Für die gesetzliche Krankenversicherung gilt ab dem 01. Januar ein einheitlicher Beitragssatz - deswegen werde es für die Kassen wichtiger, sich durch verschiedene Angebote voneinander abzuheben, erklärt die Bundesregierung. Alle Privatversicherungen müssen zukünftig einen Basistarif anbieten, in den auch gesetzlich Versicherte wechseln dürfen. Und es soll für Privatpatienten einfacher werden, von einem Anbieter zu einem anderen zu wechseln.
Hinter diesen neuen Regelungen stecke ein gemeinsames Ziel, erklärt Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt immer wieder:
"All das, was wir zu Papier bringen, dient dem Ziel, die Wahl- und Wechselmöglichkeiten der Versicherten und ihre Entscheidungsmöglichkeiten zu erhöhen, die Qualität der Versorgung zu verbessern, und insgesamt mehr Anreize zu setzen für Wirtschaftlichkeit, für Transparenz und auch für mehr Wettbewerb."
Aus den Vorständen der gesetzlichen wie auch der privaten Krankenversicherer hat es viel Kritik an der Gesundheitsreform gegeben. Doch jetzt lasse sich höchstens noch durch Verfassungsklagen etwas an dem Gesetzespaket ändern, meint beispielsweise Jochen Messemer vom Vorstand des privaten Krankenversicherers DKV. Mit vielen Teilen der Reform müsse man sich einfach arrangieren.
"Ja, ich glaube, der Wettbewerb wird nächstes Jahr deutlich schärfer. Es ist ohne Zweifel so: Menschen, die mehr Wechselrecht haben, werden anspruchsvoller werden gegenüber ihrem Krankenversicherungsunternehmen, das dürfen die Kunden auch - dem Wettbewerb muss man sich stellen. Und die Frage ist: Wer wird dann in einem solchen Wechsel-Wettbewerb Gewinner und Verlierer."
Die sonst so verschiedenen Zweige der Krankenversicherung haben im schärferen Wettbewerb eine Gemeinsamkeit: Sie sind mit den Bedingungen für diesen Wettbewerb alles andere als zufrieden. Die Privatversicherer, die sich um rund 10 Prozent der Bevölkerung kümmern, müssen ihren Kunden beim Wechsel zu einem anderen Anbieter künftig einen Teil der sogenannten Altersrückstellungen mitgeben. Bislang war das in der Kalkulation nicht vorgesehen. Die Privatversicherer sehen in der Neuerung einen so gravierenden Eingriff in ihr Geschäftsmodell, dass sie vors Bundesverfassungsgericht gezogen sind.
Auch die gesetzlichen Krankenkassen, die die Versorgung von 90 Prozent der Deutschen organisieren, sind mit den neuen Wettbewerbsbedingungen unzufrieden. Die Kassen stören sich vor allem daran, dass künftig nicht mehr sie selbst bestimmen, wie hoch ihr jeweiliger Beitragssatz ist. Erstmals legt der Staat einen einheitlichen Beitragssatz fest: 15,5 Prozent. Die Krankenkassen hatten ursprünglich mehr gefordert - und sprechen schon jetzt davon, dass der Gesundheitsfonds mit einer Unterdeckung startet - also mit zuwenig Geld.
Für den Fall, dass eine Kasse mit dem Geld, das ihr zugewiesen wird, nicht auskommt, muss sie einen sogenannten Zusatzbeitrag verlangen. Der wird etwa auf sechs Prozent der Versicherten zukommen, schätzt der Präsident des Bundesversicherungsamtes, Josef Hecken. Etwa 20 Kassen müssten ihren Kunden zusätzliches Geld abverlangen.
Doch das sei im Werben um Versicherte fatal, meint der Vorstandschef der Deutschen Angestellten Krankenkasse - DAK - Herbert Rebscher.
"Es sagt ja niemand, die Prämie wäre der Preis für eine gute Versorgung oder für eine mittelfristige Hereinnahme therapeutischen Fortschritts. Sondern man sagt ja, eine Prämie ist so etwas wie ein Indikator für Unwirtschaftlichkeit, deshalb wird jede Kasse das vermeiden wollen."
Die Folgen sind für Herbert Rebscher klar: Der neue staatlich festgesetzte Einheitsbeitrag zwinge zu einem Wettsparen.
"Ab sofort - und das wird das gesamte nächste Jahr umfassen - regieren in den Organisationen der Vertragspartner die Buchhalter oder die Kostenrechner, und nicht mehr die, die sich um Versorgungsinhalte, mittelfristige Versorgungseffekte kümmern."
Von den neuen Versorgungsangeboten, von denen der Kassen-Chef Rebscher spricht, ist in den vergangenen Jahren eine bunte Vielfalt gewachsen. Die gesetzlichen Kassen haben neue Möglichkeiten, die sie seit Ende der 90er Jahre erhalten haben, fleißig genutzt. Bei der sogenannten Integrierten Versorgung etwa vereinbaren Kassen mit Gruppen von Ärzten und Kliniken, wie Behandlungsabläufe bei bestimmten Krankheiten auszusehen haben. Auf diese Weise ist inzwischen in rund viereinhalbtausend verschiedenen Verträgen beispielsweise die Abwicklung von Knie-Operationen neu geregelt worden oder auch die Betreuung psychisch Kranker. Dabei verfolgen die Kassen das Ziel, vom "Payer zum Player" zu werden - also nicht nur für die Gesundheitsversorgung zu bezahlen, sondern diese Versorgung auch mit zu gestalten. So spricht die DAK bei einem telefonischen Coaching-Programm chronisch kranke Patienten direkt an:
"Schönen guten Tag, DAK - Unternehmen Leben. Wir haben ja neulich schon mal miteinander gesprochen, und ich wollte mich erkundigen, wie es Ihnen geht, haben Sie ein bisschen Zeit für mich? Ja?"
DAK-Vorstandschef Herbert Rebscher erklärt, es gehe darum, den Patienten in einer Weise zu unterstützen, für die Ärzte keine Zeit hätten. Bei dem Betreuungsprogramm der DAK rufen Callcenter beispielsweise Zuckerkranke regelmäßig an, um sie zu fragen, ob sie die Ratschläge ihres Arztes befolgen.
"Also Medikamente einnimmt, empfohlenes Training, Gewichtsreduktion, Rauchentwöhnung - all diese Lebensführungs-Dinge. Und da kann man doch systematisch und signifikant die Eintrittswahrscheinlichkeit von Verschlimmerungen der Erkrankungen durchaus beherrschen - und damit werden auch mittelfristig unnötige Kosten gespart. Aber für den Patienten ist es natürlich ein hoher Nutzen, die Vermeidung dieser medizinischen Eskalation. Das versuchen wir mit diesem Coaching-Programm."
Das Projekt wird bislang in Baden-Württemberg und Bayern getestet, auswertbare Ergebnisse sollen nächstes Jahr vorliegen. Bei einigen Ärzten hat es allerdings für Empörung gesorgt, dass nicht mehr alleine sie mit den Patienten über Gesundheitsthemen sprechen. Der Bayerische Hausärzteverband warnte in einer Presse-Erklärung im Februar vor einer "zusätzlichen Gefährdung der Existenz der Vertragsärzteschaft". Die DAK lässt sich von solcher Kritik aber nicht beirren - sie will das Projekt fortführen. Auch die Techniker Krankenkasse will ein Projekt fortsetzen, das ebenfalls bei einigen Ärzten auf Argwohn stößt.
In Köln und Hamburg unterstützt die Techniker Krankenkasse so genannte Medizinische Versorgungszentren, hinter denen ein privater Investor als Kapitalgeber steht. Die Kasse empfiehlt ihren Versicherten, nicht mehr zu Ärzten mit der klassischen eigenen Praxis zu gehen - sondern in die Atriomed-Zentren, die mit angestellten Medizinern arbeiten. Das Angebot sei breit gefächert, erklärt Tilmann Halbuer, der das Hamburger Atriomed leitet:
"Im Haus sind Gynäkologie, Orthopädie, Neurologie, Innere Medizin, Pädiatrie und Psychotherapie für Erwachsene, das Haus ist ausgelegt für 12 bis 13 Fachrichtungen, so komme beispielsweise im Januar die Dermatologie hinzu. In der Inneren Medizin werden wir einen Lungenfacharzt, also einen Pulmonologen, und einen Kardiologen mit im Hause haben, die Augenheilkunde betreiben wir derzeit noch extern, und die Augenheilkunde wird im Januar hier mit in die Räumlichkeiten ziehen."
Wer bei der Techniker Krankenkasse versichert ist, und ins Atriomed geht, bekommt die Zusage, dass er innerhalb von fünf Werktagen einen Termin erhält. Im Ärztezentrum selbst sollen TK-Versicherte maximal eine halbe Stunde warten müssen. Diese Zeit können sie in einem separaten Wartebereich verbringen, der an eine Business-Lounge am Flughafen erinnert, er ist mit Saftbar und Kaffeemaschine ausgestattet. Andere Vorteile des Versorgungszentrums hätten nicht nur die Versicherten der Techniker Kasse, sondern alle Patienten, sagt Tillmann Halbuer:
"Über eine gemeinsame Organisation lässt es sich eben bewerkstelligen, dass man hier an einem Tag, einem Nachmittag verschiedene Ärzte verschiedenster Fachrichtungen aufsucht. Es gibt grundsätzlich Besprechungen zwischen den Ärzten, es gibt definitiv kurze Wege, der Weg zum Kollegen ist der über den Flur. Es gibt den direkten Austausch über den gemeinsamen Einblick in eine Dokumentation hier im Hause, über die sich ausgetauscht wird, bei gemeinsamen Patienten. Das ist der Vorteil, den Patienten hier genießen."
Die Techniker Krankenkasse verfolgt mehrere Ziele, wenn sie die medizinische Versorgung ihrer Versicherten mit gestaltet. Das Versorgungszentrum Atriomed soll den Eindruck einer First-Class-Betreuung vermitteln. Es sei aber langfristig auch kostengünstiger, wenn Ärzte sich an bestimmte sogenannte Behandlungspfade halten, erklärt der Vorstandschef der Kasse, Norbert Klusen.
"Zunächst müssen wir investieren, denn es kostet ja auch etwas, wenn wir einen Betreiber auf bestimmte Qualitätsmerkmale verpflichten oder auf einen bestimmten Service verpflichten. Aber langfristig gesehen, glaube ich, dass eine gute, leitlinienorientierte Medizin auch Rückflüsse bringt und auch für uns günstig ist."
Auch wenn der neue Gesundheitsfonds die Kassen erst einmal in ein rigides Finanzkorsett einzwänge, wolle seine Kasse solche Projekte weiterentwickeln, sagt Klusen. Und er hofft, dass er in anderen Bereichen zusätzliche Freiheiten erhält. Bereits jetzt können Krankenkassen für Medikamente, deren Patente abgelaufen sind, Rabattverträge abschließen. Bei den wesentlich teureren patentgeschützten Arzneien gibt es solche Verträge hingegen nicht. Hier will Klusen bei der Politik für mehr Spielraum werben:
"Also wenn wir völlig frei - natürlich mit Ausschreibung, wie das für öffentlich-rechtliche Körperschaften vorgeschrieben ist - aber ansonsten frei die Medikamente, die unseren Versicherten zur Verfügung stehen sollen, beschaffen könnten, von der Pharmaindustrie einkaufen können."
Vorstandschefs gesetzlicher Krankenkassen sprechen voller Selbstbewusstsein darüber, welche neuen Wege sie in den Vertragsverhandlungen mit Ärzten oder der Pharma-Industrie gehen. Dabei finden sie besonders aufmerksame Zuhörer bei denen, die sich lange Zeit von der gesetzlichen Krankenversicherung um jeden Preis abheben wollten: Die privaten Krankenversicherungs-Unternehmen schauen sich immer mehr Rezepte von den gesetzlichen Kassen ab, daraus macht der Vorstand der Allianz Privaten Krankenversicherung, Wilfried Johannßen, kein Hehl:
"Gerade im Versorgungsmanagement, ob das integrierte Versorgung ist, oder ob das irgendwelche sonstigen Netzwerke sind, da sind die Konzepte und die Ideen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelt werden, per se ja nicht schlecht. Also die Erfahrungen, die man dort gemacht hat, wo auch weiter dran gearbeitet wird, halten wir für interessant. Und da sehe ich per se keinen Widerspruch."
Besonders interessant fand die Allianz beispielsweise das Konzept der Fall-Manager, das gesetzliche Kassen schon seit geraumer Zeit verfolgen. Bei der Allianz Privaten Krankenversicherung heißen sie "Patientenbegleiter", Hildegard Büning ist eine von ihnen.
"Büning, Allianz Private Krankenversicherung, Grüß Gott. - Oh je, was ist los? Sie sind so erschöpft?"
Die Patientenbegleiter der Allianz sollen per Telefon darauf achten, dass die Versicherten zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Stelle des deutschen Gesundheitsdschungels gelangen. Das sei besser für den Patienten - und spare Kosten, glaubt der Allianz-Vorstand Johannßen:
"Also dass bei schwerwiegenden Erkrankungen im Krankenhaus geguckt wird, wie kann ich sicherstellen, dass die entsprechende Behandlung, zeitnah und richtig getaktet, auch durchgeführt wird. Oder wenn man nach Hause kommt, und ich brauche bestimmte Hilfsmittel, wie kann das organisiert werden. Oder ich muss in eine Anschlussheilbehandlung zu Reha-Maßnahmen - also das kann man sehr gut machen, und wir haben das auch quantifizieren lassen. Und die damals von uns - zunächst nur im Modellbereich - prognostizierten Einsparungen sind auch tatsächlich so eingetreten."
Es lässt sich eine ganze Reihe von Projekten finden, bei denen sich gesetzliche und private Krankenversicherer ähneln. So verspricht die gesetzliche Techniker Krankenkasse ihren Versicherten in den Atriomed-Versorgungszentren eine exklusive Betreuung - das gleiche Versprechen gibt der private Versicherer DKV bei seinen Ärztezentren namens "goMedus", von denen es bislang in Berlin, Düsseldorf und Köln jeweils eines gibt. Der DKV-Vorstand Jochen Messemer will sich mit diesem Angebot von der Konkurrenz positiv abheben - und gleichzeitig Geld sparen.
"Wir sehen, dass gute Ärzte am Ende des Tages eine exzellente und zugleich kostengünstigere Medizin anbieten. Weil sie wissen, wonach sie schauen müssen, weil sie die Art von Diagnostik, die sie machen, sehr viel zielgerichteter einsetzen.# "
Das Konzept, das die DKV mit ihren goMedus-Zentren verfolgt, weist aber noch in eine andere Richtung. Die DKV und viele andere Privatversicherer möchten nicht mehr einfach Rechnungen begleichen, die einzelne Ärzte einreichen. Sie möchten vielmehr mit Gruppen von Ärzten und Zahnärzten Kollektiv-Verträge schließen. Bislang ist das für Privatversicherer nicht möglich, doch die Bundesregierung hat bereits entsprechende Änderungsvorschläge vorgelegt. Der DKV-Vorstand Jochen Messemer hofft, dass sie auch umgesetzt werden:
" "Das heißt, ich wünsche mir tatsächlich auch, dass in den Gebührenordnungen für Ärzte und Zahnärzte sogenannte Öffnungsklauseln entstehen, die es tatsächlich ermöglichen, solche Pilotmodelle einmal zu testen.# "
Worum es dabei geht, macht der Direktor des Verbands der Privaten Krankenversicherer, Volker Leienbach, klar. Offiziell stehen bei den Öffnungsklauseln Vereinbarungen über Qualität im Vordergrund. Aber es geht auch um die Bezahlung:
" "Diese Öffnungsklausel würde es erlauben, mit der Ärzteschaft verbindliche Verabredungen zu treffen über Qualität und Menge, Menge von veranlassten Leistungen - was verschreibe ich, wo überweise ich hin - und schließlich auch, was Preise anbelangt."
Bislang sperren sich die Ärzteverbände allerdings gegen solche Änderungen. Denn nach Ansicht des Präsidenten der Bayerischen Landesärztekammer, Hans-Helmut Koch, haben die Privatversicherer nur ein Ziel:
"Wo kann ich Geld sparen, das muss man doch klar sehen. Ich sage: Du gehst nur noch zu dem Doktor, weil der hat eine besondere Prüfung bestanden, und spare damit Geld - also darum geht es den Privatversicherern."
Der Direktor des Verbandes der Privatversicherer Volker Leienbach weist solche Kritik zurück und betont, seine Branche wolle weiterhin großzügiger sein als die gesetzlichen Kassen. Doch er räumt auch ein, dass die Großzügigkeit Grenzen habe. Denn die Ausgaben der Privaten sind in den vergangenen Jahren rund doppelt so schnell gewachsen wie die der gesetzlichen Kassen:
"Wir haben eine Kostenentwicklung in der privaten Krankenversicherung, die um einiges über der in der gesetzlichen Krankenversicherung liegt. Und wir müssen alle Kraftanstrengungen unternehmen, dass die Steigerungsraten der Vergangenheit nicht die Steigerungsraten der Zukunft werden."
Die privaten Krankenversicherer möchten also Spar-Instrumente der gesetzlichen Krankenversicherung kopieren. Gleichzeitig nutzen die gesetzlichen Kassen immer intensiver Marketing-Instrumente der Privatversicherer. Seit dem Inkrafttreten der ersten Stufe der aktuellen Gesundheitsreform im Frühjahr 2007 können gesetzliche Kassen beispielsweise einen Bonus von mehreren hundert Euro an ihre Mitglieder zahlen, wenn sie ein Jahr lang keine Behandlungskosten verursachen. Früher gab es solche Rückerstattungstarife nur bei den Privaten. Innerhalb der gesetzlichen Kassen haben diese Tarife für heftige Diskussionen gesorgt. Für Fritz Schösser, der die Gewerkschaften im Verwaltungsrat des AOK-Bundesverbandes vertritt, passen sie eigentlich nicht zum Solidargedanken der gesetzlichen Krankenversicherung. Doch auch die AOK müsse im Wettbewerb gut dastehen, meint Schösser:
"Es ist ein Marketingwettbewerb, es ist ein Wettbewerb um gute Beitragszahler und es ist ein Wettbewerb, die private Krankenversicherung nicht attraktiver zu machen als die Gesetzliche."
Im Wettbewerb unter den Krankenversicherern geht es allerdings nur um die Verteilung von Beitrags-Einnahmen. Zusätzliches Geld bringt er den Kassen nicht ein. Und auch der neue einheitliche Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung - der immerhin um 0,6 Prozentpunkte höher liegt als der bisherige Durchschnittsbeitrag - schaffe kein extra Finanzpolster, erklärt Hubertus Räde, der die Arbeitgeber im Verwaltungsrat der AOK Bayern vertritt. Die bundesweit größte AOK habe zwar nächstes Jahr 700 Millionen Euro mehr zur Verfügung; doch die 7 Prozent mehr Geld, um die die Kasse ihren Haushalt aufstockt, würden umgehend an Ärzte, Krankenhäuser und Pharmaindustrie weitergereicht:
"700 Millionen kommen rein, das klingt auf den ersten Blick nach furchtbar viel Geld. Aber aufgrund der Leistungsversprechen, die die Politik gegenüber Krankenhäusern gemacht hat, werden diese 700 Millionen auch in Leistungen wieder umgesetzt. Sodass sich am Ende, nach allem, was wir heute sehen, ein Nullsummen-Spiel ergibt."
Bei allen Veränderungen hinter den Kulissen des Gesundheitswesens wird also im Jahr 2009 eine Konstante bestehen bleiben: Ärzte und Krankenhäuser werden mehr Geld einfordern. Und die Kassen werden diese Forderungen zurückweisen. Für die Versicherten hat der Vorstandschef der DAK, Herbert Rebscher, immerhin einen Trost:
"Der Patient wird am ersten Januar nichts spüren, der wird in seine Arztpraxis gehen und wird dort behandelt. Er wird zu seinem Zahnarzt gehen, und wird dort behandelt."
Und bei aller Annäherung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung wird sich an einer Grundbedingung ihrer Arbeit nichts ändern: Das Prinzip, dass sich die Einnahmen der gesetzlichen Kassen nach dem Einkommen der Mitglieder richten, während die Privatversicherer ihre Prämien nach dem Gesundheitszustand der Kunden kalkulieren, bleibt unangetastet. Im Bundestagswahlkampf 2004 hatten fast alle Parteien hier grundlegende Reformen angekündigt. Ob sie im Wahlkampf 2009 noch einmal ein Schwergewicht auf Gesundheitspolitik legen, wird sich zeigen.
Hinter diesen neuen Regelungen stecke ein gemeinsames Ziel, erklärt Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt immer wieder:
"All das, was wir zu Papier bringen, dient dem Ziel, die Wahl- und Wechselmöglichkeiten der Versicherten und ihre Entscheidungsmöglichkeiten zu erhöhen, die Qualität der Versorgung zu verbessern, und insgesamt mehr Anreize zu setzen für Wirtschaftlichkeit, für Transparenz und auch für mehr Wettbewerb."
Aus den Vorständen der gesetzlichen wie auch der privaten Krankenversicherer hat es viel Kritik an der Gesundheitsreform gegeben. Doch jetzt lasse sich höchstens noch durch Verfassungsklagen etwas an dem Gesetzespaket ändern, meint beispielsweise Jochen Messemer vom Vorstand des privaten Krankenversicherers DKV. Mit vielen Teilen der Reform müsse man sich einfach arrangieren.
"Ja, ich glaube, der Wettbewerb wird nächstes Jahr deutlich schärfer. Es ist ohne Zweifel so: Menschen, die mehr Wechselrecht haben, werden anspruchsvoller werden gegenüber ihrem Krankenversicherungsunternehmen, das dürfen die Kunden auch - dem Wettbewerb muss man sich stellen. Und die Frage ist: Wer wird dann in einem solchen Wechsel-Wettbewerb Gewinner und Verlierer."
Die sonst so verschiedenen Zweige der Krankenversicherung haben im schärferen Wettbewerb eine Gemeinsamkeit: Sie sind mit den Bedingungen für diesen Wettbewerb alles andere als zufrieden. Die Privatversicherer, die sich um rund 10 Prozent der Bevölkerung kümmern, müssen ihren Kunden beim Wechsel zu einem anderen Anbieter künftig einen Teil der sogenannten Altersrückstellungen mitgeben. Bislang war das in der Kalkulation nicht vorgesehen. Die Privatversicherer sehen in der Neuerung einen so gravierenden Eingriff in ihr Geschäftsmodell, dass sie vors Bundesverfassungsgericht gezogen sind.
Auch die gesetzlichen Krankenkassen, die die Versorgung von 90 Prozent der Deutschen organisieren, sind mit den neuen Wettbewerbsbedingungen unzufrieden. Die Kassen stören sich vor allem daran, dass künftig nicht mehr sie selbst bestimmen, wie hoch ihr jeweiliger Beitragssatz ist. Erstmals legt der Staat einen einheitlichen Beitragssatz fest: 15,5 Prozent. Die Krankenkassen hatten ursprünglich mehr gefordert - und sprechen schon jetzt davon, dass der Gesundheitsfonds mit einer Unterdeckung startet - also mit zuwenig Geld.
Für den Fall, dass eine Kasse mit dem Geld, das ihr zugewiesen wird, nicht auskommt, muss sie einen sogenannten Zusatzbeitrag verlangen. Der wird etwa auf sechs Prozent der Versicherten zukommen, schätzt der Präsident des Bundesversicherungsamtes, Josef Hecken. Etwa 20 Kassen müssten ihren Kunden zusätzliches Geld abverlangen.
Doch das sei im Werben um Versicherte fatal, meint der Vorstandschef der Deutschen Angestellten Krankenkasse - DAK - Herbert Rebscher.
"Es sagt ja niemand, die Prämie wäre der Preis für eine gute Versorgung oder für eine mittelfristige Hereinnahme therapeutischen Fortschritts. Sondern man sagt ja, eine Prämie ist so etwas wie ein Indikator für Unwirtschaftlichkeit, deshalb wird jede Kasse das vermeiden wollen."
Die Folgen sind für Herbert Rebscher klar: Der neue staatlich festgesetzte Einheitsbeitrag zwinge zu einem Wettsparen.
"Ab sofort - und das wird das gesamte nächste Jahr umfassen - regieren in den Organisationen der Vertragspartner die Buchhalter oder die Kostenrechner, und nicht mehr die, die sich um Versorgungsinhalte, mittelfristige Versorgungseffekte kümmern."
Von den neuen Versorgungsangeboten, von denen der Kassen-Chef Rebscher spricht, ist in den vergangenen Jahren eine bunte Vielfalt gewachsen. Die gesetzlichen Kassen haben neue Möglichkeiten, die sie seit Ende der 90er Jahre erhalten haben, fleißig genutzt. Bei der sogenannten Integrierten Versorgung etwa vereinbaren Kassen mit Gruppen von Ärzten und Kliniken, wie Behandlungsabläufe bei bestimmten Krankheiten auszusehen haben. Auf diese Weise ist inzwischen in rund viereinhalbtausend verschiedenen Verträgen beispielsweise die Abwicklung von Knie-Operationen neu geregelt worden oder auch die Betreuung psychisch Kranker. Dabei verfolgen die Kassen das Ziel, vom "Payer zum Player" zu werden - also nicht nur für die Gesundheitsversorgung zu bezahlen, sondern diese Versorgung auch mit zu gestalten. So spricht die DAK bei einem telefonischen Coaching-Programm chronisch kranke Patienten direkt an:
"Schönen guten Tag, DAK - Unternehmen Leben. Wir haben ja neulich schon mal miteinander gesprochen, und ich wollte mich erkundigen, wie es Ihnen geht, haben Sie ein bisschen Zeit für mich? Ja?"
DAK-Vorstandschef Herbert Rebscher erklärt, es gehe darum, den Patienten in einer Weise zu unterstützen, für die Ärzte keine Zeit hätten. Bei dem Betreuungsprogramm der DAK rufen Callcenter beispielsweise Zuckerkranke regelmäßig an, um sie zu fragen, ob sie die Ratschläge ihres Arztes befolgen.
"Also Medikamente einnimmt, empfohlenes Training, Gewichtsreduktion, Rauchentwöhnung - all diese Lebensführungs-Dinge. Und da kann man doch systematisch und signifikant die Eintrittswahrscheinlichkeit von Verschlimmerungen der Erkrankungen durchaus beherrschen - und damit werden auch mittelfristig unnötige Kosten gespart. Aber für den Patienten ist es natürlich ein hoher Nutzen, die Vermeidung dieser medizinischen Eskalation. Das versuchen wir mit diesem Coaching-Programm."
Das Projekt wird bislang in Baden-Württemberg und Bayern getestet, auswertbare Ergebnisse sollen nächstes Jahr vorliegen. Bei einigen Ärzten hat es allerdings für Empörung gesorgt, dass nicht mehr alleine sie mit den Patienten über Gesundheitsthemen sprechen. Der Bayerische Hausärzteverband warnte in einer Presse-Erklärung im Februar vor einer "zusätzlichen Gefährdung der Existenz der Vertragsärzteschaft". Die DAK lässt sich von solcher Kritik aber nicht beirren - sie will das Projekt fortführen. Auch die Techniker Krankenkasse will ein Projekt fortsetzen, das ebenfalls bei einigen Ärzten auf Argwohn stößt.
In Köln und Hamburg unterstützt die Techniker Krankenkasse so genannte Medizinische Versorgungszentren, hinter denen ein privater Investor als Kapitalgeber steht. Die Kasse empfiehlt ihren Versicherten, nicht mehr zu Ärzten mit der klassischen eigenen Praxis zu gehen - sondern in die Atriomed-Zentren, die mit angestellten Medizinern arbeiten. Das Angebot sei breit gefächert, erklärt Tilmann Halbuer, der das Hamburger Atriomed leitet:
"Im Haus sind Gynäkologie, Orthopädie, Neurologie, Innere Medizin, Pädiatrie und Psychotherapie für Erwachsene, das Haus ist ausgelegt für 12 bis 13 Fachrichtungen, so komme beispielsweise im Januar die Dermatologie hinzu. In der Inneren Medizin werden wir einen Lungenfacharzt, also einen Pulmonologen, und einen Kardiologen mit im Hause haben, die Augenheilkunde betreiben wir derzeit noch extern, und die Augenheilkunde wird im Januar hier mit in die Räumlichkeiten ziehen."
Wer bei der Techniker Krankenkasse versichert ist, und ins Atriomed geht, bekommt die Zusage, dass er innerhalb von fünf Werktagen einen Termin erhält. Im Ärztezentrum selbst sollen TK-Versicherte maximal eine halbe Stunde warten müssen. Diese Zeit können sie in einem separaten Wartebereich verbringen, der an eine Business-Lounge am Flughafen erinnert, er ist mit Saftbar und Kaffeemaschine ausgestattet. Andere Vorteile des Versorgungszentrums hätten nicht nur die Versicherten der Techniker Kasse, sondern alle Patienten, sagt Tillmann Halbuer:
"Über eine gemeinsame Organisation lässt es sich eben bewerkstelligen, dass man hier an einem Tag, einem Nachmittag verschiedene Ärzte verschiedenster Fachrichtungen aufsucht. Es gibt grundsätzlich Besprechungen zwischen den Ärzten, es gibt definitiv kurze Wege, der Weg zum Kollegen ist der über den Flur. Es gibt den direkten Austausch über den gemeinsamen Einblick in eine Dokumentation hier im Hause, über die sich ausgetauscht wird, bei gemeinsamen Patienten. Das ist der Vorteil, den Patienten hier genießen."
Die Techniker Krankenkasse verfolgt mehrere Ziele, wenn sie die medizinische Versorgung ihrer Versicherten mit gestaltet. Das Versorgungszentrum Atriomed soll den Eindruck einer First-Class-Betreuung vermitteln. Es sei aber langfristig auch kostengünstiger, wenn Ärzte sich an bestimmte sogenannte Behandlungspfade halten, erklärt der Vorstandschef der Kasse, Norbert Klusen.
"Zunächst müssen wir investieren, denn es kostet ja auch etwas, wenn wir einen Betreiber auf bestimmte Qualitätsmerkmale verpflichten oder auf einen bestimmten Service verpflichten. Aber langfristig gesehen, glaube ich, dass eine gute, leitlinienorientierte Medizin auch Rückflüsse bringt und auch für uns günstig ist."
Auch wenn der neue Gesundheitsfonds die Kassen erst einmal in ein rigides Finanzkorsett einzwänge, wolle seine Kasse solche Projekte weiterentwickeln, sagt Klusen. Und er hofft, dass er in anderen Bereichen zusätzliche Freiheiten erhält. Bereits jetzt können Krankenkassen für Medikamente, deren Patente abgelaufen sind, Rabattverträge abschließen. Bei den wesentlich teureren patentgeschützten Arzneien gibt es solche Verträge hingegen nicht. Hier will Klusen bei der Politik für mehr Spielraum werben:
"Also wenn wir völlig frei - natürlich mit Ausschreibung, wie das für öffentlich-rechtliche Körperschaften vorgeschrieben ist - aber ansonsten frei die Medikamente, die unseren Versicherten zur Verfügung stehen sollen, beschaffen könnten, von der Pharmaindustrie einkaufen können."
Vorstandschefs gesetzlicher Krankenkassen sprechen voller Selbstbewusstsein darüber, welche neuen Wege sie in den Vertragsverhandlungen mit Ärzten oder der Pharma-Industrie gehen. Dabei finden sie besonders aufmerksame Zuhörer bei denen, die sich lange Zeit von der gesetzlichen Krankenversicherung um jeden Preis abheben wollten: Die privaten Krankenversicherungs-Unternehmen schauen sich immer mehr Rezepte von den gesetzlichen Kassen ab, daraus macht der Vorstand der Allianz Privaten Krankenversicherung, Wilfried Johannßen, kein Hehl:
"Gerade im Versorgungsmanagement, ob das integrierte Versorgung ist, oder ob das irgendwelche sonstigen Netzwerke sind, da sind die Konzepte und die Ideen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelt werden, per se ja nicht schlecht. Also die Erfahrungen, die man dort gemacht hat, wo auch weiter dran gearbeitet wird, halten wir für interessant. Und da sehe ich per se keinen Widerspruch."
Besonders interessant fand die Allianz beispielsweise das Konzept der Fall-Manager, das gesetzliche Kassen schon seit geraumer Zeit verfolgen. Bei der Allianz Privaten Krankenversicherung heißen sie "Patientenbegleiter", Hildegard Büning ist eine von ihnen.
"Büning, Allianz Private Krankenversicherung, Grüß Gott. - Oh je, was ist los? Sie sind so erschöpft?"
Die Patientenbegleiter der Allianz sollen per Telefon darauf achten, dass die Versicherten zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Stelle des deutschen Gesundheitsdschungels gelangen. Das sei besser für den Patienten - und spare Kosten, glaubt der Allianz-Vorstand Johannßen:
"Also dass bei schwerwiegenden Erkrankungen im Krankenhaus geguckt wird, wie kann ich sicherstellen, dass die entsprechende Behandlung, zeitnah und richtig getaktet, auch durchgeführt wird. Oder wenn man nach Hause kommt, und ich brauche bestimmte Hilfsmittel, wie kann das organisiert werden. Oder ich muss in eine Anschlussheilbehandlung zu Reha-Maßnahmen - also das kann man sehr gut machen, und wir haben das auch quantifizieren lassen. Und die damals von uns - zunächst nur im Modellbereich - prognostizierten Einsparungen sind auch tatsächlich so eingetreten."
Es lässt sich eine ganze Reihe von Projekten finden, bei denen sich gesetzliche und private Krankenversicherer ähneln. So verspricht die gesetzliche Techniker Krankenkasse ihren Versicherten in den Atriomed-Versorgungszentren eine exklusive Betreuung - das gleiche Versprechen gibt der private Versicherer DKV bei seinen Ärztezentren namens "goMedus", von denen es bislang in Berlin, Düsseldorf und Köln jeweils eines gibt. Der DKV-Vorstand Jochen Messemer will sich mit diesem Angebot von der Konkurrenz positiv abheben - und gleichzeitig Geld sparen.
"Wir sehen, dass gute Ärzte am Ende des Tages eine exzellente und zugleich kostengünstigere Medizin anbieten. Weil sie wissen, wonach sie schauen müssen, weil sie die Art von Diagnostik, die sie machen, sehr viel zielgerichteter einsetzen.# "
Das Konzept, das die DKV mit ihren goMedus-Zentren verfolgt, weist aber noch in eine andere Richtung. Die DKV und viele andere Privatversicherer möchten nicht mehr einfach Rechnungen begleichen, die einzelne Ärzte einreichen. Sie möchten vielmehr mit Gruppen von Ärzten und Zahnärzten Kollektiv-Verträge schließen. Bislang ist das für Privatversicherer nicht möglich, doch die Bundesregierung hat bereits entsprechende Änderungsvorschläge vorgelegt. Der DKV-Vorstand Jochen Messemer hofft, dass sie auch umgesetzt werden:
" "Das heißt, ich wünsche mir tatsächlich auch, dass in den Gebührenordnungen für Ärzte und Zahnärzte sogenannte Öffnungsklauseln entstehen, die es tatsächlich ermöglichen, solche Pilotmodelle einmal zu testen.# "
Worum es dabei geht, macht der Direktor des Verbands der Privaten Krankenversicherer, Volker Leienbach, klar. Offiziell stehen bei den Öffnungsklauseln Vereinbarungen über Qualität im Vordergrund. Aber es geht auch um die Bezahlung:
" "Diese Öffnungsklausel würde es erlauben, mit der Ärzteschaft verbindliche Verabredungen zu treffen über Qualität und Menge, Menge von veranlassten Leistungen - was verschreibe ich, wo überweise ich hin - und schließlich auch, was Preise anbelangt."
Bislang sperren sich die Ärzteverbände allerdings gegen solche Änderungen. Denn nach Ansicht des Präsidenten der Bayerischen Landesärztekammer, Hans-Helmut Koch, haben die Privatversicherer nur ein Ziel:
"Wo kann ich Geld sparen, das muss man doch klar sehen. Ich sage: Du gehst nur noch zu dem Doktor, weil der hat eine besondere Prüfung bestanden, und spare damit Geld - also darum geht es den Privatversicherern."
Der Direktor des Verbandes der Privatversicherer Volker Leienbach weist solche Kritik zurück und betont, seine Branche wolle weiterhin großzügiger sein als die gesetzlichen Kassen. Doch er räumt auch ein, dass die Großzügigkeit Grenzen habe. Denn die Ausgaben der Privaten sind in den vergangenen Jahren rund doppelt so schnell gewachsen wie die der gesetzlichen Kassen:
"Wir haben eine Kostenentwicklung in der privaten Krankenversicherung, die um einiges über der in der gesetzlichen Krankenversicherung liegt. Und wir müssen alle Kraftanstrengungen unternehmen, dass die Steigerungsraten der Vergangenheit nicht die Steigerungsraten der Zukunft werden."
Die privaten Krankenversicherer möchten also Spar-Instrumente der gesetzlichen Krankenversicherung kopieren. Gleichzeitig nutzen die gesetzlichen Kassen immer intensiver Marketing-Instrumente der Privatversicherer. Seit dem Inkrafttreten der ersten Stufe der aktuellen Gesundheitsreform im Frühjahr 2007 können gesetzliche Kassen beispielsweise einen Bonus von mehreren hundert Euro an ihre Mitglieder zahlen, wenn sie ein Jahr lang keine Behandlungskosten verursachen. Früher gab es solche Rückerstattungstarife nur bei den Privaten. Innerhalb der gesetzlichen Kassen haben diese Tarife für heftige Diskussionen gesorgt. Für Fritz Schösser, der die Gewerkschaften im Verwaltungsrat des AOK-Bundesverbandes vertritt, passen sie eigentlich nicht zum Solidargedanken der gesetzlichen Krankenversicherung. Doch auch die AOK müsse im Wettbewerb gut dastehen, meint Schösser:
"Es ist ein Marketingwettbewerb, es ist ein Wettbewerb um gute Beitragszahler und es ist ein Wettbewerb, die private Krankenversicherung nicht attraktiver zu machen als die Gesetzliche."
Im Wettbewerb unter den Krankenversicherern geht es allerdings nur um die Verteilung von Beitrags-Einnahmen. Zusätzliches Geld bringt er den Kassen nicht ein. Und auch der neue einheitliche Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung - der immerhin um 0,6 Prozentpunkte höher liegt als der bisherige Durchschnittsbeitrag - schaffe kein extra Finanzpolster, erklärt Hubertus Räde, der die Arbeitgeber im Verwaltungsrat der AOK Bayern vertritt. Die bundesweit größte AOK habe zwar nächstes Jahr 700 Millionen Euro mehr zur Verfügung; doch die 7 Prozent mehr Geld, um die die Kasse ihren Haushalt aufstockt, würden umgehend an Ärzte, Krankenhäuser und Pharmaindustrie weitergereicht:
"700 Millionen kommen rein, das klingt auf den ersten Blick nach furchtbar viel Geld. Aber aufgrund der Leistungsversprechen, die die Politik gegenüber Krankenhäusern gemacht hat, werden diese 700 Millionen auch in Leistungen wieder umgesetzt. Sodass sich am Ende, nach allem, was wir heute sehen, ein Nullsummen-Spiel ergibt."
Bei allen Veränderungen hinter den Kulissen des Gesundheitswesens wird also im Jahr 2009 eine Konstante bestehen bleiben: Ärzte und Krankenhäuser werden mehr Geld einfordern. Und die Kassen werden diese Forderungen zurückweisen. Für die Versicherten hat der Vorstandschef der DAK, Herbert Rebscher, immerhin einen Trost:
"Der Patient wird am ersten Januar nichts spüren, der wird in seine Arztpraxis gehen und wird dort behandelt. Er wird zu seinem Zahnarzt gehen, und wird dort behandelt."
Und bei aller Annäherung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung wird sich an einer Grundbedingung ihrer Arbeit nichts ändern: Das Prinzip, dass sich die Einnahmen der gesetzlichen Kassen nach dem Einkommen der Mitglieder richten, während die Privatversicherer ihre Prämien nach dem Gesundheitszustand der Kunden kalkulieren, bleibt unangetastet. Im Bundestagswahlkampf 2004 hatten fast alle Parteien hier grundlegende Reformen angekündigt. Ob sie im Wahlkampf 2009 noch einmal ein Schwergewicht auf Gesundheitspolitik legen, wird sich zeigen.