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Widerstand im Grenzland

Jeder, der hierzulande eine Getränkedose, eine Plastikflasche oder eine andere Einweg-Getränkeverpackung kauft, wird künftig ein einheitliches Pfand von 25 Cent bezahlen. So sieht es eine Novelle der Verpackungsverordnung vor, die Ende des Monats in Kraft tritt. Getränkehersteller klagen über und gegen das Pfand: so zum Beispiel zwei Firmen aus Österreich und Frankreich, deren Klage heute das Verwaltungsgericht Stuttgart verhandelt. Die beiden Unternehmen sehen sich in ihrem Recht auf freien Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union behindert. Aber auch in Deutschlands Norden gibt es Ärger. Denn mit dem Bundesgesetz wird ab Juni die Pfandpflichtbefreiung des Handels im Grenzgebiet zu Skandinavien beendet. Die neue schwarz-rote Landesregierung in Schleswig-Holstein stellt sich quer. Sehr zum Unwillen von Grünen und Umweltverbänden.

Von Jasper Barenberg |
    Wenn das kein Durst ist - 200 Millionen Liter Bier chauffieren Besucher aus Dänemark oder Schweden Jahr für Jahr über die Grenze nach Norden. Tendenz steigend. Weil es viel billiger ist als daheim. Ob in Flensburg und Umgebung oder dort im Osten von Holstein, wo es auf die Fähren geht nach Skandinavien: Wer sich schriftlich verpflichtet, seine Getränkedosen noch am gleichen Tag auszuführen, dem wird das Pfand an der Kasse erlassen. Gleich palettenweise laden die Gäste vor allem Bier in die Kofferräume ihrer Autos. Das aber könnte sich ändern. Denn die neue Verpackungsverordnung des Bundesumweltministers verbietet es, die 25 Cent pro Dose weiterhin zu erstatten. Die Landesregierung in Kiel aber will, dass alles so bleibt, wie bisher. Der neue Umweltminister von Boetticher hat deshalb angekündigt, er werde die betroffenen Landkreise im Grenzgebiet vorerst nicht anweisen, das Pfand künftig zu erheben. Und bringt mit dieser Ankündigung den BUND gegen sich auf. Dessen Geschäftsführer in Schleswig-Holstein ist Hans-Jörg Lüth.

    " Die Landesregierung kann nicht einfach sagen, wir kümmern uns einen Dreck um Bundesrecht - Bundesrecht bricht Landesrecht. Das gilt auch für diese Landesregierung. Die Verpackungsverordnung muss auch in Schleswig-Holstein umgesetzt werden. Es gibt keinen Grund, warum es nicht getan werden sollte."

    Christian von Boetticher dagegen, der Minister, sieht gleich deren zwei, um sich gegen die Verordnung von Jürgen Trittin zu sperren:

    " Er möchte auf Grund des Abfallgesetzes eine Verordnung erlassen, die uns zur Erhebung des Dosenpfandes zwingt. Wir sagen, das kann er nicht, weil im Grenzhandel Abfall in Deutschland gar nicht entsteht. Ich kann aber ein deutsches Gesetz nur auf deutsche Sachverhalte anwenden."

    Und eben nicht auf Abfall, der nicht in Deutschland, sondern in Dänemark oder in Schweden anfällt. Wichtiger aber als dieses juristische ist dem Minister ein politisches Argument. Es hat mit den rund 1500 Menschen in der Grenzregion zu tun, die mit und von dem Getränkeverkauf an die Besucher aus Skandinavien leben.

    " Wir sagen, dass es politisch völlig unverständlich ist, in einer Zeit, in der wir überall um jeden Arbeitsplatz kämpfen, aus einer Situation heraus, zu der wir rechtlich nicht gezwungen sind, Arbeitsplätze zu gefährden."

    Hans-Jörg Lüth vom BUND dagegen hält die Gefahr für die Arbeitsplätze für ein Ammenmärchen, legt zudem die bestehende Rechtslage anders aus. Er sieht einen wesentlichen Grundsatz im Umweltrecht in Gefahr.

    " Es gibt im Abfallkreislaufwirtschaftsgesetz ein Vermeidungsgebot. Dass heißt, Abfälle sind zu vermeiden. Und genau dagegen, gegen dieses Vermeidungsgebot wird hier massiv verstoßen."

    Ähnlich argumentiert auch die dänische Regierung. Sie hat mehrfach gefordert, die Pfandbefreiung aufzuheben. Viele der Dosen würden gedankenlos in die Landschaft geworfen. Der Umweltminister in Kiel hält das Argument für vorgeschoben. In seinen Augen geht es der Regierung in Kopenhagen vor allem darum, die Position der eigenen Handelsunternehmen zu verbessern. Aus dieser Perspektive betrachtet hält Christdemokrat von Boetticher das eingeforderte Pfand für nichts anderes als eine Preiserhöhung.

    " Die möchte Dänemark gerne. Weil dadurch sind sie dann wieder konkurrenz- und wettbewerbsfähig. Und ich habe ein Interesse, diesen Zuschlag nicht zu machen, weil in der Tat ansonsten die Dänen und die Schweden und auch die Finnen nicht nach Deutschland kommen, um dort einzukaufen. Und das hat ja im Augenblick Synergieeffekte auf den gesamten Bereich Einzelhandel bis hin zum Bereich Gastronomie, Frisörwesen - alle profitieren im Grenzland davon, dass die Skandinavier kommen, um günstig vor allem Alkohol, aber auch andere Sachen einzukaufen."

    Die kleine grüne Oppositionsfraktion im Kieler Landtag wettert gegen den Rechtsbruch, der Bundesumweltminister hat der dänischen Regierung versprochen, auf eine strikte Einhaltung der neuen Pfandregeln auch in Schleswig-Holstein zu achten. Möglicherweise landet die Sache am Ende vor Gericht.