Donnerstag, 28. März 2024

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Wider die Astrologie
Der Sündenfall der Priesterastronomen

In den frühen Hochkulturen entzifferten Priesterastronomen aus dem Stand der Himmelskörper nicht nur, wann es Zeit für die Ernte war oder Tiere auf Wanderschaft gingen, sondern auch, was die Gestirne über das Schicksal von Pharaonen und Königen bereithielten. Letztere Deutungen entsprachen aber nur selten der Realität.

Von Hermann-Michael Hahn | 16.01.2021
Ferner Nachbar: Mars und sein Mond Phobos (Serienaufnahme), fotografiert vom Hubble-Weltraumteleskop. Der Mars (im Hintergrund der Mond Phobos) zieht in den kommenden Tagen am Stern Antares vorbei.
Dem Lauf der Gestirne - hier der Planet Mars - schrieben einst die Priester eine große Bedeutung zu (NASA/ESA)
Wissen ist Macht – wohl für kaum eine andere Wissenschaft traf dieser Satz so zu wie für die Anfänge der Himmelskunde in den frühen Hochkulturen. Ursprünglich dienten astronomische Beobachtungen der Festlegung wichtiger Zeitpunkte im Jahreslauf – etwa der Zeit der Aussaat und der Ernte, des Eintretens der Regenzeit oder auch des Beginns großer Tierwanderungen. Das erweckte den Eindruck, als sei die Zukunft "in den Sternen geschrieben". Weil aber der Himmel als Wohnstatt der Götter galt, verstand man die "Zeichen des Himmels" als Geheimschrift der Götter, die man entziffern wollte.
In den frühen Hochkulturen kümmerten sich die Priesterastronomen darum, die mit ihrer Erfahrung und ihrem Wissen den Kontakt zu den Göttern herstellen konnten.
Wie so oft birgt der Besitz der Macht aber auch die Gefahr des Missbrauchs in sich - vor allem dann, wenn diese Macht auf einem geheimen Wissen beruht. Und so verwundert es nicht, dass irgendwann solche Priesterastronomen auf die Idee kamen, auch das Schicksal ihrer Herren, also der Könige und Pharaonen, aus dem Lauf der Gestirne ablesen zu wollen.
Johannes Kepler, Kopie eines verlorengegangenen Originals von 1610
Selbst der Astronom Johannes Kepler glaubte zu Beginn des 17. Jahrhunderts offenbar noch an die Rolle der Gestirne als Geheimschrift Gottes, die es zu entschlüsseln galt (Kepler-Museum) (Kepler)
Doch was für das System Erde als Ganzes gilt, wo etwa der alljährliche Wechsel der Beleuchtung durch die Sonne zu den unterschiedlichsten Konsequenzen führt, verfehlt seine Wirkung bei einzelnen Menschen.
Der Anfang der Sterndeuterei war ein Sündenfall der Priesterastronomen. Dass ihr bis heute viele Zeitgenossen Glauben schenken, stellt die ursprüngliche "Wissen ist Macht"-Aussage auf den Kopf: "Nicht-Wissen macht auch nichts".