Freitag, 17. Mai 2024

Archiv

Werbespots
Sensibles Pflänzchen Weihnachtswerbung

Der Dezember ist der Shopping- und damit auch der Werbemonat schlechthin. Dabei sind uralte Rezepte die beste Methode für den Werbeerfolg, denn die Kunden wollen vor allem etwas Friedliches und Besinnliches.

Von Peter Backof | 23.12.2013
    "Endlich Weihnachten. Darauf habe ich mich schon so lange gefreut."
    Kinder drücken sich Nasen platt an Schaufensterscheiben. Dahinter ist natürlich Holzspielzeug, ein paar Nüsse und ganz viel Lametta.
    "Aber am allermeisten freue ich mich auf Oma und Opa."
    Die Zeit ist stehen geblieben auf dem Zifferblatt der großen Standuhr in der Zimmerecke, damals, als die Welt noch so richtig heile war. Das müsste 1904 gewesen sein. Oder 1960? Dargestellt ist jedenfalls immer eine Wirtschaftswunderwelt. Und eifrige Hände - die beinahe ausnahmslos Frauen gehören - füllen Weihnachtsgänse. Das gilt für Werbespots im Fernsehen und Internet wie auch für gedruckte Werbebeilagen in der Tageszeitung: Man nehme Gold und Rot, einen Schlitten oder einen Stern mit Schweif und ganz viel Emotion. Mehr braucht es nicht, sagt Oliver Fröschke, Leiter der Kreativabteilung der Marketingagentur "Rheinfaktor" in Köln.
    "Es ist schon interessant, dass nichts an neuen Bildern dazu kommt. Und es funktioniert. Es stellt sich dieses Gefühl ein, zumindest möchte man das gerne herstellen, dass sich alle einig sind. Da ist diese Zeichensprache die einfachste Brücke zwischen beiden, dass man sich jetzt auf Besinnlichkeit einigt."
    Das ganze Jahr lang orientiert sich das Marketing an Ergebnissen der Marktforschung und versucht, etwas möglichst Originelles zielgruppengerecht maßzuschneidern.
    "Das ist schwierig beim Weihnachtsthema, so stark differenziert man da nicht. Die Wortwahl ist auch eingeschränkt. Die bekannten Formeln. Darüber hinaus ist es sehr schwierig, was zu finden. Es mühen sich wahrscheinlich viele ab, andere Worte zu finden, aber das geht irgendwie nicht."
    Der Instinkt sagt: Wir wollen ein "friedliches", ein "besinnliches" Fest, die wichtigste Zäsur im Jahr und bitte keine Experimente. Schon ein Hauch zu viel Ironie, sprich, eine selbstironische Darstellung eines Produkts – was ja inzwischen etabliert ist und als gelungene Werbung gilt - oder gar ein Hinterfragen des Fests selber, bewerten wir schnell extrem negativ, sagt die Marktforschung. Weihnachten mag überfrachtet sein mit Klischees und Erwartungen, aber es wird ernst genommen. Keine Frage: Den Weihnachtsmann gibt es tatsächlich.
    "Wenn alle mit anpacken, könnt ihr eure Weihnachtsgeschenke noch schneller bekommen."
    Auch die Logistik der Geschenkezustellung ist in Werbespots und Prospekten meist gezeichnet als Welt der Wunder. Aus gestressten Paketzustellern, die sich aktuell im Straßenverkehr doch sehr mühen müssen, die Ware auch rechtzeitig zu bringen, sind plötzlich Heerscharen von entspannten, pausbäckigen Nikoläusen geworden und ihre Lieferwagen sind Rentierschlitten.
    "Ich bringe die Geschenke, ich bin der Weihnachtsmann! Aber ich bin schneller!"
    Ein Bestellservice im Internet wagt einen Versuch und bringt einen echten Paketzusteller in seiner typischen Uniform mit in den Film. Das sind diese Leute, die im Niedriglohnbereich arbeiten müssen und die man manchmal unter Verdacht hat, dass sie einem die Zustellkarte "Nicht angetroffen" auf das Klingelschild pappen, ohne überhaupt geklingelt zu haben. Ein Einbruch des Reallebens in die Klischeewelt. Der Zusteller liefert sich mit dem Weihnachtsmann ein Duell, wer schneller sei und gewinnt. Der Weihnachtsmann wird schlecht gemacht, ein Kardinalfehler, in diesem von der Anmutung her aggressiven Spot. Zu komplex für Weihnachten, sagt das Marketing.
    "Ich glaube, dass man sich auf eine Botschaft konzentrieren sollte. Zu viele Sachen reinzubringen, ist immer schwierig. Man will ein bisschen festlich, ein bisschen besinnlich sein, dann möchte man vielleicht auch ein bisschen originell sein. Und sich dazu noch ins Gespräch und in Erinnerung bringen. Alles auf einmal ist zu viel gewollt."
    Viele Unternehmen nutzen die Vorweihnachtszeit, um sich besonders zu inszenieren. Die Mechaniker, die groß auf dem Bus eines Autoreparaturservices abgedruckt sind, haben jetzt Nikolausmützen auf. Ein Wirtschaftsberater schickt uns eine Gruß-E-Mail mit einem Foto seines freundlich lächelnden Teams. Kaum messbar, ob dies alles auch tatsächlich werbewirksam ist. Oliver Fröschke zumindest ist auch skeptisch. Die Absicht, jemanden zu grüßen, sei ja nicht schlecht. Daher wird dafür oft die Weihnachtszeit gewählt, weil jetzt die Fenster für alles Emotionale weit offen sind. Sensibles Pflänzchen Weihnachtszeit: Es könnte aber auch sein, dass die Wirkung verpufft, wenn die Botschaft "Kauf das!" allzu offenkundig durchschimmert.