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Wespe gegen Wurm

Sie sind gefräßig. 20 Jahre lang fressen sich die sechs Millimeter großen Larven des gemeinen Nagekäfers durchs Holz, ehe sie sich verpuppen. Besonders gern vertilgen sie Fichten- oder Lindenholz, denn das ist schön weich und saftig. Zentimeter lange Gänge legen die Schädlinge an. Man kann sie zwar bei ihrer Fressorgie nicht schmatzen hören, aber ein leises Knacken im Gebälk verrät die Tiere. Und sie hinterlassen jede Menge verdaute Sägemehlhäufchen, die sie letztendlich verraten haben, sagt Falko Bornschein, Kunstgutbeauftragter beim Bistum Erfurt:

Von Susanne Arlt |
    Es gibt sehr viele Kunstwerke, immer mehr, die befallen sind von Holzschädlingen unterschiedlicher Art. Wenn man so was hat, ist immer die Frage, ist das Neu- oder Altbefall. Oft hat man in diesen Löchern noch altes Wurmmehl, das von der letzten Population übrig geblieben ist, die vielleicht schon vor 50 Jahren ausgeflogen ist. Man bewegt das Objekt, und schüttelt das dann runter und sieht oh. Das war ne statische Geschichte. Der stand immer hier, der ist nicht bewegt worden. Wir haben es dann saubergemacht dieses Mehl und wir haben dann geguckt und es hat sich dann alle drei vier Tage wieder gebildet.

    Ein großer Schock sei das gewesen, denn inmitten das barocken Holzaltars ist ein Holzgemälde von Lukas Cranach dem Älteren eingefasst. Der berühmte Künstler aus dem 16. Jahrhundert hat auf Lindenholz die mystische Verlobung der heiligen Katharina von Alexandrien festgehalten. Um den Altar vor weiterem Schädlingsbefall zu schützen, hat das Bistum Erhard Heinemann engagiert. Der Holzfachmann zog mit Hilfe einer Pinzette mehrere Larven aus den Löchern. Ein Zeichen, dass sich sehr viele der Schädlinge in dem 300 Jahre alten Gebälk tummeln, erklärt der Sachverständige. Inwieweit das Holz des Altars bereits von innen zersetzt und somit porös sei, könne er aber nicht sagen. Dafür weiß er, wie man den Larven effizient zu Leibe rückt – ganz natürlich:

    Wenn ich jetzt hier mit Gasen arbeite, müsste ich über fünf Wochen lang die Sache einhausen, ganz dicht machen, da darf nicht ein Gramm Gas raus. Das ist ein Riesenaufwand, den ich hier betreiben müsste, um den Nagekäfer zu bekämpfen.

    Wesentlich einfacher geht es mit dem natürlichen Feind des Nagekäfers, der Lagererzwespe:

    Es werden nur Weibchen ausgesetzt, Männchen nützen mir nichts.

    Denn die legen keine Eier. Beim Anflug verlassen sich die weiblichen Schlupfwespen auf ihren Geruchssinn. Erst suchen sie die Fraßgänge der Larven auf und lähmen sie dann mit ihrem Gift. Anschließend legen sie eines ihrer Eier in die Made des Holzschädlings. Das Wespenei entwickelt sich darin in wenigen Tagen zur Larve und ernährt sich vom Holzwurm. Die Parasitierung sei eine biologisch einwandfreie Sache, meint Erhard Heinemann. 60 Wespen lässt er auf die Maden des Holzschädlings los. Ein weibliches Insekt hat einen Aktionsradius von etwa vier Metern und legt ca. 60 Eier ab. Doch bevor die im Labor gezüchteten Wespen losfliegen dürfen, musste das richtige Klima geschaffen werden. Der Raum sollte 15 bis 25 Grad warm sein und eine durchschnittliche Luftfeuchtigkeit von 15 Prozent haben. Darum errichteten Mitarbeiter des Bistums ein klimatisiertes luftdichtes Zelt um den Cranach-Altar. Eine spezielle Pappe sorgt für ein konstantes Klima. Holzsachverständiger Erhard Heinemann ist überzeugt, dass Ende März der barocke Altar vom Holzschädling befreit ist. Er gibt aber zu bedenken:

    In dieser Größenordnung, wie wir das hier vorfinden, lässt sich natürlich so eine Sache auch einhausen. Das heißt ich kann ein ganz bestimmtes Klima schaffen, wo ich die Bekämpfung durchführen kann. Ich kann das nicht flächendeckend machen über den gesamten Dom, das wird nix.

    Die Bundesanstalt für Materialforschung begleitet das Vorhaben. Sie prüft ob man in Zukunft auf diese Art viele Kunst- und Kulturgüter vor den gefräßigen Holzwürmern retten kann. Das umweltfreundliche Verfahren ist zudem billig. 3000 Euro kostet die Biowaffe. Tragisch nur, auch die Wespen sterben nach ihrem Einsatz. Mangels Nahrung.