabe nicht erfüllen."
In so mancher Redaktion des Nordkuriers herrscht Galgenstimmung. Ein freier Mitarbeiter rechnet vor, dass das Verfassen von Artikeln im Nordosten zum zuzahlungspflichtigen Ehrenamt wird. Um die Einnahmen eines Hartz-IV-Empfängers in Höhe von 351 Euro zu erhalten, so der freie Autor, müsse man monatlich 23 Artikel absetzen, was per Se schon so gut wie unmöglich sei und auch noch nicht mal die Fahrtkosten abdeckt. Er arbeitet mittlerweile als Fremdenführer. Der Verlag selbst hat auch bereits andere Betätigungsfelder entdeckt. Die Zeitungsausträger verteilen in manchen Gegenden bereits die Post. Ein Brief kostet beim Briefdienst Nordkurier 13 Cent weniger als bei der Post. Damit hofft der Verlag, wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen.