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Wider die traditionell Lehre

Ernst Ruban hat einen zunächst unkonventionell anmutenden Vorschlag zur Lösung der Wirtschaftsprobleme im Land: Er empfiehlt, die Notenpresse anzuwerfen und so frisches Geld in Umlauf zu bringen. Für Ernst Ruban ist es "Der wirtschaftspolitische Befreiungsschlag". Rainer Bittermann hat das Buch gelesen.

    Deutschland liege nicht am Boden, Deutschland sei wirtschaftlich nur falsch organisiert. Dieser Satz, den Ernst Ruban in den Mittelpunkt seiner ökonomischen Betrachtungen stellt, lässt aufhorchen. Es gibt nämlich nicht wenige selbsternannte Experten hierzulande, die angesichts der immensen ökonomischen und sozialen Probleme glauben, die deutsche Wirtschaft sei nur noch zu retten, wenn der Gürtel immer enger geschnallt werde, wenn Löhne und Gehälter beschnitten, wenn Steuer- und Abgabeschrauben immer weiter angezogen werden. Doch alle Einsparungen, alle zusätzlichen Belastungen für die Bürger haben es bislang nicht vermocht, der deutschen Volkswirtschaft wieder zu einem dauerhaften Wachstum und einer robusten Prosperität zu verhelfen - eine Erkenntnis, die gerade in diesen Tagen dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers viel Kritik einbringt. Mit ihm sind aber inzwischen viele Bürger der Annahme, das Land werde der Probleme nicht mehr Herr. Dieses Szenario ist der Hintergrund für das Anliegen des Buches, das der Autor so formuliert:

    "Der Hauptzweck des Buches liegt darin, der Wirtschaft neue Impulse zu geben, neue Strategien zu entwickeln, die zur Besiegung der Massenarbeitslosigkeit und zur Beendigung der Notwendigkeit der Schuldenaufnahme des Staates führen. Dieses Problem ist ja bisher ungelöst. Die Vorschläge, die ich mache, glaube ich verantworten zu können, weil der Staat wesentlich leistungsfähiger ist oder die Gesellschaft wesentlich leistungsfähiger ist aufgrund der Stärke ihrer Wirtschaft, als bisher angenommen worden ist."

    Nach Meinung von Ernst Ruban hat das traditionelle konjunkturpolitische Instrumentarium versagt - mit gravierenden Folgen: Der Konkurrenzdruck in der Wirtschaft fordert Tausende und Abertausende von Arbeitsplätzen, und die Finanzprobleme der öffentlichen Hand machen den Staat handlungsunfähig. Der Autor rechnet schonungslos ab mit einer Politik, die lediglich auf die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft setzt, mit den Arbeitgebern, die ihren Mitarbeitern in erster Linie weniger Lohn und längere Arbeitszeiten zumuten, und mit den Gewerkschaften, die allein in höherer Kaufkraft der Verbraucher das Allheilmittel der Wirtschaftssanierung sehen. Ruban verwirft die neoliberale Angebotstheorie ebenso wie die nachfrageorientierte Theorie von John Maynard Keynes. Für ihn haben beide Theorien nicht die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt, allenfalls seien kurzfristige Erfolge erzielt worden. Der Autor ist deshalb auf der Suche nach einem neuen, einem dritten Weg, ohne dabei die Marktwirtschaft in Frage zu stellen oder einer sozialistischen Planwirtschaft das Wort zu reden. Ruban ist davon überzeugt, dass die gegenwärtigen Wirtschaftsprobleme nur mit Hilfe bedeutender Finanzmittel gelöst werden können - Gelder, die aber nicht wie bisher aus Steuern oder aus Neuverschuldung kommen sollen, sondern Gelder, die die Notenbank bereitzustellen habe.

    Genau an diesem Punkt jedoch dürfte die Kritik ansetzen: Gezielter Einsatz von Notenbankmitteln zur Ankurbelung der Wirtschaft? Bedeutet das nicht eine enorme Geldschöpfung, die letztlich die Inflation beschleunigt und die wirtschaftlichen und sozialen Probleme noch verschärft? Der Autor widerspricht:

    "Das ist die gängige Auffassung, aber wenn man genau hinschaut, ist es nicht so. Unsere Wirtschaft ist so leistungsfähig, dass sie zusätzliche Aufgaben ohne weiteres übernahmen kann. Und wenn zusätzliches Geld zu diesem Zwecke fließt, wird die Wirtschaft stimuliert und der Geldwert keineswegs beeinträchtigt."

    Das Buch verweist auf die Währungsumstellung im Zuge der Wiedervereinigung, die ein gewaltiges Konjunkturprogramm mit Notenbankgeld gefördert habe - ohne dass es zu einer exorbitanten Geldentwertung gekommen sei, wohl aber zu einem kräftigen Konjunkturschub in der westdeutschen Wirtschaft und zu umfangreichen Infrastrukturverbesserungen in Ostdeutschland. In einem ausgiebigen theoretischen Teil beschäftigt sich Rubans Werk mit der Beweisführung, dass die Heranziehung der Notenbank zur Überwindung der Beschäftigungskrise unabdingbare Voraussetzung für die Erreichung und Erhaltung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts sei. Nach seiner Einschätzung ist der Handlungsspielraum unabhängiger Notenbanken viel größer als bisher angenommen. Und der Autor geht noch einen Schritt weiter, indem er fordert, die Notenbank solle die Schulden des Staates übernehmen, um Bund, Ländern und Gemeinden wieder zu der Handlungsfähigkeit zu verhelfen, die notwendig sei, um Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten.

    Angesichts der faszinierenden Perspektive, mit Notenbankgeld gleichzeitig die Arbeitslosigkeit bekämpfen und die Verschuldung minimieren zu können, ist der Leser geneigt zu glauben, der Autor habe den Weg zu einem Paradies gefunden, das es in der harten ökonomischen Realität nicht gibt und möchte sich von der Lektüre mit der Bemerkung verabschieden: zu schön, um wahr zu sein! Die Notenbank als Retter in der Not? Ein Irrglaube?

    "Keineswegs. Ursache der Fehlentwicklungen ist der Mangel an Geld in den öffentlichen Kassen. Um diesen Mangel zu beseitigen, habe ich vorgeschlagen, der Notenbank die Möglichkeit zu geben, Investitionen in die Infrastruktur durch Zuwendungen von Bargeld an den Staat zu fördern. Dadurch werden Arbeitsplätze geschaffen, und durch die Schaffung von Arbeitsplätzen werden selbstverständlich auch zusätzliche Beiträge zur Sozialversicherung und zusätzliche Steueraufkommen kreiert, so dass am Ende der Staat besser dasteht, als er heute dasteht, und seine Probleme lösen kann."

    Das Paradies verheißt uns dieses Buch also nicht, gleichwohl ist es ein mutiges Buch. Eindrucksvoll und überzeugend macht es deutlich, dass die gegenwärtigen ökonomischen Probleme nur mit einer kraftvollen Korrektur der Wirtschaftspolitik gelöst werden können. Dass die gegenwärtige Beschäftigungskrise nur vorübergehender Natur sei und dass sich durch die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft die Dinge von selbst regeln, verweist der Autor in das Reich der Illusion. Ihm ist daran gelegen, mit wirtschaftlichen Irrtümern aufzuräumen und den Entscheidungsträgern in unserem Land Wege zu weisen, die aus der gegenwärtigen Misere herausführen können. Angesichts der derzeit vorherrschenden Ratlosigkeit in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wäre es kein Fehler, würde man sich dort auch einmal mit unkonventionellen, nicht auf der traditionellen Lehre beruhenden Thesen auseinandersetzen.

    Ernst Ruban: Der wirtschaftspolitische Befreiungsschlag.
    Books on Demand, Norderstedt, 2006
    252 Seiten
    29,90 Euro