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"Wer wird Millionär" für Affen und Delfine

Psychologie. - Jedes Tier, von der Ameise bis zum Affen, muss ständig Entscheidungen treffen. Noch eine Banane oder lieber ins Schlafnest? Passt die Tannennadel noch in die Zange oder soll diese für einen Kampf frei bleiben? Dass Tiere in solchen Situationen in irgendeiner Form nachdenken, ist offensichtlich. Die Wissenschaftler sind sich aber uneins, ob manche Arten nicht nur über die Welt sinnieren, sondern auch über ihre eigenen Gedanken. Metakognition nennt sich das und nimmt im menschlichen Bewusstsein breiten Raum ein: wie fühle ich mich, bin ich mir sicher, solche Gedanken sind Denken über das Denken. In einer Fachzeitschrift über Verhaltens und Gehirnforschung behaupten jetzt Wissenschaftler aus Buffalo, dass Affen und Delfine ähnliche komplexe Gedankengänge haben. Der Test dazu ähnelt einer Quizshow für Tiere.

    Geht es um hohen Einsatz, wird der Mensch schnell zögerlich. "Das wäre jetzt wirklich geraten, ich glaube, ich muss diese Frage tauschen", heißt es dann bei der "Quizshow" oder "Wer wird Millionär". Die Kandidaten zelebrieren öffentlich ihre Unsicherheit und ein Millionenpublikum sieht ihnen gespannt dabei zu. Ganz andere Aspekte finden Psychologen, wenn sie ebenfalls zuschauen. Dabei geht es allerdings weniger um Wissen, sondern vor allem um das Denken über das Denken – die so genannte Metakognition. Um den begehrten Preis zu erbeuten, müssen die Kandidaten die korrekte Antwort auswählen und gleichzeitig einschätzen, wie sicher sie sich dabei sind. Der "gekonnte" Zweifel hilft bei der Entscheidung, ob ein Risiko lohnt oder man sich besser mit dem sicheren Gewinn begnügt. In die Zwickmühle der Unsicherheit einer Rateschau führen US-Forscher jetzt aber auch Tiere. An der Universität in Buffalo fragt "Quizmaster" Professor John David Smith im Experiment Rhesusaffen, ob sie ein bestimmtes Bild schon einmal gesehen haben. Die Tiere können dann mit einem Joystick auf "bekannt" klicken oder auf "unbekannt". Stimmt die Antwort, gibt es heiß begehrtes Popcorn, ist sie falsch wird das Spiel kurz unterbrochen und der Snack rückt in frustrierende Ferne.

    Dieser Ablauf allein ist indes ein herkömmlicher Versuchslablauf in der Verhaltensforschung. Doch die Affen in Buffalo haben daneben auch noch eine dritte Option: sie können eine Frage auch verweigern und direkt zum nächsten Bild weitergehen, genauso wie bei vielen Fernseh-Quizshows, berichtet John David Smith: "In diesem Fall muss das Tier sein Gedächtnis bewerten und sagen, ich erinnere mich nicht wirklich deutlich, aber das Bild ist auch nicht wirklich unbekannt. Ich weiß nicht, ob ich mich erinnere. Die Tiere verwenden diese Möglichkeit ganz ähnlich, wie das Menschen in genau dem gleichen Experiment tun. Das zeigt, dass es eine große Verwandtschaft zwischen den geistigen Fähigkeiten dieser beiden Arten gibt." Je schwieriger die Aufgaben waren, desto häufiger wollten Affen wie Menschen lieber zur nächsten Frage weitergehen, statt sich festzulegen, ob sie ein Bild wirklich schon gesehen hatten. Daraus schlussfolgert Smith, dass bei so ähnlichem Verhalten auch die Denkvorgänge sich gleichen sollten. Wenn aber auch Rhesusaffen zweifeln können, dann verfügen sie auch die Fähigkeit zur Metakognition. Mehr noch, denn wie bei Fernsehkandidaten führt auch bei den Affen das Nachdenken über die eigenen Gedanken öfter in die Irre. Hierin sieht Professor Smith einen weiteren Hinweis, dass die Ergebnisse wirklich Metakognition nachweisen und nicht nur einen niedrigen geistigen Reflex. Das Phänomen indes beschränkt sich nicht allein auf Rhesusaffen: Auch ein Delfin offenbarte so seine Zweifel. Ratten dagegen, ebenso Tauben, bewiesen lediglich die Verarbeitung ihrer Umwelt, nicht aber der Qualität der eigenen Gedanken.

    Der Zweifel an eigenen Gedanken, so der Verhaltensforscher, sei sicher nicht allein für Quizshows angelegt, sondern helfe auch im Dschungel oder der Tiefsee entscheidend weiter: "Manchmal geraten Tiere in Situationen, die sie nicht kennen und nicht wissen, was zu tun ist. Dann ist es schlecht, auf Autopilot zu schalten. Viel besser dagegen ist es, wenn ein Tier einen geistigen Raum hat, indem es erst einmal in Ruhe seine Informationen abwägen kann, um sich dann für die beste Möglichkeit zu entscheiden." Für diesen Raum scheint ein Mindestmaß an schierer Nervenmasse nötig zu sein, wie die durchgefallenen Kandidaten – Ratten und Tauben - in Buffalo zeigten. Dass die zweifelnden Tiere sich aber bewusst seien, dass sie über Gedanken denken, glaubt John David Smith kaum. Trotzdem ist er sicher, dass die Metakognition beim Menschen ein wichtiger Baustein für ein Gefühl der eigenen Identität und des Bewusstseins ist: "Die meisten Forscher glauben, dass die Metakognition zu den komplexesten geistigen Fähigkeiten des Menschen gehört. Dass Tiere ähnliche Fähigkeiten haben, erhöht unsere Wertschätzung für ihren Verstand."

    [Quelle: Volkart Wildermuth]