Archiv


Wettrennen zum Terahertz-Computer

Physik. - Das Material Magnesiumdiborid ist auf den ersten Blick nichts Besonderes. Man kann es in jeder Chemikalienhandlung bestellen. Vor anderthalb Jahren aber kühlte ein japanisches Physikerteam das Material auf tiefe Temperaturen ab und fand heraus, dass es dann elektrischen Strom ohne Widerstand leiten kann. Ein so genannter Supraleiter, der physikalische Eigenschaften besaß, von denen die Fachleute bislang nur zu träumen gewagt hatten. Im Fachblatt ''Nature Materials'' ist nun nachzulesen, dass es erstmals gelungen ist, dünne Filme aus Magnesiumdiborid herzustellen. Damit eröffnen sich neue Wege zu noch schnelleren Computerchips.

    Seit Magnesiumdiborid als Supraleiter entdeckt wurde, wollen Materialforscher die Metallverbindung für eine ganze Reihe von technische Anwendungen nutzbar machen: für den verlustfreien Stromtransport in Kabeln, für große Spulen, für neuartige Motoren und für schnellere Computerchips. "Es ist ein Wettrennen", sagt der chinesische Physiker Xianoxing Xi von der Pennsylvania State University, "und es ist ziemlich konkurrenzbetont." Unter den Supraleitern hat Magnesiumdiborid einen entscheidenden Vorteil: Es wird bereits bei einer Temperatur von 40 Grad über dem absoluten Nullpunkt supraleitend, also bei minus 233 Grad Celsius. Zum Vergleich: Bei anderen Metall-Supraleitern tritt der Effekt erst bei vier Grad über dem absoluten Nullpunkt ein. Die dafür nötige Kühlung ist bei realen Anwendungen viel zu aufwändig. Bei Magnesiumdiborid dagegen reicht ein einfaches und kompaktes Kühlgerät aus, das kaum mehr Strom verbraucht als ein Computer.

    Um tatsächlich Computerchips aus Magnesiumdiborid herstellen zu können, muss man aus dem Material sehr dünne Schichten herstellen. Denn in den Chips sind Leiterbahnen, Isolator-Material, Halbleiter- und bald wohl auch Supraleitermaterial in unterschiedlichen Lagen untergebracht. Solche Filme herzustellen, stellte sich aber als schwierig heraus, berichtet Xianoxing Xi: "Das Wettrennen wurde länger und härter, viele Leute gaben unterwegs auf. Meine Arbeitsgruppe hat dann eine richtige Entscheidung getroffen - und schließlich ist es uns gelungen." Die richtige Entscheidung war, umfassende theoretische Berechnungen durchzuführen. Dabei kamen Xi und seine Kollegen zu dem Ergebnis, dass für die Herstellung der Filme eine ungewöhnlich hohe Temperatur und ein großer Druck nötig sind.

    Unter diesen Extrem-Bedingungen entstanden aber schnell Defekte in der Kristallstruktur der Magnesiumdiborid-Filme, sodass Xi zusammen mit Experten von der University of Michigan ein ganz neues physikalisch-chemisches Herstellungsverfahren entwickelte. Es lehnt sich an Methoden der Halbleiterindustrie an, erlaubt zugleich aber eine Prozesstemperatur von 700 Grad. Damit sei das Wettrennen um die Herstellung der Filme vorbei, sagt Xi: "Unsere Methode funktioniert als einzige hervorragend. Ich denke, das nächste Wettrennen wird jetzt um die Herstellung von Josephson-Kontakten und um integrierte Schaltkreise gehen." Josephson-Kontakten sind winzige Schalter aus supraleitendem Material, die durch besondere Effekte der Supraleitung wesentlich schneller schalten als herkömmliche Halbleiter-Transistoren. Während gewöhnliche Chips mit Taktraten von einigen Gigahertz arbeiten, erreichen Chips aus supraleitenden Materialien inzwischen 700 Gigahertz. Xi geht davon aus, dass in den nächsten Jahren auch Taktraten von bis zu einem Terahertz möglich werden: "Es sieht ganz so aus, als würde der Computer der Zukunft dann einen eingebauten Kühlschrank benötigen."

    [Quelle: Jan Lublinski]