Werner Seelenbinder wuchs in proletarischen Verhältnissen auf. Die Familie zog von Stettin, wo Seelenbinder am 2. August 1904 geboren wurde, nach Berlin. Mit elf Jahren verlor der kleine Werner seine Mutter, sie starb im Kindbett. Als der Vater ein Jahr später zum Kriegsdienst eingezogen wurde, musste Werner – selbst noch Kind – zusammen mit der Großmutter für seine beiden jüngeren Geschwister sorgen. Er arbeitete als Hilfstischler, Hotelpage und als Hausdiener in einer Fabrik. Erst viel später erhielt er eine feste Anstellung als Transportarbeiter in einem AEG-Betrieb.
Die sportliche Karriere begann 1917 beim Arbeiter-Athletenclub "Eiche", einem Verein für Ringen und Gewichtheben. Seelenbinder konzentrierte sich auf den Ringkampf und startete für den Sportclub "Berolina" in Berlin-Neukölln.
Eklat bei der Siegerehrung
Bei der ersten Arbeiterolympiade 1925 gewann der engagierte Sportler die Goldmedaille, ein Jahr später siegte er beim internationalen Arbeiter-Turnier in Wien und auch bei der Spartakiade 1928 in Moskau errang er den ersten Platz. 1933, da hatten die Nazis schon die Macht an sich gerissen und Seelenbinder war Mitglied der Kommunistischen Partei und im Widerstand aktiv, wurde er erstmals Deutscher Meister. Bei der Siegerehrung kam es zum Eklat, Seelenbinder verweigerte den Hitlergruß. Sein sportlicher und politischer Weggefährte Erich Rochler erinnerte sich später: "Er war der Einzige, der es gewagt hat, bei einer Veranstaltung den Arm nicht zu heben. Er wagt es, denen zu zeigen, ich bin nicht für euch."
Dennoch durfte Deutschlands bester Halbschwergewichtsringer an den Olympischen Spielen 1936 teilnehmen. Doch der Druck für den Gewinn einer Medaille war zu groß. Seelenbinder wurde nur Vierter. Bei den Europameisterschaften 1937 und 1938 erreichte er dann jeweils den dritten Platz.
1942 flog seine Widerstandsgruppe auf
Mit politisch bewussten Proletariern groß geworden, war Werner Seelenbinder früh mit den Ideen von Marx, Engels und Lenin in Berührung gekommen und hatte sich bald den Kommunisten und deren Widerstand gegen die Nationalsozialisten angeschlossen.
Der international erfolgreiche Athlet konnte insbesondere die zahlreichen Auslandsreisen für politische Kurierdienste und als Verbindungsmann nutzen. 1942 flog Seelenbinders Widerstandsgruppe auf. Er wurde verhaftet und in mehreren Gefängnisse und Straflagern misshandelt und gefoltert. Schließlich verurteilte ihn der Volksgerichtshof Potsdam zum Tode. Vor 70 Jahren, am 24. Oktober 1944, wurde Werner Seelenbinder im Zuchthaus Brandenburg mit dem Fallbeil hingerichtet.
Im Osten Deutschlands tragen noch heute viele Schulen und Straßen seinen Namen. Im Westen der Republik dagegen erinnert kaum noch etwas an den großen, aufrichtigen und mutigen Sportsmann.