Dienstag, 23. April 2024

Archiv


Wichtiger Schlaf

Neurologie. – Die Schlafschule ist ein Traum der meisten Schüler und wird es nach Expertenmeinung auch immer bleiben. Allerdings gibt es durchaus einen Zusammenhang zwischen dem Schlaf und der Effizienz des Lernens. Dieses Thema wurde auch auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin in Freiburg erörtert. Tagungspräsident Professor Dieter Riemann von der Uniklinik Freiburg erläuterte im Deutschlandfunk die Fortschritte der Disziplin. Die Fragen stellte Arndt Reuning.

24.09.2004
    Reuning: Herr Professor Riemann, kann man Sprachen einfach im Schlaf lernen?

    Riemann: Das wäre natürlich ein großer Traum, wenn das ginge. Aber das ist alles Unsinn. Wenn Sie sich nachts einen Kassettenrekorder unter das Bett legen, um Vokabeln zu lernen, stört die Geräuschkulisse höchstens Ihren Schlaf, Sie werden überhaupt nichts dabei lernen.

    Reuning: Offenbar gibt es aber doch einen Zusammenhang zwischen Schlaf und lernt Prozessen. Können Sie das etwas erläutern?

    Riemann: Man hat sich in den letzten zehn Jahren intensiv -und hier auf der Tagung haben wir auch viele Ergebnisse dazu gehört – um den Zusammenhang Schlaf mit dem Lernen und Gedächtnis bemüht. Das Einprägen selbst findet natürlich tagsüber statt, wenn man Vokabeln lernen oder sich andere Fertigkeiten aneignen will. Aber die Abspeicherung findet im Schlaf statt. Das sind jetzt eigentlich zentrale Ergebnisse, die jetzt gut bestätigt sind.

    Reuning: Aber ist es nicht ein Unterschied, ob ich zum Beispiel Vokabeln lerne oder das Jonglieren?

    Riemann: Wir differenzieren eigentlich in zwei Lernformen: das so genannte deklarative oder auch bewusste Lernen, also zum Beispiel das Vokabeln-Lernen. Auf der anderen Seite das so genannte prozedurale Lernen, da geht es zum Beispiel um motorische Fertigkeiten, die sie gerade angesprochen haben, Jonglieren oder auch Autofahren, bei denen ich etwas durch Übung lerne, der Lernprozess aber eigentlich unbewusst ist und wir das gar nicht wissen, wie wir das machen.

    Reuning: Welche Erkenntnisse gibt es denn. Welcher Schlaf ist notwendig für die verschiedenen Lernprozess?

    Riemann: Das spannende Ergebnis ist, dass eben unterschiedliche Formen des Schlaf für unterschiedliche Lernvorgänge zuständig sind. Es gibt einerseits den Tiefschlaf, mit den langsamen Deltawellen im Hirnstrombild, und auf der anderen Seite den REM-Schlaf mit den schnellen Augenbewegungen, wo wir träumen. Der Tiefschlaf ist vor allen Dingen in der ersten Nachthälfte im Schlaf vorhanden, während der REM-Schlaf in der zweiten Nachthälfte vorhanden ist. Und je nachdem, ob man nun mehr Tiefschlaf oder mehr REM-Schlaf haben, werden unterschiedliche Lernvorgänge aktiviert. Der Tiefschlaf ist sehr eng mit Lernvorgängen des deklarativen Lernens verbunden, also zum Beispiel Vokabelnlernen. Während der REM-Schlaf eher mit solchen einfach einzuübenden Fertigkeiten des prozeduralen Lernens gekoppelt ist, also zum Beispiel Dinge wie Jonglieren.

    Reuning: Kann man aus diesen Erkenntnissen denn auch praktische Tipps für das Lernen ableiten?

    Riemann: Als ich würde natürlich jedem empfehlen, der sich in einer Lernphase befindet, darauf zu achten, dass er dann auch etwa sieben bis acht Stunden Schlaf bekommt. Ich würde auch jedem raten, in dieser Phase keine Schlafmittel zu nehmen, weil Schlafmittel eben den Tiefeschlaf unterdrücken und außerdem das Hirnstrombild schneller machen, das wäre dem Lernen abträglich. Und ich würde auch niemandem raten, in einer Lernphase vor dem Schlafen Alkohol zu trinken. Denn auch der Alkohol verändern den Schlaf, so dass Lernen und Gedächtnis nicht mehr so gut gewährleistet sind.

    Reuning: Bieten sich denn bestimmte Phasen des Tages zum Lernen besonders an?

    Riemann: Das ist sicherlich individuell verschieden. Es gibt ja Abend- und Morgenmenschen, und natürlich sollte man diese individuellen Neigung nachkommen. Wenn ich am Vormittag meine Hochphase der Konzentration habe, sollte man dem auch nachkommen. Der Nachtmensch, der ist natürlich abends eher fit oder in den Nachtstunden, und danach sollte man sich entsprechend richten. Empfehlenswert ist generell natürlich, dass man nicht bis zum Schlafengehen lernt, denn dann könnte man Schlafstörungen bekommen, weil man nicht abschalten kann. Wenn man in einer Lernphase ist, würde ich dazu raten, ein bis zwei Stunden vor dem Zu-Bett-Gehen den Lernprozess abzuschließen.