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Wer zahlt die Zeche?

Asse II steht für ein stillgelegtes Salzbergwerk, in dem schwach radioaktive Abfälle auf Dauer gelagert werden sollten. Es steht auch für Lecks im Bergwerk, poröse Fässer und austretende Radioaktivität. Am Mittwoch tritt nun ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zusammen, um Ursache und Schuld zu klären.

Von Susanne Schrammar und Axel Schröder | 15.06.2009
    490 Meter rauscht der Förderkorb in die dunkle Tiefe des Bergwerks. Am Ziel: eine kirchengroße Halle, die Wände aus rötlichem Salzgestein. Ein Gebläse sorgt für Frischluft. Es ist 32 Grad heiß, unten in den Gewölben des ehemaligen Salzbergwerks. Das ist nach dem umliegenden Höhenzug benannt und zum Symbol für die ungeklärte Frage der atomaren Endlagerung in Deutschland geworden: die Asse.

    Übermorgen tritt in Niedersachsen das erste Mal ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss in Sachen Asse zusammen. Der soll klären, wer wann davon gewusst hat, dass die Radioaktivität tief unten im Berg außer Kontrolle gerät. Währenddessen wird in Berlin diskutiert, wer die Sanierungskosten übernehmen soll und ob nicht auch die Atomindustrie einen Beitrag leisten muss.

    In einer Nische der mächtigen Salzwand, im Eingangsbereich zum Stollenlabyrinth, steht eine goldschimmernde Skulptur - die Heilige Barbara, erklärt Besucherführerin Annette Parlitz.

    "Das ist die Schutzheilige der Bergleute, wir haben die noch gar nicht sehr lange, erst seit dem 4. Dezember 2007, die möchte uns beschützen. "

    Die Heilige Barbara gilt bei Bergleuten als Symbol der Standfestigkeit. Doch auch sie konnte nicht verhindern, dass die Asse heute hochgradig einsturzgefährdet ist, abzusaufen droht und damit als unsicherstes Atommülllager der Welt gilt.
    Unzählige Hohlräume durchziehen den Salzstock, entstanden durch den jahrelangen Abbau von Kali- und Steinsalz. Schon deshalb hätte das ehemalige Salzbergwerk Asse II niemals als Versuchsendlager in Betrieb gehen dürfen. Niemals hätten hier die 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Material gelagert werden dürfen. Das sei eigentlich schon zu Beginn des Versuchsbetriebes im Jahr 1965 klar gewesen, sagt Wolfram König. Er ist Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz. Seit einem halben Jahr ist die Behörde Betreiber der Asse.

    "Die Asse ist ein Lexikon, wo man nachlesen kann, wie man es nicht machen darf. Man hat dort ein altes Bergwerk genommen, wo schon damals eindeutige Hinweise waren, dass Wasser eindringen wird und dass auch schon Feuchtigkeit existierte. Man hat ein Bergwerk genommen, was mit riesigen Hohlräumen versehen ist und damit es zu erheblichen Veränderungen auch der mechanischen Situation kommen musste. Eine Flanke hat sich dort schon sechs Meter weit in den Berg hinein verschoben. Die Asse ist eines der größten Umweltprobleme, die wir in der Bundesrepublik haben."

    Und vermutlich auch eines der teuersten. Die Einlagerung des schwach- und mittelradioaktiven Mülls und der jahrzehntelange Versuchsbetrieb haben bereits Abermillionen Euro verschlungen. Allein von 1993 bis 2007 betrugen die Kosten für die Asse nach Angaben des alten Betreibers, der Helmholtz-Gesellschaft in München, rund 260 Millionen Euro. Königs Behörde, das Bundesamt für Strahlenschutz, muss das marode Atommülllager zunächst stabilisieren. Allein diese Maßnahme kostet mindestens 20 Millionen.

    Seit das BfS, das Bundesamt für Strahlenschutz, zuständig ist, sind die Zeiten des Versuchsbergwerks vorbei. Asse II ist nun auch offiziell das, was es spätestens seit Mitte der Siebziger Jahre de facto war: ein Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Müll. Die Kosten der Sanierung trägt der Bund, also: der Steuerzahler. Das haben Union, SPD und FDP gegen die Stimmen der Linken und Bündnis90/Die Grünen beschlossen. Paragraf 57 b des Atomgesetzes wurde vor zwei Monaten entsprechend geändert, die Verursacher des Mülls, die Stromkonzerne sind aus dem Schneider. Aber es regt sich Widerstand gegen diese Regelung. Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz:

    "Wir haben ja nicht nur die Asse. Wir haben ja noch ein zweites Projekt: Morsleben, das DDR-Endlager. Auch hier zahlt allein der Steuerzahler, obwohl nach der Wende in dieses DDR-Endlager mehr Abfälle hineingekommen sind als zur DDR-Zeit. Dort hat man auch eine sehr günstige Lösung für die Industrie geschaffen, ihren Abfall, ihren schwach- und mittelradioaktiven Abfall zu entsorgen. Heute sollen wir allein aus der Steuertasche die Sanierung und die Schließung bezahlen. Ich denke, hier gibt es politisch-moralische Ansätze, zu sagen: Es ist gerecht, wenn hier auch die Industrie einen Beitrag leistet."

    Vier bis fünf Milliarden Euro werden die Sanierungsarbeiten in Asse II und Morsleben zusammen kosten, so die Schätzungen. Und auf den ersten Blick scheint es ganz einfach, die Energiekonzerne an diesen Kosten zu beteiligen: Denn in Deutschland ist geregelt, dass die Konzerne vorsorgen müssen für die Entsorgung ihres Mülls, für den Rückbau der abgeschalteten Atommeiler, bis hin zur grünen Wiese. Es gilt das Verursacherprinzip und dementsprechend wird die Erkundung des Salzstocks im niedersächsischen Gorleben auch von E.On, EnBW, RWE und Vattenfall gezahlt. Im Detail: Das Bundesamt für Strahlenschutz, als Betreiber des Erkundungsbergwerks, zahlt die Kumpel unter Tage, die Monteure, die Verwaltung in Gorleben. Und schickt regelmäßige Kostenbescheide an die Stromversorger. Die legen für genau diesen Zweck Geld zurück: die sogenannten Rückstellungen. Insgesamt haben die Energiekonzerne Milliarden beiseitegelegt.

    Die genaue Höhe geht aus der Antwort auf eine Anfrage der Grünen vom März dieses Jahres hervor: E.On verfügt über 12,2 Milliarden Euro Rückstellungen, die RWE AG über 9,4, EnBW über 4,7 und Vattenfall Deutschland über 1,1 Milliarden Euro. Rund 27 Milliarden, steuerfrei. Es ist also genug im Topf für die Sanierung von Asse II und Morsleben. Warum sich die Atom-Konzerne dennoch nicht mit den für die Beseitigung von nuklearen Altlasten vorgesehenen Rückstellungen an den Kosten beteiligen wollen, erklärt Maik Ressel von der Lobbyorganisation "Deutsches Atomforum":

    "Die Betreiber der deutschen Kernkraftwerke haben sich immer um die von ihnen verursachten Abfälle gekümmert. Die Situation in der Asse ist ein Problem. Ein Problem, was gelöst werden muss. Aber die deutschen Kernkraftwerksbetreiber haben diese Probleme nicht verursacht. Sie haben die Abfälle damals an die Wiederaufbereitungsanlage in Karlsruhe geliefert. Und damit sind die Abfälle in die öffentliche Hand übergegangen. Daher gibt es auch gar keine Veranlassung, jetzt die Versorger da ins Boot zu ziehen und zu sagen: "Wir möchten trotzdem, dass ihr für die Beseitigung dieses Schadens bezahlt."

    Als der Salzstock im niedersächsischen Assegebirge 1906 ausgebaut wurde, waren die übergroßen Kammern im Salz bis zu fünf Meter an das wasserführende Deckgebirge herangetrieben worden. Seitdem drücken diese höher gelegenen Gesteinsschichten auf die vielen Hohlräume. Für die GSF - die Gesellschaft für Strahlenforschung - den Vorläufer der Helmholtz-Gesellschaft, die im Auftrag des Bundes die Asse 1964 kaufte, war das offenbar kein Problem. Die Asse sollte trotzdem als Prototyp für ein zukünftiges Atommüllendlager dienen. Gerade mal 600.000 Mark hat der Bund für das Bergwerk seinerzeit ausgegeben.

    Annette Parlitz fährt in diesen Tagen Besuchergruppen mit einem schmutzig gelben Kleinlaster durch die dunklen Gänge. Und wenn sie ihnen deutlich machen will, in welch desolatem Zustand sich das vermeintliche Schnäppchen heute befindet, hält sie vor einer der vielen Einlagerungskammern an.

    "Man kann das wirklich hier sehr schön sehen. Das Salz durch den Druck des Gebirges, das auflastet, verschiebt sich und es platzt der vordere Teil ab, einige Zentimeter in großen Platten. Wenn Sie sich vorstellen, Ihnen fällt so ein großer Brocken seitlich aufs Fahrzeug oder oben von der Decke runter – das ist natürlich eine erheblich bergliche Gefahr."

    Herabstürzende Salzbrocken – in der Asse keine Seltenheit. Nicht auszudenken, was sie bei den 126.000 Atommüllfässern anrichten könnten, die hier zwischen 1967 und 1978 einfach über Abhänge in die Asse gekippt wurden. Etliche Fässer, die in den dunklen Einlagerungskammern vor sich hinrosten, sollen zerbeult oder geplatzt sein.
    Was genau sich in den Fässern befindet, darüber gibt es bis heute keine klaren Erkenntnisse. Gerade erst wurde bekannt, dass auch kontaminierte Tierkadaver und Pflanzenschutzmittel in der Asse liegen. Und die Menge des krebserregenden radioaktiven Isotops Tritium in den Fässern mit mittelradioaktivem Abfall soll nach Erkenntnissen von Greenpeace viel höher sein als bisher angenommen.

    Höchstens bis 2020, so lauten neueste Berechnungen, kann die Stabilität der Asse garantiert werden. Einige Experten rechnen sogar damit, dass die Asse bereits 2014 einstürzen könnte. Die 250 Mitarbeiter der Asse AG und weitere 100 Beschäftigte von Fremdfirmen sind rund um die Uhr damit beschäftigt, Gefahrenabwehr zu betreiben. Auch, weil man früher versucht habe, die Asse mit kostengünstigeren, aber wirkungslosen Mitteln zu stabilisieren, erklärt Florian Emrich vom Bundesamt für Strahlenschutz. Er zeigt auf einen etwa zehn Zentimeter dicken Riss in der Salzwand.

    "In der Vergangenheit hat man versucht, mit Einblasen von losem Salzgrus das Hohlraumvolumen zu füllen und die Grube zu stabilisieren. Dieser Stabilisierungseffekt hat sich nicht so ergeben, der Grund ist, loses Salzgrus, das hat sehr viel Hohlraumvolumen und sackt dann auch noch weiter ab. Und sie haben dann sogenannte Firstspalten, also Hohlräume, die sich hier dann wieder oben bilden. Das hier ist nur ein kleiner, es gibt wesentlich größere Hohlräume, die mit der Zeit entstanden sind. Sie haben dadurch natürlich nicht diesen Stabilisierungseffekt, weil die Decke nicht angebunden ist an das Verfüllmaterial."

    Ein vom BfS in Auftrag gegebenes Gutachten veranschlagt allein für dieses Problem Sanierungskosten in Höhe von 20 Millionen Euro. Die entstandenen Firstspalte sollen mit Salzbeton ausgefüllt werden. Damit könnten sich die jetzigen Betreiber ein paar Jahre mehr Zeit erkaufen. Zeit, die dringend nötig ist, um ein Schließungskonzept für die Asse zu realisieren.

    Die Suche nach der Herkunft des Strahlenmülls in der Asse ergibt: Der Hauptlieferant war tatsächlich die WAK, die Wiederaufbereitungsanlage in Karlsruhe, eine staatliche Pilotanlage zu Forschungszwecken. Allerdings, so Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, wurde mit ihrem Betrieb die kommerzielle Nutzung der Kernenergie mit Staatsgeldern subventioniert:

    "Die reden sich jetzt manchmal raus und sagen: "Das ist doch alles Forschung gewesen!" In Wahrheit ist das natürlich Forschung zum Zwecke des Betriebs von Atomkraftwerken gewesen. Von daher finde ich, darf man sie da nicht entwischen lassen."

    Aus der WAK in Karlsruhe stammen 90 Prozent der Fässer, die in Asse II eingelagert sind. In zwei Drittel dieser Fässer steckt wieder aufbereiteter schwach- und mittelradioaktiver Müll aus kommerziell betriebenen Kernkraftwerken. Der Umweg über die WAK ermöglichte den Konzernen eine Entsorgung zum Schnäppchenpreis. Für die direkte Einlagerung in der Asse gab es von 1967 bis 75 zunächst gar keine Gebührenordnung, von 1976 bis 1978 flossen rund 16 Millionen D-Mark an Gebühren nach Asse II. Trotz dieser Billig-Entsorgung mit Staatshilfe bleiben die Energieversorger hart: sie haben damals ihre, wenn auch geringen Müll-Gebühren bezahlt, die Zustände in der Asse gehen sie nichts an. Maik Ressel vom Deutschen Atomforum:

    "Bei der Asse dreht sich alles um die Beseitigung von Schäden – nur wer soll es bezahlen? Und die Energieversorger haben das da unten nicht verursacht!"

    Rechtlich können die Stromkonzerne nicht in die Pflicht genommen werden, und eine moralische Verpflichtung nach dem Motto: Wer mit hunderttausend Jahre strahlenden Brennelementen Millionen verdient, muss auch Probleme beseitigen, die nach dreißig Jahren bei der Entsorgung entstehen – eine solche moralische Verpflichtung erkennen die Atomstromer nicht. - Und deshalb sucht Bundesumweltminister Sigmar Gabriel nach anderen Möglichkeiten, die Energieriesen zu beteiligen. Im Zentrum steht dabei die Idee einer Brennelementesteuer oder Brennelementeabgabe. Dieser Vorschlag findet sich seit dem gestrigen SPD-Parteitag auch im Wahlprogramm.

    "Wir würden pro Jahr rund 2 Milliarden Euro einnehmen – das sinkt, das Jahresvolumen, je nachdem, wie viele Kernkraftwerke noch laufen, denn 2020 wollen wir ja ausgestiegen sein. Und daraus könnten wir die Sanierung dieser Endlager bezahlen. Wenn wir die Finanzmittel nicht vollständig brauchen zur Sanierung, dann macht es Sinn, diese Mittel auch dort einzusetzen, wo wir es am nötigsten haben, nämlich bei der Steigerung der Energieeffizienz in Deutschland. Aber im Mittelpunkt der Kernbrennstoffsteuer steht, dass wir die Sanierung dieser sehr, sehr schwierigen Lage in den beiden Endlagern – Asse aus meiner Sicht noch schwieriger als Morsleben – dass wir die nicht durch den Steuerzahler bezahlen lassen wollen."

    Der Sanierungsbedarf ist immens, Gabriels Brennelementesteuer könnte den Kostenanteil der Steuerzahler spürbar senken. Maik Ressel vom Deutschen Atomforum lehnt Gabriels Idee erwartungsgemäß ab. Vor allem die Regelungen des unter Rot-Grün mit den Stromversorgern ausgehandelten Atomkonsens' widersprächen einer Kernbrennstoffabgabe, sagt Ressel:

    "Die Kernbrennstoffsteuer ist pure Spekulation! Und das mitten im Wahlkampf ... Es gibt im Moment keine Pläne, wie man damit umgeht. Es gibt halt nur Bedenken, weil in der Vereinbarung zwischen den Energieversorgern und der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 die Diskriminierung der Kernenergie durch steuerliche Eingriffe ausgeschlossen worden ist."

    Von Diskriminierung will das Bundesumweltministerium aber nichts wissen. Den Vorwurf weist es in einem internen Papier zurück: Von den Anfängen der Kernenergienutzung bis heute habe der Steuerzahler diese Energieform mit rund 20 Milliarden Euro unterstützt: für Forschungsarbeiten, den Rückbau von Pilotanlagen oder die Entsorgung. - Einen weiteren Einwand gegen die Kernbrennstoffsteuer, die etwa in Schweden längst Realität ist, erhebt die atompolitische Sprecherin der CDU, Maria Flachsbarth:

    "Wenn es eine Brennstoffsteuer geben sollte, die die Energieversorger bezahlen müssen oder die Betreiber der Kernkraftwerke, dann würden sie die eben ganz sicher umlegen auf die Stromkunden. Von daher trifft das eigentlich nicht die Energieversorger, sondern es trifft die Stromkunden. Es trifft dann wieder alle."

    Das zweite große Problem, dass das Atommülllager Asse so instabil macht, sind die enormen Wasserzuflüsse: Jeden Tag fließen 12.000 Liter ins Grubengebäude. Und woher diese Lauge genau stammt, konnte bisher nicht ermittelt werden. Auf der 658-Meter-Sohle, weit weg von den radioaktiven Abfällen, werden die salzhaltigen Lösungen in riesigen Wannen aufgefangen, sagt Besucherführerin Annette Parlitz. Sie hebt die grüne Plane an, die auf einer der Wannen liegt.

    "Sie hören dieses gleichmäßige Plätschern, das ist ungefähr wie ein aufgedrehter Hahn von der Badewanne. Das läuft permanent und immer und sehr, sehr gleichmäßig. Diese Lösung, die hier jeden Tag reinläuft, wirkt extrem zerstörerisch, gesteinszerstörerisch. Es löst dieses Kali-Gestein einfach auf und zwar in sehr großem Maßstab. Das heißt, man muss diese Lösungen nicht nur fangen, um sie von den Abfällen fernzuhalten, sondern auch um Gesteinszerstörungen im Kali-Flöz zu vermeiden. Weil man dadurch natürlich noch mehr Instabilität im Grubengebäude hätte."

    Auch dies war für Experten keine Überraschung – die Schachtanlagen in der Nachbarschaft waren bereits Anfang des 20. Jahrhunderts abgesoffen. Trotzdem ging die Asse als Versuchsendlager in Betrieb.

    Bis Ende des Jahres soll ein Sanierungskonzept für die Asse durch einen sogenannten Optionenvergleich gefunden werden. Erst dann wird klar sein, ob die Abfälle innerhalb des Salzstocks umgelagert, wieder an die Erdoberfläche geholt werden oder ob das gesamte Bergwerk mit Salzbeton verfüllt wird. Geschätzte Kosten: 2,2 Milliarden Euro, die Siegmar Gabriels geforderte Brennelementesteuer in ein bis zwei Jahren erbringen würde.
    Aber bisher lehnt der Koalitionspartner den Vorschlag einer Brennelementesteuer ab. Und auch eine zweite Variante, die Stromkonzerne an der Sanierung der Atommülllager zu beteiligen, stößt auf Skepsis. Danach könnten die steuerfreien Rückstellungen der Stromkonzerne in einen öffentlichen Fond überführt werden. So fordern es Bündnis ´90/Die Grünen. Und auch BfS-Chef Wolfram König kann dieser Variante etwas abgewinnen:

    "Ich kenne es nur aus der Schweiz, Schweden und Finnland. Dort sind entsprechende Fonds gebildet worden, das heißt: Hier haben die Unternehmen in einen Fonds einzuzahlen, aus denen dann die Entsorgungskosten wieder finanziert werden. Das ist natürlich auch vorstellbar für Deutschland ... "

    ... denn so sei das Geld krisensicher angelegt und der Verfügungsgewalt der Konzerne entzogen. Mit den Geldern könnte die Entsorgung und die Sanierung von Asse II und Morsleben bezahlt werden. Chancen auf Umsetzung dieser Idee gibt es allerdings kaum. Die Union lehnt die Fondsidee ab, so Maria Flachsbarth von der CDU:

    "Es ist doch die Frage: Was wird denn dann so wesentlich besser? Uns muss als Staat daran gelegen sein, dass dieses Geld tatsächlich vorhanden ist, dass es sicher vorhanden ist und dass wir das im Bedarfsfall tatsächlich zur Verfügung haben, um Endlager zu bauen und deren Betrieb zu sichern."

    Auch die SPD und ihr Umweltminister halten wenig davon. Völlig verwerfen will der die Idee aber noch nicht.

    "Solche Ideen werden wir in der nächsten Legislaturperiode zu beraten haben. Ich glaube nur, dass wir relativ nah am Enteignungstatbestand dann sind. Ich glaube, dass das nicht ganz einfach sein wird, zu sagen: "OK, in der Vergangenheit haben wir euch gestattet, dass das euer Geld ist, das ihr zurückstellt und jetzt holen wir uns das mal und verstaatlichen das quasi". Trotzdem: Wenn es da kluge Initiativen gibt, werde ich mich jedenfalls nicht dagegen sperren. Ich glaube nur, dass es auf der Prioritätenliste nicht ganz oben steht in der nächsten Periode."

    Das 27-Milliarden-Polster wird den deutschen Stromkonzernen also wohl erhalten bleiben, der Bestandsschutz für die Rückstellungen war Teil der rot-grünen Ausstiegsvereinbarung. Bleibt die CDU/CSU bei ihrem nein zur Brennelementesteuer, wird die Sanierung von Asse II und Morsleben am Steuerzahler hängen bleiben. Denn soviel steht fest: Freiwillig wird die Atomindustrie für ihre rostenden Atommüllfässer nicht einen Cent ausgeben.