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Wettkampf für die Wissenschaft

Nicht nur für Ruhm und Ehre kämpfen Roboter und ihre Herren, sondern auch für den technologischen Fortschritt. So begeht die internationale Tüftlerschar in Bremen auch den 50. Geburtstag der Suche nach der künstlichen Intelligenz und zieht dazu eine Zwischenbilanz.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Maximilian Schönherr | 17.06.2006
    Manfred Kloiber: Herr Schönherr, müssen sich die KI-Forscher wirklich mit Brötchenholen zufrieden geben?

    Maximilian Schönherr: Es gibt drei Fraktionen unter den KI-Forschern. Es kam gestern auf der Pressekonferenz zu diesem 50-Jahre-Jubiläum. Heute ist die Veranstaltung offiziell in Bremen zu sehen, im Messezentrum direkt am Hauptbahnhof. Die eine Gruppe sind jene Wissenschaftler, die sagen: "künstliche Intelligenz ist uns eigentlich egal, wir programmieren Roboter, wir machen Multiagentensysteme zu Erfindung von Lösungen auf eine ganz praktische Weise von komplexen, flexiblen Lösungen, wir machen Fuzzy-Logic in Kaffeemaschinen, wir machen Suchroboter, die mit einer einigermaßen bescheidenen Intelligenz selber ihren Weg finden können." Die zweite Gattung von Leuten, das ist der typische deutsche Informatik Professor, der auf seinen Lehrplan "KI" schreibt. Die waren gestern eigentlich alle da, und zwar von - ich würde schätzen - circa 70 Jahren runter bis zu Mitte 30. Beide Generationen von deutschen KI-Forschern sagen: "wir respektieren, seit wir forschen über die KI, die Natur viel mehr. Das heißt, wir machen eine große Verbeugung vor der Natur und dem menschlichen Gehirn, schon dem Gehirn einer Katze, allein schon wie die Menschen gehen und so weiter und wie Emotionen zusammenarbeiten. Sehr kontrovers die dritte Schiene - ich dachte eigentlich, die seien ausgestorben, aber die gibt es noch, weil leibhaftig auch dort: nämlich Marvin Minsky, er gilt als der Gründer der künstlichen Intelligenz-Forschung. Er hat das AI-Lab am Massachusetts Institute of Technology in den sechziger Jahren gegründet und die erste KI-Veranstaltung eben vor 50 Jahren ausgerufen.

    Kloiber: Marvin Minsky ist ja - wie sie sagten - eine Schlüsselfigur. Wie ist denn seine Haltung zur künstlichen Intelligenz? Sieht er Scheitern oder Nicht-Scheitern?

    Schönherr: Also ich verwende einmal seine drastische Sprache fast direkt, so wie er es gestern gesagt hat: er findet es unter aller Sau, auf diese Roboter hier zu setzen. Dieses wären 10.000 verschiedene Modelle, die im Grunde alle dasselbe täten. Es gebe weltweit 50.000 Statistiker, die sich nur mit besserer Lernsoftware beschäftigen, statt, wie er das schon immer fordert, ein Gesamtkonzept von einer intelligenten Maschine zu begründen. Und da ist er heutzutage kräftig frustriert, er hat praktisch keine Gelder mehr und er hat kaum mehr Kollegen, die mit ihm an einem Strang ziehen. Und er sagte dann, er habe trotzdem recht, "denn würden Sie auf ein Schiff gehen, wo schon 50.000 Leute drauf sind", so sein provozierendes Beispiel.

    Kloiber: Ist denn jetzt Marvin Minsky, eigentlich im letzten Jahrhundert, in den siebziger, achtziger Jahren der unumstrittene Star der künstlichen Intelligenz-Forschung, heute eine gescheiterte Forscherexistenz?

    Schönherr: Eine gescheiterte Forscherexistenz wahrscheinlich schon, aber eine Unterhalterexistenz ist er allemal, denn er hat einen Zynismus inzwischen entwickelt und eine Schlagfertigkeit, die war schon wirklich gut. Also eine Kollegin hat ihn gestern auf der Pressekonferenz gefragt, und er denn, wenn es ginge, sich hochbeamen würde in eine Datenbank, sein gesamtes Gehirn, und dort weiterleben würde. Minsky sagte: "Nur, wenn ich alle drei Tage einen Backup machen könnte." Ich habe ihm vorgeschlagen, dass man die KI doch einstampfen und dem Genetic Engineering unterordnen könnte, also der Gentechnik. Und da sagte er: "die Evolution war sowieso viel zu langsam und die Gentechniker haben eigentlich nur so ein herumdoktern gebraucht und mit seinen 26 Teilen, aus denen ein Gehirn besteht - das glaubt er, herausgefunden zu haben und in seinem neuen Buch stellt er das auch vor - wird es dann doch noch möglich werden, eine Maschine mit künstlicher Intelligenz herzustellen.