Donnerstag, 25. April 2024

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Werkschau von Yoko Ono in Leipzig
"Kunst ist, was in dir ist"

Yoko Ono zählt zu den umstrittensten und einflussreichsten Künstlerinnen unserer Zeit. Unter dem Titel "Peace is Power" werden in Leipzig jetzt 70 ihrer Werke gezeigt. Damit stellt die neue Ausstellung viele bisherige in den Schatten – auch wenn Yoko Ono selbst nicht zur Eröffnung kam.

Von Heike Schwarzer | 04.04.2019
Feierliche Eröffnung der Ausstellung Peace Is Power von Yoko Ono im Museum der bildenden Künste Leipzig (MDBK). Es ist die größte Ausstellung der Künstlerin die je in Deutschland gezeigt wurde. Yoko Ono war nicht zugegen.
Ausstellung "Peace is Power" von Yoko Ono im Museum der bildenden Künste Leipzig (www.imago-images.de )
Kommt sie oder kommt sie nicht? Am Ende des Tages schien das nicht mehr wichtig, denn in ganz kleinen Momenten vor dem Leipziger Museum der bildenden Künste wie auch in ganz großen - der Ausstellung selbst - ist Yoko Ono tonangebend und immer präsent.
"Unfinished", unvollendet, das gehört zum künstlerischen Programm von Yoko Ono, deren Werke nur dann vollendet sind, wenn andere sie realisieren – ganz im Sinne der Fluxus-Idee und ihres 1964 erschienenen Partiturenbuches "Grapefruit". Gemeinsam mit Jon Hendricks, langjähriger Freund und Kurator Yoko Onos, folgte Museumsdirektor Alfred Weidinger ihren Anweisungen:
"Wir haben das auch gemerkt in den letzten anderthalb Jahren: Die Menschen wollen die Interaktion. Sie wollen sich am Werk beteiligen. Bei Yoko Ono ist es ja so, das Werk braucht die Partizipation, dann entsteht auch das Werk."
Interaktion mit dem Publikum
Der Leipziger Parcours durch das Lebenswerk der 86-jährigen Künstlerin wird somit zur Erforschung ihrer Kunst und auch unserer selbst. "Berührt einander!" "Schlagt einen Nagel in das Holzkreuz!" "Fügt die Scherben zusammen" oder - wie in der Eröffnungsperformance - "schneide Stücke aus meiner Kleidung und nimm sie dir mit", so lauten ihre Instruktionen.
Die Künstlerin Yoko Ono bei ihrer Retrospektive "Half-A-Wind Show" im Guggenheim Museum in Bilbao, Spanien
Die Künstlerin Yoko Ono bei ihrer Retrospektive "Half-A-Wind Show" im Guggenheim Museum in Bilbao, Spanien (picture alliance / dpa / Alfredo Aldai)
Noch am Montag twitterte Yoko Ono: "Kunst ist, was in dir ist und was du bereit bist, der Welt zu geben. Dafür brauchst du keinerlei Praxis." Interaktionen des Publikums und mit Leipzig als Stadt der friedlichen Revolution und Wiege des deutschen Frauenrechts, sagt Alfred Weidinger, waren Yoko Ono von Beginn an sehr wichtig. "Arising", eine der aktuellsten Arbeiten in Leipzig, die auf einer Webseite der Künstlerin fortlaufend dokumentiert wird, basiert auf den Gewalterfahrungen von Frauen, die ihre Augen fotografieren und ihre Geschichten erlittener Gewalt anonym aufschreiben sollten.
"Das ist das einerseits gute für einen Ausstellungsmacher, wenn Du die Wände voll hast. Aber auf der anderen Seite entsetzlich, wenn sich innerhalb der ersten drei Tage 74 Frauen aus der Region gemeldet haben, denen Gewalt angetan worden ist - und das zeugt einfach sehr von der Aktualität ihres Schaffens."
Yoko Ono neu entdeckt
Frauenrechte, Gleichberechtigung, Frieden und der ostdeutsche Kontext - nicht nur damit konnte Alfred Weidinger die Feministin und Friedensbotschafterin Yoko Ono für Leipzig gewinnen.
Wie gleißende Sonnenstrahlen treffen die 100 weißen Seile von der 16 Meter hohen Decke auf den grau marmorierten Steinfußboden. "Morning Beams" gehört zu den größten der raumgreifenden Installationen im Leipziger Museum.
"Das ist eine Künstlerin, die es wirklich schafft, ihren gesamten Geist einem Museum aufzudrücken und diese Räume wirklich zu beseelen mit ihrer Kunst", zeigt sich Alfred Weidinger von der Wirkung in Leipzig begeistert. 2015 in Peking entdeckte er Yoko Ono völlig neu: "Ich habe plötzlich Arbeiten gesehen, rezente Arbeiten, und habe plötzlich gesehen, wie großartig sie mit Architektur umgeht. Und dann habe ich mir gedacht, wenn ich jemals ein Ausstellungshaus habe, in dem so eine Kunst passt, dann würde ich das gerne machen."
Passend zum modernen Museum
Jetzt hat er das Haus, das Leipziger Bildermuseum: gigantische Innenhöfe, lichtdurchflutete Terrassen, dunkle Separees in einer spektakulären Museumsarchitektur mit Sichtachsen von bis zu 32 Metern Höhe. Kurator Jon Hendricks: "In my opinion it’s better than any installation we did before… it’s amazing."
Ein Ausstellungsraum gefüllt mit Menschen und mit Zitronenbäumen die aus Holzkisten wachsen.
Feierliche Eröffnung der Ausstellung Peace Is Power von Yoko Ono im Museum der bildenden Künste Leip (Imago / Christian Grube)
Dieser moderne Museumsbau scheint auf Yoko Onos große Friedensbotschaften und ihre feinen, stillen, im Spätwerk auch monumentalen Arbeiten gewartet zu haben. 3700 Quadratmeter auf 3 Etagen, reserviert für die bisher umfangreichste Werkschau Yoko Onos.
"Sie war immer sehr vorsichtig was Ausstellungen anbelangt. Es gibt ja nicht sehr viele. Und wir sehen das schon als eine kleine Auszeichnung, weil sie sich entschieden hat, die Ausstellung bei uns zu zeigen."
Nichts dem Zufall überlassen
Yoko Ono lieferte viele eigene Ideen – und mehr als ursprünglich geplant – rund 70 Werke und Serien aus ihrer gesamten Schaffenszeit: eine Sammlung von 43 Zeichnungen aus dem Jahr 1952 gehört zu den frühesten ihrer gesammelten Werke überhaupt, dazu kommen Objekte wie die "Box of Smile" von 1967, mit "Ex it" eine 300 Quadratmeter große Installationen von Särgen, aus denen als Hoffnungssymbol Zitrusbäume wachsen. Sowie sechs ihrer wichtigsten Filme, darunter ikonische Videoperformances wie "Smile", "Fly" und "Cut Piece".
Es ist hier nichts dem Zufall überlassen worden. Wir haben ihr alles geschickt, die Fotos von den Rauminstallationen, die Textgrößen, alles ist mit ihr bestimmt worden.
Dass John Lennon im Konzept keine Rolle spielt, haben die Leipziger Museumsmacher entschieden. Vermisst wird er nicht. Yoko Ono braucht Leipzig natürlich nicht. Aber schon der Eröffnungstag zeigt. Die Welt braucht – heute vielleicht mehr denn je – Onos Kunst, ihre Träume, ihre Botschaften.
Die Ausstellung "Peace is Power" ist bis zum 7. Juli im Museum der bildenden Künste in Leipzig zu sehen.