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Wer suchet, der findet nicht immer

Führt die globale Vernetzung durch das Internet automatisch zu mehr Wissen über die Welt? Und welchen Beitrag leisten Suchmaschinen dabei? Jenen zentralen Fragen widmet sich Eli Pariser in seinem Buch "The Filter Bubble".

Von Katja Ridderbusch |
    "When I was growing up, the internet meant something very different to me. It meant something that would connect us all together. I was sure that it was going to be great for democracy and for our society."

    Als Teenager hatte Eli Pariser einen Traum: Dass das Internet eine bessere Welt schaffe, dass es die Menschen miteinander vernetze und Demokratie stifte. Mittlerweile ist Eli Pariser 30 Jahre alt – und sein Traum hat tiefe Kratzer bekommen. Denn: Google, Facebook, Apple und Microsoft, all die Giganten des Internet - sie sammeln nicht nur Informationen über ihre Nutzer. Ihre komplexen Algorithmen diktieren auch immer stärker, welche Informationen wir zu mögen haben, und auf welche wir getrost verzichten können. Kurz: Google, Facebook und Co. bestimmen, was für uns Relevanz hat und was nicht. Und das Ergebnis sieht dann so aus:

    "Ein Eichhörnchen, das in deinem Vorgarten stirbt, ist für dich vielleicht wichtiger als die Menschen, die in Afrika sterben."

    Das ist ein Zitat von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Eli Pariser stellt es seinem Buch "The Filter Bubble" voran, wie ein Motto über einem Lehrstück. Tatsächlich kennt jeder, der bei Amazon einkauft, das Prinzip:
    Die Website begrüßt den Nutzer mit einer Liste von ganz persönlichen Produkt-Empfehlungen. Doch auch Google, die Suchmaschine, und Facebook, das soziale Netzwerk, arbeiten mit ähnlichen Filtern der Personalisierung. So kann eine identische Suchanfrage bei Google durchaus unterschiedliche Ergebnisse bringen. Eli Pariser machte den Test - und berichtet im amerikanischen Rundfunk NPR:

    "Ich habe zwei Freunde zur gleichen Zeit das Stichwort "BP" googlen lassen: Eine Person bekam Informationen über die Ölkatastrophe und die Umweltschäden. Die andere Person bekam Börsentipps."

    Wozu dienen die Relevanz-Filter? Sie sollen helfen, ein Profil des Nutzers als Konsumenten zu erstellen – und Anzeigen zielgenau und maßgeschneidert zu platzieren. Was Pariser aber vor allem beunruhigt, ist die mangelnde Transparenz dieser Vorgänge, das große Kungeln hinter den digitalen Kulissen:

    "Das Netz arbeitet im Verborgenen, um Informationen über dich zu sammeln. Das ist undurchschaubar. Du weißt nicht, warum du siehst, was du gerade siehst - und du weißt erst recht nicht, was ausgeblendet wird."

    Ausgeblendet wird alles, was nicht so häufig angeklickt wird, sprich: Was keinen Spaß macht, was unbequem ist oder ein bisschen anstrengend. Das sind oftmals die harten politischen Nachrichten. Informationen über Kriege, Krisen, soziale Missstände. Dinge, sagt Pariser, die jeder gute Bürger wissen müsse:

    "Der Krieg in Afghanistan zum Beispiel; das ist eine enorm wichtige Sache. Da sterben jeden Tag Menschen. Denen schulden wir es, darüber Bescheid zu wissen. Aber: Nachrichten über Afghanistan werden nie so viele Kicks bekommen wie eine Klatschmeldung über den Immobilienmogul Donald Trump."

    Basis-Demokratie mit dem "Gefällt-mir"-Button – das ist Parisers Schreckensszenario. Der Autor ist Mitglied der linksliberalen Graswurzelbewegung MoveOn.org – und ein Kind der Web-2.0-Generation, des "Mitmach"-Web. Doch er musste erfahren: Statt am globalen Lagerfeuer zu sitzen, finden sich die Nutzer in rosaroten Filterblasen, die sich luftdicht um den Einzelnen schließen und ihn einlullen. Ein digitaler Zuckerwattekosmos, mehr "Schöne Neue Welt" als "1984". "The Filter Bubble" ist ein schlaues, ein wichtiges, auch ein beunruhigendes Buch. Und enorm unterhaltsam noch dazu. Am Ende appelliert Eli Pariser an Google und Co., ihre Funktion als Gatekeeper verantwortungsvoll wahrzunehmen. Er plädiert für eine – ganz altmodische – journalistische Ethik im Cyberspace. Und schließt mit einer Art Liebeserklärung:

    "Um die digitale Landschaft vor ihren Auswüchsen zu bewahren, brauchen wir eine neue Bewegung von digitalen Umweltaktivisten. Wir brauchen mündige Bürger des Cyber-Raumes, die diesen wunderbaren Ort, den wir gemeinsam geschaffen habe, auch gemeinsam schützen."

    Eli Pariser, so scheint es, hat wieder einen Traum.

    Eli Pariser: "The Filter Bubble". Penguin Books (UK), 320 Seiten, Euro 12,95 ISBN: 978-0-670-92038-9