Donnerstag, 02. Mai 2024

Archiv


Widerstand aus Kunst und Kultur

Die Franzosen torpedieren das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union. Paris fordert kulturelle Ausnahmen und droht mit einem Veto, wenn Bereiche wie die Filmindustrie und digitale Medien nicht ausgeklammert werden.

Von Ursula Welter | 14.06.2013
    "Das ist unsere Identität. Unser Kampf", rief Premierminister, Jean-Marc Ayrault, in dieser Woche ins Halbrund der französischen Nationalversammlung. Für die Verteidigung der kulturellen Vielfalt werde Frankreich kämpfen, immer kämpfen.

    "Frankreich steht im Mittelpunkt, aber das geht ganz Europa etwas an", sagen die Parlamentarier in Straßburg. Die haben mit breiter Mehrheit ebenfalls gefordert, die kulturelle Sonderstellung in Europa gar nicht erst nicht erst auf den Tisch zu legen, wenn es an die Gespräche über das Handelsabkommen mit den USA geht.

    Asterix gegen die USA, Frankreich gegen Hollywood - das haben die Welthandelsrunden GATT seit den 60er-Jahren erlebt. Gegen allen Protest aus Übersee hat Frankreich die "exception culturelle" verteidigt, schottet, mithilfe von Quoten und staatlichen Subventionen, Film und Musik ab und weiß, spätestens seit der UNESCO-Erklärung von 2005 über die kulturelle Vielfalt, 125 Staaten an seiner Seite. Daran erinnert heute in "Le Monde" die französische Kulturministerin, Aurelie Filipetti. Markt und kulturelle Vielfalt widersprächen einander, Monokultur fürs Massenpublikum fürchtet Madame la Ministre - und mit ihr die Filmschaffenden, die in dieser Woche enttäuscht, ja verbittert aus einem Gespräch mit dem EU-Kommissionspräsidenten kamen.

    "Dieser Mann, gleich, was er sagt, will die Sonderstellung der Kultur nicht aus den Verhandlungen mit den USA heraushalten."

    Meint der griechisch-französische Regisseur Costa Gavras , der mit Kollegen aus Belgien, Frankreich, Rumänien und Polen zu dem Gespräch mit José Manuel Barroso gereist war. "Der Mann ist eine Gefahr für Europas Kultur", sagt der Regisseur. Kulturelle Ausnahme bedeute auch, dass Filme in Frankreich nicht durch Werbung unterbrochen würden, Vorteile wie diese stünden nun auf dem Spiel, wenn Google und YouTube erst einmal in den Foyers der europäischen Kinos säßen.

    "Denn sobald die Kultur einbezogen wird, müssen Zugeständnisse gemacht werden.".
    Wim Wenders, der an diesem Tag nicht persönlich am Gespräch mit der EU-Kommission teilnehmen konnte, schickte einen Brief. Die Schauspielerin Bérénice Béjo las ihn vor:

    "Bauernopfer – es geht um die kulturelle Ausnahme. Sollten nicht die Europäer lieber Kompromisse anbieten in den Verhandlungen: Also dass man nur noch jedes zweite Mal atmet, oder nicht mehr lacht, dass wir unsere Bücher ins Feuer werfen, dass wir die Museen zu machen, dass wir uns den kleinen Finger abschneiden, dass wir die Erstgeborenen opfern, dass wir die Mauer von Berlin wieder aufbauen. Die, die kulturelle Ausnahme aufgeben wollen, verstehen die wirklich, wie monströs das Ganze ist? Wie katastrophal dieser Suizid werden wird? Es geht um den kulturellen Mord an Europa ohne Anästhesie - das Massaker der Kultur – wenn andere das akzeptieren, warum sollten wir ihrem traurigen Beispiel folgen, warum sollten wir unsere Seele opfern? Es geht um die europäische Seele, um die europäische Idee, ihre Zukunft opfern wir, da könnten wir doch auch gleich anbieten, dass wir uns heute hier eingraben. Wim Wenders."

    Ein Film wie "The Artist", sagt Bérenice Béjo, nachdem sie den Brief vorgelesen hat, ein Film wie "The Artist" wäre in den USA nicht realisierbar gewesen.

    "Wenn Sie in die USA fahren, sehen Sie amerikanische Filme. Einen ungarischen Film finden Sie da nicht, oder nur im letzten Winkel von Los Angeles."

    "Wir sind nicht allein", rief Frankreichs Premierminister im französischen Parlament,

    Auch deshalb stattete er seine Handelsministerin, Nicole Brique mit der schärfsten diplomatischen Waffe aus. Dem politischen Veto aus Paris.

    Mehr zum Thema:
    Die kulturelle Ausnahme - Uneinigkeit über den Status kultureller Güter beim Freihandelsabkommen