Christoph Schmitz: Ein Boulevardblatt zeigt ihn heute - den amerikanischen Schauspieler Tom Cruise, wie er sich auf das Hitler-Attentat vorbereitet, so die Schlagzeile. Morgen beginnt er am Set damit, also, mit den Dreharbeiten als Stauffenberg-Darsteller im Kinostreifen "Walküre" des Actionfilmregisseurs Bryan Singer. Peinliche Kritik aus der deutschen Politik hat es an der Besetzung gegeben, Cruise sei als Mitglied der Scientology-Sekte für eine solche Rolle nicht akzeptabel. Historische Fragen aber sollten im Vordergrund stehen, auch weil sich übermorgen, am 20. Juli also, das gescheiterte Attentat auf Hitler und der versuchte Staatsstreich von 1944 jährt. Klaus Schenk Graf von Stauffenberg war maßgeblich beteiligt. Als Soldat verstand er sich als Repräsentant der Nation, für diese verantwortlich und nicht nur dem Gehorsam verpflichtet. Bauchschmerzen macht heute manch einem Stauffenbergs Zugehörigkeit zum elitären Dichterkreis um Stefan George, der nicht gerade für demokratische Denkweisen steht. Darüber und andere Themen zu Stauffenberg der deutsche Historiker Peter Hoffmann von der kanadischen McGill University in Montreal.
Peter Hoffmann: Das mag sein, aber Stauffenberg hat sich, als er sich mit der Verschwörung verband - das hat er ja erst nach seinen misslungenen Versuchen, die höheren Führer zum Handeln zu bewegen, getan, also erst 1943 -, als er sich mit der Verschwörung dann verband, hat er sich zu deren Prinzipien bekannt, nämlich zur Wiederherstellung der Weimarer Verfassung und zu einer Entscheidung über die künftige Staatsform und Verfassung durch Wahl, also durch Abstimmung, an der auch die Soldaten beteiligt sein sollten, also wieder etwas Revolutionäres. Denn weder in der Weimarer Zeit noch in der nationalsozialistischen Zeit durften Soldaten wählen. Aber nach den Vorstellungen von Stauffenberg, Goerdeler, Beck und so weiter - ich weiß, dass das wenig bekannt ist, aber es ist doch so - sollten die Soldaten mitwählen. Also, bekannt hat er sich zu demokratischen Grundauffassungen.
Schmitz: Eine andere Frage, die in eine andere Richtung geht: Was müsste ein Stauffenberg-Film über die Hauptfigur hinaus über den Widerstand des 20. Juli und den deutschen Widerstand generell berücksichtigen?
Hoffmann: Er müsste auf jeden Fall den Hintergrund und die Rahmenbedingungen für Stauffenbergs Tat berücksichtigen, die Entwicklung des Widerstandes, ehe Stauffenberg sich selbst zum Kämpfer gegen Hitler entwickelt hatte, berücksichtigen, er müsste die Überzeugungen der Mitkämpfer berücksichtigen. Natürlich, wenn ein Film 90 Minuten hat, sind da Grenzen gesetzt, aber es müsste wenigstens angedeutet werden.
Schmitz: Unabhängig vom Film: Haben Sie den Eindruck, dass die historische Forschung und auch das öffentliche Interesse in Deutschland sich nach der Schuld- und Täteraufarbeitung nun den Helden, also, den guten Deutschen wie Stauffenberg, zuwenden?
Hoffmann: Sie meinen wahrscheinlich, ob man sich mehr den Helden zuwendet als vorher.
Schmitz: Ja.
Hoffmann: Das kann man vielleicht so sehen. Aber es sind ja nun 60 Jahre vergangen so ungefähr, und da hat es verschiedene Wellen gegeben unmittelbar nach dem Krieg, oder sagen wir, in den frühen 50er Jahren, 1950er Jahren, hat man sehr viel von den Helden gesprochen. Und dann fingen gegen Ende der 60er Jahre die Nachholprozesse an, also der Auschwitzprozess und der Einsatzgruppenprozess und so weiter. Und da hat sich dann natürlich vieles verschoben. Also es gibt da keine gerade Linie, aber man kann wohl sagen, jetzt ist man - in manchen Kreisen jedenfalls, also durchaus nicht überall - bereit, auch die Helden und die sogenannten guten Deutschen anzuerkennen, aber die Umfragezahlen des Allensbacher Instituts für Demoskopie sagen Ihnen ja auch, dass die Auffassungen und Einstellungen sehr geteilt sind.
Schmitz: Ist denn Ihrer Ansicht nach der deutsche Widerstand gegen die Nazis in seiner ganzen Breite schon ausreichend erforscht?
Hoffmann: Nein. Da fragen Sie einen Forscher, der natürlich nicht sagen will, seine Arbeit ist beendet, er kann gehen. Aber ich habe, wie Sie wahrscheinlich wissen, ich habe vor einem Jahr in Moskau Dokumente gefunden, von denen man kaum noch erwartet hatte, dass sie noch existieren und habe sie Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte veröffentlicht. Das war ein Plan für die Besetzung der Hauptquartiere in Ostpreußen, das heißt also Hitlers, Görings, Himmlers und Ribbentrops Hauptquartier, vom September 1943, von Tresckow und Stauffenberg ausgearbeitet - war bisher völlig unbekannt. Also es gibt durchaus die Möglichkeit, dass noch Dokumente auftauchen. Ich bin überzeugt, dass es auch in Deutschland private Nachlässe gibt, in denen manche Funde gemacht werden können. Es sind nicht alle, die am Widerstand beteiligt waren oder die Widerstand geleistet haben, bekannt geworden. Es kann gut sein, dass irgendwo ein Name oder auch eine Gruppe von Namen auftaucht, die bisher unbekannt sind, das ist durchaus denkbar. Aber in einer anderen Weise ist die Tiefe des Widerstandes gar nicht auszuloten, denn der Widerstand war eine existenzielle Tat. Die Kämpfer des Widerstandes haben ihr Leben eingesetzt, auch das Leben ihrer Familien übrigens, und ganz zu schweigen von ihrer Ehre und bürgerlichen Existenz und so weiter. Also sie haben ihre Existenz eingesetzt, sie haben ihr Leben geopfert für eine Idee, für den Rechtsstaat, für Gerechtigkeit, Freiheit, das Ende des Tötens, das Ende der Verbrechen. Das ist eine ständige Herausforderung an die Nachlebenden.
Peter Hoffmann: Das mag sein, aber Stauffenberg hat sich, als er sich mit der Verschwörung verband - das hat er ja erst nach seinen misslungenen Versuchen, die höheren Führer zum Handeln zu bewegen, getan, also erst 1943 -, als er sich mit der Verschwörung dann verband, hat er sich zu deren Prinzipien bekannt, nämlich zur Wiederherstellung der Weimarer Verfassung und zu einer Entscheidung über die künftige Staatsform und Verfassung durch Wahl, also durch Abstimmung, an der auch die Soldaten beteiligt sein sollten, also wieder etwas Revolutionäres. Denn weder in der Weimarer Zeit noch in der nationalsozialistischen Zeit durften Soldaten wählen. Aber nach den Vorstellungen von Stauffenberg, Goerdeler, Beck und so weiter - ich weiß, dass das wenig bekannt ist, aber es ist doch so - sollten die Soldaten mitwählen. Also, bekannt hat er sich zu demokratischen Grundauffassungen.
Schmitz: Eine andere Frage, die in eine andere Richtung geht: Was müsste ein Stauffenberg-Film über die Hauptfigur hinaus über den Widerstand des 20. Juli und den deutschen Widerstand generell berücksichtigen?
Hoffmann: Er müsste auf jeden Fall den Hintergrund und die Rahmenbedingungen für Stauffenbergs Tat berücksichtigen, die Entwicklung des Widerstandes, ehe Stauffenberg sich selbst zum Kämpfer gegen Hitler entwickelt hatte, berücksichtigen, er müsste die Überzeugungen der Mitkämpfer berücksichtigen. Natürlich, wenn ein Film 90 Minuten hat, sind da Grenzen gesetzt, aber es müsste wenigstens angedeutet werden.
Schmitz: Unabhängig vom Film: Haben Sie den Eindruck, dass die historische Forschung und auch das öffentliche Interesse in Deutschland sich nach der Schuld- und Täteraufarbeitung nun den Helden, also, den guten Deutschen wie Stauffenberg, zuwenden?
Hoffmann: Sie meinen wahrscheinlich, ob man sich mehr den Helden zuwendet als vorher.
Schmitz: Ja.
Hoffmann: Das kann man vielleicht so sehen. Aber es sind ja nun 60 Jahre vergangen so ungefähr, und da hat es verschiedene Wellen gegeben unmittelbar nach dem Krieg, oder sagen wir, in den frühen 50er Jahren, 1950er Jahren, hat man sehr viel von den Helden gesprochen. Und dann fingen gegen Ende der 60er Jahre die Nachholprozesse an, also der Auschwitzprozess und der Einsatzgruppenprozess und so weiter. Und da hat sich dann natürlich vieles verschoben. Also es gibt da keine gerade Linie, aber man kann wohl sagen, jetzt ist man - in manchen Kreisen jedenfalls, also durchaus nicht überall - bereit, auch die Helden und die sogenannten guten Deutschen anzuerkennen, aber die Umfragezahlen des Allensbacher Instituts für Demoskopie sagen Ihnen ja auch, dass die Auffassungen und Einstellungen sehr geteilt sind.
Schmitz: Ist denn Ihrer Ansicht nach der deutsche Widerstand gegen die Nazis in seiner ganzen Breite schon ausreichend erforscht?
Hoffmann: Nein. Da fragen Sie einen Forscher, der natürlich nicht sagen will, seine Arbeit ist beendet, er kann gehen. Aber ich habe, wie Sie wahrscheinlich wissen, ich habe vor einem Jahr in Moskau Dokumente gefunden, von denen man kaum noch erwartet hatte, dass sie noch existieren und habe sie Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte veröffentlicht. Das war ein Plan für die Besetzung der Hauptquartiere in Ostpreußen, das heißt also Hitlers, Görings, Himmlers und Ribbentrops Hauptquartier, vom September 1943, von Tresckow und Stauffenberg ausgearbeitet - war bisher völlig unbekannt. Also es gibt durchaus die Möglichkeit, dass noch Dokumente auftauchen. Ich bin überzeugt, dass es auch in Deutschland private Nachlässe gibt, in denen manche Funde gemacht werden können. Es sind nicht alle, die am Widerstand beteiligt waren oder die Widerstand geleistet haben, bekannt geworden. Es kann gut sein, dass irgendwo ein Name oder auch eine Gruppe von Namen auftaucht, die bisher unbekannt sind, das ist durchaus denkbar. Aber in einer anderen Weise ist die Tiefe des Widerstandes gar nicht auszuloten, denn der Widerstand war eine existenzielle Tat. Die Kämpfer des Widerstandes haben ihr Leben eingesetzt, auch das Leben ihrer Familien übrigens, und ganz zu schweigen von ihrer Ehre und bürgerlichen Existenz und so weiter. Also sie haben ihre Existenz eingesetzt, sie haben ihr Leben geopfert für eine Idee, für den Rechtsstaat, für Gerechtigkeit, Freiheit, das Ende des Tötens, das Ende der Verbrechen. Das ist eine ständige Herausforderung an die Nachlebenden.