Von dem Fotografen Boubacar Touré Mandémory gibt es mehrere Bilder, die das offenbar eher schwierige Leben in Dakar zeigen: Jungen vor verlassenen Häusern voller Schutt, Kinder vor Abwasserkanälen, deren Dreck sich im Vordergrund aufwölbt, junge Männer in Fußballtrikots, die am Strand Fische braten, ein mit Weitwinkel aufgenommener Markt, wo in den Straßenecken überall Müll liegt. Man könnte das nun in knallhartem, dokumentarischem Schwarzweiß und in vollkommener Tristesse inszenieren. Mandémory tut das Gegenteil: Es sind großformatige, knallbunte Bilder, die der Armut eine poppige, optimistische Seite abringen. Schaut, das sind wir und verlieren nicht den Mut.
Die allermeisten Arbeiten der Ulmer Ausstellung sind Farbfotografie, und sie alle haben den Anspruch, nicht nur nah an der sozialen Realität zu sein, sondern der eigenen Gesellschaft möglichst viel Selbstbewusstsein zu geben. Mandémory stellt seine Bilder ins Netz, das sorgt für Publikum. Aber auch in Museen und Galerien ist afrikanische Fotografie jetzt schwer en vogue, vor allem im Westen. Daraus ergibt sich allerdings ein kleines Problem, sagt Kuratorin Bärbel Küster:
"In den 90er-Jahren habe ich auf dem Kunstmarkt so ein bisschen mitverfolgt -ah, jetzt kommt afrikanische Fotografie auf, das wird interessant, es gibt Ausstellungen dazu. Dann hab ich die Bücher aufgeschlagen und die Kataloge, und dann haben immer französische oder jedenfalls westliche Kuratoren über die Fotografen geschrieben. Und dann habe ich gedacht: Was denken eigentlich die Fotografen selber? Was steckt dahinter?"
Gibt es eine afrikanische Fotografie?
Küster fuhr mit ihren Studierenden nach Bamako und Dakar - und interviewte die einheimischen Fotografen. In der Ausstellung kann man per Video ausführliche Einlassungen der Künstler anhören, etwa zu dem Thema: Gibt es eine afrikanische Fotografie? Die einen sagen: Nein, das Foto hat doch etwas Objektives. Die anderen bestehen auf dem eigenen, dem subjektiven Blick. Aus dieser Haltung heraus entstand auch eine neue Agentur für Pressefotografen, die Pan African News Agency, PANA.
"Die Idee war: Warum berichten westliche Fotografen über Afrika? Die haben doch einen ganz anderen Blick auf unsere Kultur. Die sehen immer nur die Katastrophen. Die sehen gar nicht, was hier schön ist. Die haben eine Distanz, die kommen an, machen ihre Fotos und dann hauen sie wieder ab."
Auch wenn das nur zum Teil stimmt: Der Europäer bleibt immer ein Fremder, ein Außenstehender. Die Strategie vieler afrikanischer Fotografen aber ist es, sich selbst zum Bestandteil der gezeigten Situation zu machen. Haradane Dicko zum Beispiel bewegt sich mit einem Moped durch die Stadt und fotografiert in den Rückspiegel - ein poetisches Spiel, das die Fotografierten gern mitmachen. Auch den Bildern von Fatoumata Diabaté aus Mali sieht man an, dass die Fotografin mit den Tiermaskenträgern, den arbeitenden Frauen oder den Nachtschwärmern mehr als vertraut ist.
Eine eigene, sehr farbige Fotosprache entwickeln
Obgleich manche der in Ulm ausgestellten Künstler Autodidakten sind oder ganz andere Ausbildungen haben, ist die formale Präzision der Arbeiten bestechend. Auch die Vielfalt der Themen verblüfft: Sie reicht vom Diamantenhandel und bedrückenden Bildern aus dem Bürgerkrieg bis zu religiösen Ritualen und den virtuosen Stillleben des Djibril Sy, der einzelne Wassertropfen inszeniert - Wasser, ein kostbares Gut.
Mali und der Senegal sind zwar islamische Länder, was mancherlei Einschränkungen mit sich bringt - die Bilder suggerieren aber eine lebendige Szene, wo Modemacher, Musiker und Rapper gemeinsam mit Fotografen agieren. Omar Victor Diop schließt mit seinen bunten Bildern eitler Selbstdarsteller an die lange (auch afrikanische) Tradition der Porträtfotografie an; die Street Fotografy der Malika Diagana dagegen zeigt die graffiti-übersäten Mauern Dakars und starke Frauen.
Viele afrikanische Fotografen engagieren sich in Jugendprojekten und Bürgerbewegungen, schaffen es aber trotzdem, auf dem westlichen Kunstmarkt präsent zu sein: Die Fotobiennale von Bamako ist ihr Schaufenster. Die engagierte, verdienstvolle Ulmer Ausstellung aber zeigt vor allem den Wunsch der Afrikaner, eine eigene, sehr farbige Fotosprache zu entwickeln und so die Hoheit über das Bild ihres Kontinents zurückzugewinnen.