Archiv


Werke von Robert Schumann und Benjamin Britten

Am Mikrofon begrüßt Sie Norbert Ely.

Norbert Ely |
    Einen schönen guten Morgen und gleich die Ankündigung, daß Ihnen heute ein neues Label vorgestellt werden soll, natürlich mit neuen Aufnahmen, zugleich mit alten Bekannten und doch ungewohnten Klangkombinationen. So zum Beispiel klingt das dritte der drei Fantasiestücke op.73 von Robert Schumann, wenn es auf einer Oboe d'amore gespielt wird. * Musikbeispiel: Robert Schumann - Drei Fantasiestücke für Klavier und Oboe d'amore op.73 daraus: Nr.3. Rasch und mit Feuer Nicht ohne Reiz, so möchte man sagen, wenn statt der gewohnten Klarinette oder auch anstelle der alternativen Bratsche eine Oboe d'amore, also das Alt-Instrument der Oboenfamilie, in den drei Fantasiestücken op.73 von Robert Schumann zu hören ist. Und damit sind wir nicht nur beim Protagonisten dieser neuen CD, Hansjörg Schellenberger, sondern auch bei dem neuen Label, um das es heute geht. Schellenberger, Solo-Oboer der Berliner Philharmoniker, Mitglied des Ensembles Wien-Berlin und Gründer und Leiter des Haydn-Ensembles Berlin sowie der dortigen Haydn-Konzerte in der Grundkreditbank, hat seinen vielen Aktivitäten eine neue hinzugesellt. Er hat ein Label für Kammermusik ins Leben gerufen. Es trägt den durchaus romantischen Namen "Campanella Musica". Die aufwendigen und irgendwie bibliophil wirkenden rot-schwarzen Hüllen sind aus stabiler Pappe. Die Booklets sind fest eingeklebt und müssen nicht mit spitzen Fingern herausgefischt werden. Die CDs sind ziemlich raffiniert eingesteckt, und alles macht einen haltbaren und auf gar keinen Fall windigen Eindruck. Gewinn macht der Oboist bei dieser Produktion nicht; dafür sind die Kosten für die höchst ansprechende Verpackung zu hoch. Gesponsert wird Campanella auch, und zwar von der sehr renommierten Pariser Oboenbauer-Firma François Lorée. Aufgenommen wurden die beiden CDs, die ich Ihnen heute vorstelle, im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie und im Berliner Teldec-Studio, und Producer war in beiden Fällen der langjährige Cheftonmeister des SFB, Wilhelm Schlemm. Es ist wirklich alles vom Feinsten. "Campanella" dient nun keineswegs nur der Präsentation des Kammermusikers Hansjörg Schellenberger, sondern bringt im bisher schmalen Katalog auch Werke in anderer Besetzung. Gleichwohl ist der Hausherr verständlicherweise häufig vertreten, zusammen mit seinem langjährigen Klavierbegleiter Rolf Koenen oder mit seiner Gattin, der Harfenistin Margit-Anna Süß. Und dann kommen die erprobten Freunde hinzu, der Flötist Wolfgang Schulz, der Bratscher Wolfram Christ, der Cellist Georg Faust, Konzertmeister Rainer Kussmaul.

    Die CD mit Werken von Robert und Clara Schumann bestreitet Schellenberger freilich allein mit dem Pianisten Rolf Koenen. Die Kombination von Oboe und modernem Klavier erweist sich dabei einmal mehr als problematisch. Am besten korrespondiert noch der Klang der Oboe d'amore in den drei Fantasiestücken mit dem Konzertflügel. Die drei Romanzen op.94 oder auch Clara Schumanns wenig bedeutende Romanzen op.22 zeigen, daß der Klang des modernen Klaviers im Gegensatz zum Obertonreichtum historischer Flügel doch zu dunkel, zu grundtönig und zu massiv ist, mag Koenen noch so sehr auf einen eher lichten Ton aus sein. Bewundern muß man den Oboisten in den Liedbearbeitungen: In der Führung des Atems, in der Phrasierung und in der Tonansprache versucht er hier das fehlende Wort gewissermaßen zu imaginieren. Wie auch bei ähnlichen Experimenten der Bratschistin Tabea Zimmermann und des Pianisten Hartmut Höll spürt man aber eben doch, wie eng verzahnt bei den Liedern der Romantik Wort und Klang sind. Schumanns Heine-Vertonung ohne Heine ist eben doch nur ein schönes, betörend klingendes Surrogat: "Du bist wie eine Blume." * Musikbeispiel: Robert Schumann - "Du bist wie eine Blume" Hansjörg Schellenberger und Rolf Koenen mit Schumanns Lied "Du bist wie eine Blume". Die beiden gehören auch zum Aufgebot einer sehr klug und sorgfältig zusammengestellten CD mit Kammermusikwerken von Benjamin Britten. Schellenberger spielt darauf zum Beispiel die äußerst raffinierten Sechs Metamorphosen nach Ovid für Oboe solo oder auch die beiden witzigen Insektenporträts für Oboe und Klavier "Grashüpfer" und "Wespe". Zusammen mit Rainer Kussmaul, Wolfram Christ und Georg Faust läßt er Brittens Phantasie op.2 über die extravagante Quartettbesetzung Oboe, Violine, Viola und Cello hinauswachsen und zu einem Stück Kammersymphonie werden. Da sind vier Philharmoniker in ihrem Element.

    Eine Trouvaille ist die Suite für Harfe op.83 von Benjamin Britten. Margit-Anna Süß hat sich inzwischen einen Namen als berufene Interpretin französischer Harfenmusik gemacht, deren Parfüm, deren spezifische Klangatmosphäre sie mit überzeugender Delikatesse realisiert. In der Britten-Suite lernt man sie von einer ganz anderen Seite kennen. Da greift sie gelegentlich harte und sehr hart abgedämpfte Gitarrenakkorde oder läßt anderseits die Klavierexperimente eines Henry Cowell anklingen; kurz: die Harfe entwickelt unter ihren Händen ein fesselndes und durchaus überraschendes Klangspektrum. Margit-Anna Süß mit der Ouvertüre - Majestic und der anschließenden Toccata. * Musikbeispiel: Benjamin Britten - Suite für Harfe solo op.83, daraus: Ouvertüre - Majestic/ Toccata Margit-Anna Süß mit zwei Sätzen aus der Harfensuite von Benjamin Britten. Ein Kuriosum und keineswegs ohne Reiz ist das umfangreichste Werk auf dieser CD, Benjamin Brittens Variationenzyklus op.73 über ein Thema von Zoltán Kodály. Die Besetzung stellt natürlich ein Experimentierfeld dar: Flöte, Geige und Klavier zu vier Händen. Das läßt sich ohne Humor weder ertragen noch spielen. Die Flöte ist natürlich am wenigsten wandlungs- und anpassungsfähig; doch Wolfgang Schulz läßt sein Instrument an Stellen, wo er zum extremen Überblasen gezwungen ist, bisweilen buchstäblich auf dem letzten Loch pfeifen. Dann bohrt sich das wie eine Tin whistle ins Ohr. Rainer Kussmaul rauht den Geigenklang gelegentlich auf, als sei sein kostbares Instrument aus Sperrholz. Und Rolf Koenen sowie Klaus Hellwig spielen vierhändig Klavier von staubtrocken bis versonnen, von spitzfingrig bis brutal. Am Ende gibt es in dieser wirklich hanebüchenen Klangkombination eine Fuge, ein Stück Gelehrsamkeit von sehr britischem Humor. Das pfeift und trillert dem Hörer um die Ohren, daß dieser gut daran tut, sich ein etwas robusteres Gemüt zuzulegen. Dann freilich kann man sein Vergnügen daran haben. * Musikbeispiel: Benjamin Britten - Gemini Variations op.73, daraus: Fugue - Molto moderato Die neue Platte. Zuletzt hörten Sie Wolfgang Schulz, Rainer Kussmaul, Rolf Koenen und Klaus Hellwig mit einem Ausschnitt aus den Gemini Variations für Flöte, Violine und Klavier zu vier Händen von Benjamin Britten. Die beiden heute vorgestellten CDs sind unter dem neuen Berliner Label Campanella Musica erschienen.

    Am Mikrofon bedankt sich Norbert Ely für Ihre Aufmerksamkeit.