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Widerstand gegen Studiengebühren in Hessen

Nach den Demonstrationen im Sommer und Herbst scheint sich der Protest gegen die Einführung der Studiengebühren in Hessen gelegt zu haben. Doch hinter den Kulissen geht er weiter: Die rot-grüne Opposition hat Verfassungsklage eingereicht. Gleichzeitig sammeln die Landesastenkonferenz, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände Land Unterschriften, um eine sogenannte Volksklage einreichen zu können.

Von Anke Petermann |
    Nach den Demonstrationen im Sommer und Herbst scheint sich der Protest gegen die Einführung der Studiengebühren in Hessen zum Wintersemester 2007/2008 gelegt zu haben. Doch hinter den Kulissen geht er weiter: die rot-grüne Opposition hat Verfassungsklage eingereicht. Gleichzeitig sammeln die Landesastenkonferenz, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände im ganzen Land Unterschriften, um zusätzlich eine sogenannte Volksklage beim Verfassungsgericht einreichen zu können. 1 Prozent der Hessen müssten dafür Anträge auf eine Entscheidung des Staatsgerichtshofs ausfüllen, rund 43.000 Menschen. 25.000 Unterschriften haben die Initiatoren der Volksklage schon gesammelt - Ende Mai läuft die Frist aus. Um die Initiative auch außerhalb der Unistädte bekannt zu machen, tourt der Marburger Asta in diesen Tagen durch kleinere Orte Mittelhessens - Anke Petermann war dabei:

    "- Hallo, haben sie schon von der Einführung von Studiengebühren gehört.

    Das habe ich gehört, und das ärgert mich.

    Ja, und da können Sie heute was tun, wir sammeln nämlich Unterschriften für eine Verfassungsklage, weil wir meinen, das stimmt nicht mit der hessischen Verfassung überein. Und wenn sie das unterstützen wollen, könnten Sie hier so ein Formular ausfüllen.

    Gerne, mein Sohn geht nämlich dieses Jahr zum Gymnasium, und ich bin alleinerziehend, ich mach' mir schon Sorgen

    Ich muss ein Haus abzahlen, wie das dann mal alles wird, gell.

    Ich unterschreibe, weil bei uns drei Kinder studiert haben, haben zwar etwas Bafög gekriegt, aber wir hatten ein einziges Einkommen. Ich bin heute noch ärgerlich über diesen Staat. Ich habe ja schon wieder 8 Enkelkinder, die sind auch klug, und wenn die studieren, die sind ja blank nachher.

    Die können ja gar nicht alles bezahlen. Das ist ja so teuer alles, allein die Miete

    So leicht hat es Julian Jaedicke auf dem kopfsteingepflasterten Marktplatz des hübschen Fachwerkstädtchens Herborn bei Gießen nicht mit vielen Passanten. Mit einem knappen "betrifft mich nicht" gehen viele weiter. Für andere, die über den Markt der 20.000 Einwohner-Stadt schlendern, sind nicht die drohenden Studiengebühren der Aufreger, sondern die vier Marburger Studierenden, die Unterschriften für die Volksklage dagegen sammeln.

    " Das gibt s nirgendwo, nur in Deutschland. Hier in Deutschland soll alles immer umsonst sein. Nur, die Idioten die das bezahlen sind die, die jeden Tag arbeiten gehen.

    Wenn sie mich mal ausreden lassen würden. - Es gibt keine Argument - Ja, gut, dann ... - Nee s gibt's nicht . Diejenigen die das machen, müssen dafür bezahlen. Geh mal nach USA, England, China.

    Aber das erfolgreichste Bildungssystem ist in Skandinavien.

    Ja, und dann studiert ihr noch Psychologe, Demagoge - Deutschland braucht Ingenieure. "

    "Das ist Herborner Provinz" kommentiert eine Frau, die den Infostand der Studierenden am Herborner Marktbrunnen gezielt ansteuert, weil sie die Volksklage unterstützen will. Um einen Stehtisch sammeln sich im Lauf des Vormittags einige, die von der Aktion des Marburger Asta übers Lokalradio oder per Flugblatt erfahren haben.

    " Mir habe drei Enkel am Studieren und zwei fangen an, das heißt, die Großeltern müssen auch helfen. Wir sind ja über dreißig Kilometer gefahren, um hierherzukommen. - Sind sie in Herborn gemeldet? - Nein - Ebersbach. - Man muss es halt in der Gemeinde abstempeln lassen. - Da wo Sie gemeldet sind - ja, das ist klar."

    Für die Volksklage reicht keine einfache Unterschrift. Und so können die 5fachen Großeltern an diesem Vormittag nur das Formular mitnehmen. Unterschreiben und als beglaubigt abstempeln lassen, müssen sie es unter den Augen einer Amtsperson ihrer Heimatgemeinde, dann noch an die zentrale Sammelstelle beim Asta in Frankfurt schicken oder bei einem der hessischen Astenbüros abgeben.

    Ein kompliziertes, zum Teil auch abschreckendes Verfahren, das die Marburger Studierenden zumindest an Stationen ihrer Infotour vereinfachen. In Herborn haben sie ihren Infostand direkt neben dem Bürgerbüro im Rathaus aufgebaut, der SPD Bürgermeister unterstützt die Aktion. Viele Unterschriftswillige gehen mit dem ausgefüllten Antrag direkt dorthin:

    "Hier unterschreiben?"

    Annalena Benner studiert in Gießen und nutzt die Semesterferien, um gemeinsam mit ihrer Mutter am Erstwohnsitz Herborn zu unterschreiben und den beglaubigten Antrag am Infotisch in die Urne zu werfen. Studierende, die nur mit Zweitwohnsitz in Hessen gemeldet sind, können das nicht. Zwei Stunden lang führen die vier Marburger Asta-Mitglieder auf dem Herborner Marktplatz unzählige Gespräche, decken Unterschriftswillige mit Anträgen für die gesamte Familie ein, sammeln in ihrer Urne zwei Dutzend beglaubigte Formulare. 18.000 Unterschriften fehlen noch. Ende Mai läuft die Frist ab: Dennoch: Karin Zennig vom Asta Marburg ist zuversichtlich, dass die Volksklage zustande kommt.

    "Es gibt es gibt täglich Hunderte von Zuschriften an die zentrale Sammelstelle in Frankfurt. Es gibt jetzt die Mittelhessen-Tour. Es wird eine Nord- und Südhessentour geben. Wir haben vor den Semesterferien diese Kampagne gepusht und erwarten uns zu Beginn des neuen Semesters großen Rücklauf von Leuten, die aus den Unistädten auf ihre Dörfer, Städten, Gemeinden gefahren sind und ihre Verwandten überredet haben.

    Morgen ist der Marburger Unibus im Kreis Limburg-Weilburg unterwegs, übermorgen in der Wetterau nördlich von Frankfurt am Main

    www.verfassungsklage-bildung.de