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Wer sich mit Bildern schmückt

Was bedeutet der Besitz von Kunstwerken und wie setzen ihre Besitzer diese ein? Dieser Frage geht derzeit eine Ausstellung in Berlin nach. Sie zeigt, wie Mächtige Kunst auch als Teil ihrer Herrschaftsinszenierung benutzen, so zum Beispiel Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Von Burkhard Müller-Ullrich |
    Es sind hauptsächlich Bilder von Bildern, die in dieser Ausstellung gezeigt werden. Bilder von Leuten, die Bilder betrachten, die Bilder aufhängen, die auf Bilder zeigen oder die einfach zusammen mit den Bildern abgebildet werden. Diese Leute sind allerdings keine Museumsbesucher, keine Kunsthändler und auch keine Innenarchitekten, sondern es handelt sich um die jeweiligen Bildbesitzer. Die Bilder in dieser Ausstellung dokumentieren das Verhältnis der Besitzer zu ihren Bildern – ein symbolisch hoch aufgeladenes Verhältnis, denn erstens ist alles, was Kunst betrifft, symbolisch aufgeladen, und zweitens setzen die Kunstbesitzer, um die es hier geht, diese Tatsache strategisch ein.

    Zum Beispiel die deutschen Bundeskanzler: Wie standen sie zur, was verstanden sie von Kunst, und mit welcher Kunst umgaben sie sich? Wir sehen Ludwig Erhard, der den lichten und schlichten Kanzlerbungalow in Bonn erbauen ließ, und erkennen, dass er von der Formensprache der Moderne vielleicht stärker überzeugt war als jeder seiner Nachfolger – trotz des abfälligen Pinscher-Wortes gegenüber den Literaten.

    Wir sehen Helmut Kohl, der um eine Käthe-Kollwitz-Statue in seinem Büro eine Privatmythologie machte, was dazu führte, dass er von dem Werk eine monumentale Vergrößerung anfertigen und in die Neue Wache zu Berlin stellen ließ.

    Und wir sehen natürlich Gerhard Schröder, den überjovialen Künstlerfreund, der mit Immendorff, Baselitz und Lüpertz verkehrt und sich über deren provokative Zumutungen immer unbändig zu freuen scheint.

    Der genaue Grund seiner Freude, beziehungsweise der ästhetische Wirkmechanismus des dahinter stehenden Machtpostulats – das ist der eigentliche Gegenstand dieser von dem Kunst- und Medienwissenschaftler Wolfgang Ullrich kuratierten Schau. Denn Macht zeigt man nicht so sehr und nicht mehr durch Kaufen und Ausstellen affirmativer und repräsentativer Kunstwerke, sondern vielmehr durch souveränen Umgang mit schwierigen, anstrengenden und auf jede Weise disharmonischen Artefakten. Schröder ließ sich beispielsweise einen mit Fingerfarben hingeschmierten Adlerflügel von Baselitz in sein Dienstzimmer hängen: das Staatswappentier tot, verkehrtherum und wüst gestaltet – gröber konnte die Konventionsverletzung kaum ausfallen. Aber souverän ist eben, wer Konventionsverletzungen weglacht. Darin erwies sich Schröder allemal als Meister.

    Es kommen auch noch viele andere Politiker vor – von Guido Westerwelle über Klaus Wowereit bis zu Horst Köhler – und jedesmal eröffnet sich durch Bilder, die sie neben oder vor ihren Lieblingskunstwerken zeigen, ein Blick auf die Methoden der damit verbundenen Machtdemonstration. Westerwelle zum Bespiel, der als ernsthafter Kunstsammler keineswegs im Verdacht steht, Begeisterung und Sachverstand bloß vorzutäuschen, umgibt sich mit durchaus beunruhigenden Gemälden von Norbert Bisky (einem Sohn des ehemaligen PDS-Vorsitzenden Lothar Bisky) oder Jonathan Meese.

    Da nicht nur Politiker Macht haben und Macht zeigen, gibt die Ausstellung auch Konzern- und Bankchefs weiten Raum. Man lernt durch Fotos das Haupthaus der Kreditanstalt für Wiederaufbau kennen und staunt, dass dieses öffentlich rechtliche Institut weit mehr als 2500 Exponate beherbergt, oder die E.On-Zentrale in Düsseldorf, die ihrer Sammlung nur Werke bereits etablierter Künstler einverleibt, welche – wie es offiziell heißt – "bleibende oder wachsende kunsthistorische Bedeutung versprechen".

    Ganz zu schweigen von der Deutschen Bank, die ja eine so üppige Kunstsammlung besitzt, dass sie in Berlin zusammen mit dem Label Guggenheim ein eigenes Museum bestücken kann. Irgendetwas für die Schau im Deutschen Historischen Museum auszuleihen, kam deshalb wohl nicht infrage. Eine entsprechende Bitte wurde abgelehnt.

    Trotzdem stammt eines der köstlichsten Bilder der jetzigen Ausstellung aus der Deutschen Bank. Es zeigt ihren einstigen Vorstandssprecher Hilmar Kopper stehend neben einer Statue in einem Raum mit bodentiefen Fenstern. Kopper schaut die Statue nicht an, er wendet ihr den Rücken zu. Stattdessen blickt er über Frankfurt. Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass er nicht mal das tut. Er hat die Augen geschlossen.

    Service:
    Die Ausstellung "Macht zeigen" im Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums Berlin ist bis zum 13. Juni 2010 täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.