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Werbung auf der Titelseite

Ein Unding, was sich der "Tagesspiegel" aus dem Holtzbrinck-Konzern gestern geleistet hat. Statt auf der Titelseite über den verstorbenen Arafat zu berichten - gibt es Karl Lagerfeld. Auf der kompletten Seite Eins - Reklame für den Modekonzern H & M, der für seine Kollektion wirbt. Werbung statt journalistischer Berichte auf der Titelseite einer Zeitung. Da fühlt man sich als Leser zu Recht verschaukelt.

Von Volker Nünning |
    Die Tageszeitung und gerade deren Seite Eins stehen für Qualität im Journalismus. Das interessiert aber den Holtzbrinck-Verlag offenbar nicht. Er macht es wie drei Jahre zuvor bereits der Springer-Konzern, der damals die Titelseite seiner "Welt" an den Online-Dienst AOL verkaufte. Und der "Tagesspiegel" setzt dieses Mal noch eins drauf: Auch auf der zweiten Seite gibt es keinen Journalismus. Statt dessen ein Model, das ein schwarzes Cocktailkleid aus dem Hause des Modegurus präsentiert.

    Die Seiten neun und zehn überlässt der "Tagesspiegel" ebenfalls H & M. Erst auf der dritten Seite findet man journalistische Berichte: Eben über das Topthema "Palästina nach dem Tod Arafats". Dass der "Tagesspiegel" mit dieser prominenten Werbeanzeige nicht allein war, macht die Sache nicht besser, vielmehr schlimmer. Die Tageszeitungen sind offenbar wirtschaftlich so dringend auf Anzeigenerlöse angewiesen, dass sie dafür sogar ihre Seite Eins freimachen. Das wiederum zeigt die Stärke der Verleger gegenüber den Redaktionen in Zeiten von Anzeigenkrise und rückläufigen Auflagen. Sie können die Krisensituation dafür nutzen, solche lukrativen Werbeformen einfacher als früher durchzusetzen.

    Die Redaktionen haben nicht mehr den Einfluss gegenüber der Geschäftsführung, solche Werbeauswüchse zu verhindern. Dafür nehmen die Verleger aber in Kauf, das Image ihrer Zeitung zu beschädigen, das doch von den journalistischen Inhalten geprägt wird. Solche Werbeaktionen wie im "Tagesspiegel" können wohl nur verhindert werden, wenn sich genügend Leser darüber beschweren. Dann würden die Verleger vielleicht merken, dass sie letztlich mehr zu verlieren haben als zu gewinnen.