Berthold-Schossig: Grundlage beziehungsweise Ausgangspunkt dieser Diskussion bei den Akzenten ist ein durchaus neues Dokument, die von Ihnen mit angestoßene Duisburger Erklärung. Dort wird festgestellt, der American Dream sei verblasst, die USA seien vom wichtigsten Partner zum vielleicht wichtigsten Problem Europas geworden. Inwieweit spiegelt eigentlich solche Haltung vor allem auch die Enttäuschung einer Generation, die geprägt ist von der Nachkriegsreeducation und dem Import amerikanischer Popkultur, Herr Hippler?
Hippler: Ich glaube, dass das eine wichtige Frage ist insofern, als wir eben wirklich in Deutschland die Erfahrung von Marshall-Plan, von Care-Paketen, von Aufbauhilfe, dass die USA im Kalten Krieg auch Sicherheit nach außen hier in Europa gewährleistet haben. Insofern hatten eben viele Leute in Europa mit gutem Grund einen sehr starken positivem Amerika-Bezug. Amerika als Vertreter der westlichen Werte von Demokratie und so was. Und deswegen sind wirklich viele Leute besonders zum ersten mal, glaube ich, seit dem Vietnamkrieg, wo es auch dann amerikanische Massaker an Zivilisten und anderes gegeben hatte, seitdem immer wieder enttäuscht. Und im Moment die Erfahrung zu haben, dass die amerikanische Regierung eben jetzt Völkerrecht nicht mehr beachtet, die UNO versucht zu sabotieren und so, dass führt eben wirklich zu einer großen Enttäuschung.
Berthold-Schossig: Sie datieren das also nicht auf den Vietnamkrieg, sondern auf das Ende des Kalten Krieges in der Duisburger Erklärung. Das ist ja ein interessanter Aspekt einer solchen Erklärung. Man hat ja damals schon gesagt, da geht eine Epoche zu Ende, die Welt wird sich neu ordnen müssen. Bush Senior hat ja dann sehr schnell mit der neuen Weltordnung auch reagiert. Wie sehen Sie dieses Stichdatum Ende des Kalten Krieges für die Neubetrachtung und auch Neubewertung des Amerika-Europa-Verhältnisses?
Hippler: Ich glaube, das ist ein Schlüsseldatum, weil, bis zu diesem Zeitpunkt es eben zwei Supermächte gegeben hat, die sich in gewissem Sinne gegenseitig in die Schranken wiesen. Und mit Ende des Kalten Krieges ist das verschwunden und wir haben jetzt eine einzige wirklich alles dominierende Supermacht übrig behalten, die militärisch völlig überlegen ist, mehr Geld für Rüstung ausgibt, als der Rest der Welt zusammen, wenn ich das mal vereinfachen darf. Und das scheint mir das Problem zu sein. Ich glaube nicht , dass das Problem wirklich die USA als USA sind. Wenn Russland, wenn China, wenn Deutschland wenn sonst jemand so dominieren würde wie die USA heute, würden solche Länder genauso arrogant und rücksichtslos auftreten, da bin ich sicher. Sondern das Problem ist tatsächlich, dass ein einziges Land heute eine solch überwältigende Machtstellung hat und solch überwältigende Macht führt eben zu Überheblichkeit, zu Arroganz, zu Fehlern, zur Missachtung anderer und zur Missachtung des Völkerrechts.
Berthold-Schossig: Glauben Sie Herr Hippler, dass durch das moralische und ethische Desaster, was jetzt auf die USA zukommt, durch die Vorgänge im Irak, gerade dieses Sendungsbewusstsein einen deutlichen Dämpfer, eine Delle bekommen hat und sich vielleicht da etwas ändern könnte?
Hippler: Also das wollen wir hoffen. Also, es ja nicht so, dass in den USA diese Bush-Position, diese radikalen, rücksichtslosen Positionen von allen Leuten geteilt würden. Es gibt in den USA viele Strömungen der Zivilgesellschaft, der Politik in der Opposition, zum Teil sogar bis in die republikanische Partei hinein, die diese Form von Arroganz und herrischem Auftreten nicht für nützlich und nicht für richtig halten. Und ich glaube, dass wir mit solchen Freunden in Amerika gemeinsam versuchen müssen wieder Wertegemeinschaften zu bilden, dass eben Völkerrecht gilt, dass die Genfer Konvention hält, das man nicht völkerrechtliche Kriege führen darf und, dass auch in Kriegen solche Dinge wie Folter einfach nicht erträglich sind.
Berthold-Schossig: "Why Do People Hate America", der Duisburger Politologe Jochen Hippler über eine Podiumsdiskussion heute Abend auf dem NRW-Festival "Akzente".