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Wider den Nationalismus

Die Intendantin des Deutschen Oper Berlin, Kirsten Harms, musste sich in den vergangenen Wochen hauptsächlich mit der von ihr veranlassten Absetzung der Mozart-Oper "Idomeneo" herumschlagen. Nebenbei inszenierte sie aber auch selbst: Alberto Franchettis Oper "Germania" über die Befreiungskriege gegen Napoleon.

Von Georg-Friedrich Kühn |
    Das "Intermezzo sinfonico" ist der musikalisch vielleicht eindrucksvollste Teil dieser Oper. Eigentlich eine Schlachtenmusik. Ein irrlichterndes Flackern mit einem emphatischen Siegeschor. Aber was gibt's zu feiern hier?

    Auf der Bühne sieht man eine hochgerüstete Germania ein dampfendes Feld von Trümmern und Tierkadavern abschreiten. Stück um Stück legt Germania ihre Armierungen ab, den Armschutz, den Helm, den Brustpanzer, und geht still davon. Ricke taucht auf, die Frau zwischen den zwei Männern, die auf je eigene Art dies Deutschland verändern wollten. Sie sucht nach ihnen. Sie findet ihren sterbenden Mann Federico Loewe und dann auch den toten Geliebten Carlo Worms.

    Federico verzeiht, und er will, dass auch sie verzeiht, dass sie sich alle versöhnen. Dann hört man leises Trommeln. Napoleon zieht ab mit seinen geschlagenen Truppen. "Deutschland ist frei", ruft Loewe noch voller Begeisterung - und stirbt.

    Etwas melodramatisch ist der Schluss dieser Oper "Germania". 1902 wurde sie uraufgeführt an der Mailänder Scala unter Arturo Toscanini mit dann weltweitem Erfolg. Nur in Deutschland konnte diese Deutschland-Hommage des italienisch-jüdischen Komponisten Alberto Franchetti nicht reüssieren.

    Ihr Thema: die Anti-Napoleonischen Befreiungskriege zwischen 1806, der Schlacht bei Jena-Auerstedt, und '13, der Völkerschlacht von Leipzig. Ein Memento gegen Hass säenden und "Helden" gebärenden Nationalismus. Im Wilhelminischen Deutschland wollte man davon nichts hören.

    " Diese Frage, was hat eigentlich das Land der Dichter und Denker immer wieder in schreckliche Weltkriege hinein manövriert, ist eine Frage, die man sehr früh stellen muss. Dieses Stück spielt durch, dass alle die, die dieser nationalen Idee nachhängen, gemeinsam in den Untergang gehen."

    Kirsten Harms, sie hat sich dies vergessene Stück gewählt für ihre Einstandsinszenierung als Intendantin der Deutschen Oper Berlin. Und trotz der Turbulenzen der letzten Wochen wurde es ein zumindest mittlerer Erfolg.

    " Na ja, es traf mich schon in einer sehr sensiblen Phase der Inszenierung. Für mich bedeutet das, kühlen Kopf behalten und das Ziel der Premiere im Auge haben."

    Das Stück hat freilich Schwächen. Das Libretto des Puccini-Zulieferers Luigi Illica ist historisch unscharf. Zwar zeigt es in einem Prolog, wie deutsche Studenten und Professoren um eine Erneuerung des Landes ringen - Harms lässt sie an und auf einem bühnenbreiten Tisch vor einer Schriftwand disputieren.

    Napoleon und seine Truppen aber figurieren hier nur als Zerstörer. Dass der Imperator den alten preußischen Ständestaat erst aufrollen musste, um Ansätze zu Reformen zu ermöglichen, wird hier nicht deutlich.

    Auch die Verquickung mit einer kolportagehaften Dreiecksgeschichte der beiden Studenten um die junge Frau Ricke - des eher jakobinischen Loewe und des eher idealistischen Worms, wobei Loewe sich dann zum Versöhnungswilligen wandelt und umgekehrt - führt gelegentlich zu eher unfreiwilliger Komik.

    Franchettis Musik hat durchaus Kraft. Sie nippt mal vom deutschen Liedgut, sucht Anleihen bei Wagner, bei Puccini oder auch bei Mussorgsky und Tschaikowsky. Das Erstaunlichste der Aufführung ist, wie der neue GMD Renato Palumbo das Orchester der Deutschen Oper zu einem frischen und nuancierten Klang animiert.

    Viel Beifall gab es am Ende für die Sänger. Kirsten Harms und ihr Team mit Bernd Damovsky als Bühnenbildner mussten aber auch kräftige Buhs einstecken; nicht zu entscheiden ist, ob die der Intendantin galten oder der Regisseurin. Ein mitreißender Abend war es sicher nicht, aber ein historisch aufschlussreicher. Für die gegenwärtige Diskussion ums Deutsch-Nationale taugt sie kaum. Da gibt es gefährdetere Regionen.