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Widerspruch

IT-Wirtschaft.- Die Lage auf dem Arbeitsmarkt für Computerexperten ist schwierig: Die einen fordern eine Art Neuauflage der Greencard, weil noch immer akuter Fachkräftemangel in der IT-Industrie herrsche. Die anderen weisen auf die hohe Zahl arbeitsloser Computerexperten hin und fordern bessere arbeitsmarktpolitische Instrumente der Vermittlung.

Von Peter Welchering |
    Zumindest bei den Zahlen herrscht Einigkeit: Knapp 1,4 Millionen hochqualifizierter IT-Spezialisten arbeiten in Deutschland bei Software- und Hardwareherstellern, in der IT-Beratung und in den IT-Abteilungen von Behörden, in der Industrie und in der Dienstleistungsbranche. Ende 2009 waren gut 20.000 Stellen in der Computerbranche und bei den IT-Anwendern nicht besetzt. Für sie wurden Hardwarespezialisten, Programmierer und Systemanalytiker gesucht. Diesen 20.000 offenen Stellen standen 32.000 als arbeitslos gemeldete IT-Experten gegenüber. Für den Arbeitsmarktexperten des Branchenverbandes Bitkom, Dr. Stephan Pfisterer, ist das ein Zeichen für den Fachkräftemangel.

    "Das ist ungefähr eine Arbeitslosenquote von unter 2,5 Prozent. Nach allen volkswirtschaftlichen Standards gemessen ist das mehr als Vollbeschäftigung. Angesichts dieser Tatsache, dass wir selbst in der Krise noch offene Stellen haben, im letzten Herbst 20.000 offene Stellen bundesweit, muss man sagen, das Zuwanderung notwendig ist auch aufgrund der demografischen Entwicklung, die wir für die nächsten Jahre erwarten und die ja keine Spekulation ist, sondern auf gesicherten Zahlen beruht, können wir sagen, wir brauchen den internationalen Austausch und können auch wegen einer kurzfristigen Krise, in der sich die IT-Branche wesentlich besser geschlagen hat als viele andere, nicht darauf verzichten."

    Deshalb müsse das Zuwanderungsgesetz geändert werden, fordert der Branchenverband. Die dort vorgesehen Einkommensschwelle von 64.000 Euro Jahreseinkommen für eine zeitlich unbefristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis sei viel zu hoch. Der Bitkom fordert, dass sie auf 40.000 Euro gesenkt werde. Das entspricht dem Einstiegsniveau eines Hochschulabsolventen im IT-Bereich. Auch die sogenannte Vorrangprüfung, die die Bundesagentur für Arbeit bei gemeldeten offenen Stellen, die mit ausländischen Fachkräften besetzt werden, durchführt, soll nach Meinung des Bitkom abgeschafft werden. Die Vorrangprüfung schreibt vor, dass in solchen Fällen zunächst in Deutschland und im europäischen Raum nach geeigneten Kandidaten gesucht werden muss.

    Der Arbeitsmarkt brauche solche Schutzmaßnahmen nicht mehr. Werner Geier von der Agentur für Arbeit in Stuttgart ist da aber skeptisch. Ein gewisser Schutz sei vonnöten, damit Qualifizierungsmaßnahmen realisierbar bleiben. Werner Geier

    "Der Wissensstand schlägt viel schneller um, als das in der Vergangenheit war, das heißt also, alle die in diesem Bereich tätig sind, müssen sich ständig weiterbilden. Und in Bezug auf unsere Klientel ist eben auch der Ansatz, dass wir ganz gezielt schauen, auf Beschäftigungsmöglichkeiten hin zu qualifizieren."

    Vor allen Dingen ältere Arbeitnehmer profitieren derzeit von diesen Schutzmechanismen am Arbeitsmarkt. Werner Geier.

    "Es ist ein Problem. Viele dieser über 50-Jährigen verfügen zwar über ein fundiertes Wissen, aber sie sind dann im Laufe ihres Berufslebens so spezialisiert worden, dass sie in der Breite kaum mehr verwertbare Kenntnisse haben, das heißt, wir müssen sie weiterbilden, um überhaupt noch 'ne Chance zu haben, sie auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen."

    Martin Jetter, Vorsitzender der Geschäftsführung der IBM Deutschland GmbH, plädiert dagegen für den Mittelweg.

    "Beide haben ein Stück weit Recht. Man kann sicherlich die Gesamtzahl der Menschen, die heute im IT-Sektor ohne Beschäftigung sind, ein Stück weit reduzieren. Aber umgekehrt dürfen wir uns die Augen auch nicht verschließen. Arbeit geht dahin, wo sie wirtschaftlich am einfachsten und am sinnvollsten erbracht werden kann, und da, wo letztlich das Talent steckt. Ich kann heute nicht eine Tätigkeit in Deutschland halten, wo ich genau weiß, sie kann unabhängig vom Standort zu einem Skalenfaktor, der vielleicht zehn- oder fünfzehnfach geringer ist, erbracht werden."

    Das Erfolgsrezept liegt für die Vertreter der IT-Industrie in der Kombination: Qualifizierung arbeitsloser IT-Experten und Anwerbung ausländischer IT-Fachkräfte sind nach ihrem Dafürhalten gleichermaßen wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit des IT-Standortes Deutschland.