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Wettbetrug
Der Ball und der Tod

Wettbetrug und Spielmanipulation können unterschiedliche Konsequenzen haben. Vor dem Budapester Landgericht sind 45 frühere Spieler, Trainer, Schiedsrichter und Manager angeklagt, in großem Maßstab auch international Spiele verschoben zu haben. Ein Hauptverdächtiger nahm sich das Leben. Andere sind im Gefängnis. Und wieder andere zocken noch im Gerichtssaal weiter.

Von Tom Mustroph |
    Es ist ein Bild mit Symbolcharakter. Im reich verzierten Verhandlungssaal Nummer 36 des Budapester Langerichts sitzen zwei Männer in Handschellen und Ketten. Andere hinter und neben ihnen haben die Hände frei. Sie nutzen sie, um auf Smartphones aktuelle Wettquoten zu verfolgen. Alle sind Angeklagte im Strafprozesses gegen Spielmanipulation und Wettbetrug. Bestimmte Muster scheinen bei ihnen so eingefressen, dass sie nicht einmal jetzt davon lassen können.
    Zoltan Kenesei, einer der beiden Männer, der gerade nicht zocken kann, war eine große Figur im Wettbetrugsgeschäft. "Kenesei stand auf einer Stufe gleich hinter dem Singapurianer Dan Tan. Er rekrutierte die Spieler, bestach sie und bestach auch die Referees. Er erstattete darüber Bericht direkt an den Singapurianer. Danach konnten sie die Wetten platzieren", erklärt Peter Pota, Sprecher des Budapester Landgerichts. Kenesei war auch international umtriebig.
    "Die erste internationale Aktivität, die in der Anklageschrift enthalten ist, war im November 2010 das U20-Länderspiel Argentinien - Chile in Bolivien. Zuvor gab es einen Versuch in Venezuela. Aber der Betrug klappte nicht, weil das Spiel nicht von den Wettbüros aufgenommen wurde. Der letzte internationale Fall in diesem Prozess ist das Serie A-Spiel Lecce gegen Lazio Rom im Mai 2011. In der Zwischenzeit gab es andere Versuche, etwa beim Gold Cup in den USA", erzählt Pota.
    Angeheuert wurde Kenesei vom bekannten Wettpaten Dan Tan. Dessen Arm reichte in zahlreiche Ligen, bis nach Deutschland. Davon konnten sich Bochumer Ermittler überzeugen, als sie sich in den vergangenen Monaten Aussagen des derzeit in Singapur inhaftierten Wettkönigs abholten.
    Sein Platz auf der Anklagebank in Budapest ist so leer wie der Platz für einen Mann, den Zeugen der Anklage als Nummer 2 im nationalen Betrugsnetzwerk Ungarns bezeichnet haben. Robert Kutasi nahm sich 2012 angesichts der Ermittlungen der Polizei das Leben. Er führte als Manager den Budapester Vorstadtklub REAC in die erste Liga. Vereinsboss Tamas Forgacs erinnert sich an ihn als an "einen sehr guten Freund, der 15 Jahre lang hier um acht seinen Arbeitstag begonnen hat. Wir haben einen Kaffee miteinander genommen und die ersten zwei Stunden des Tages zusammen verbracht."
    Das erzählt Forgacs in den Räumen seiner Firma, die Inneneinrichtungen für Züge der Deutschen Bahn produziert. Jetzt kickt sein Verein in der dritten Liga. 14 frühere Spieler sitzen auf der Anklagebank. Forgacs streitet jedes Wissen um die Betrügereien ab. Er weist aber auf ein latentes Finanzierungsproblem im ungarischen Fußball hin: "Ich kann sagen, ein Fußballklub schreibt hierzulande keine schwarzen Zahlen. Das geht auch den großen Klubs so. Man kann das schon an der Zahl der Zuschauer erkennen. Das ist ein Hobby für die meisten Besitzer und Präsidenten."
    Schon Forgacs' Vater pumpte Jahrzehnte lang Geld in den Verein. Wer das nicht will oder nicht kann, muss sich nach alternativen Finanzierungsquellen umsehen. Wettgewinne und Bestechungssummen werden da schnell einmal Bestandteil des Finanzplans. Forgacs junior hat die erste ungarische Liga abgeschrieben. Sie ist ihm zu teuer. Auch eine Lehre aus dem Betrugsskandal. Zornig wird er, wenn er daran denkt, welch unterschiedliche Wege das Schicksal für Männer bereithält, die dasselbe getan haben wie sein Ex-Manager.
    "Sehen Sie, er ist die einzige Person, die sich umgebracht hat und die anderen sitzen alle da mit einem Lächeln im Gesicht", sagt er über seinen früheren Freund und dessen einstige Komplizen, die sich im Gerichtssaal ohne sichtbare Skrupel ihres Lebens erfreuen. Ihnen drohen zwei bis acht Jahre Gefängnis. Ein Urteil wird erst 2015 erwartet.